Geschichten:Familiengeschichten aus Hartsteen - Unter Arrest
Festung Feidewald, 24. Travia 1035 BF
Langsam und bedächtig näherte sich Hadrumir von Schwingenfels den Toren Feidewalds. Vorsichtig hielt er Ausschau nach einer Regung auf den Mauern. Er war schon etliche Male hierhergekommen, doch diesmal kam er als Belagerer. Hinter sich wusste er den Rest der Getreuen Graf Luidors.
Es war drei Wochen her, seit er die Verurteilung Geismars bezeugt hatte. Dann war es schnell voran gegangen. Der Befehl Graf Luidors war eindeutig gewesen und so waren seine Getreuen hier ohne großes Zögern aufmarschiert. Die Belagerung zog sich jetzt schon zwei Wochen und so war der Ausfall der Geismarianer am heutigen Morgen überraschend, umso mehr als vermeldet wurde, dass Geismar selbst den Ausfall anführte.
Hadrumir schnaufte tief durch. Der Kampf gegen Boronian von Quintian-Quandt schien ihm äußerlich nichts ausgemacht zu haben, tatsächlich fühlte er sich innerlich aber sehr wohl erschöpft. Insbesondere die Tatsache, dass sich Geismar zu einer Finte entschlossen hatte und Boronian in seine Rüstung gesteckt hatte, erschöpfte Hadrumir innerlich.
Hadrumir drehte sich um. „Was denkt ihr, Steinfelde, ist Geismar noch da drinnen?“ fragte er den hinzugetretenen Praiodan von Steinfelde. „Und vor allem, was macht Werdomar? Hatte Anselm nicht zugesichert, dass er bei einer Belagerung helfen würde?“ Der so Angesprochene schaute ebenfalls zu den Mauern. „Geismar hat nahezu seine gesamte Verwandtschaft zu diesem Ausfall geschickt. Ist deren Loyalität so groß?“ Doch ehe die Männer weiter überlegen konnten, wurden die Tore der Festung geöffnet. „Sieht so aus, als würden wir eine Antwort bekommen!“ sprach Peridan von Allingen.
Bevor die Adligen die Burg betraten, sandte man Soldaten aus, um zu beobachten, was sich im Innern der Burg tat. Man hatte berichtet, dass Werdomar von Quintian-Quandt im Burghof stand, seine Soldaten hatten die Waffen gestreckt. Eine Almadanerin stützte ihn.
Kurz darauf betraten die Getreuen Luidors die Festung, und fanden den Burghof den Beschreibungen entsprechend vor. Werdomar von Quintian-Quandt war blass und wirkte geschwächt. Er schaute sich um und musterte die Belagerer der Festung einen nach dem anderen. Sein Blick blieb schließlich bei diesem Hundsfott Hadrumir von Schwingenfels hängen. Sein Verrat war der Beginn des Untergangs, aber er hatte Werdomar auch eines aufgezeigt. Man konnte das Land nicht gewinnen, wenn man die Leute nicht gewinnen konnte. Das würde er sich für die Zukunft merken! Und dank Ungulas Geschäften würde diese Zukunft für ihn gar nicht so schlecht aussehen. Doch jetzt hatte er erst einmal die lästigen Pflichten der Gegenwart zu erfüllen. Noch geschwächt sprach er: „Hiermit übergebe ich Euch die Festung Feidewald! Meine Männer und Frauen werden keinen Widerstand leisten!“
Hadrumirs Blick blieb an der Leiche Griseldis hängen. „Was hat das zu bedeuten?“ deutete er mit seiner Hand auf die Leiche. „Nun, nicht alle in meiner Familie waren mit der Entscheidung einverstanden, die Waffen zu strecken!“ antwortete Werdomar ruhig und ohne eine weitere Regung. „Ich nehme an, dass Geismar auch zu denen gehört, die die Waffen nicht strecken wollten?“ fragte er betont gelassen, auch wenn er lieber selbst zum Henker für diesen Bastard geworden wäre. Seine Gedanken hingen an seiner Kusine und der Frau Praiodans, welche dem Wahn Geismars anheimgefallen waren.
Werdomar konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. „Ich bedaure! Aber mein werter Vetter hat es vorgezogen, sich der Gerichtsbarkeit Graf Luidors zu entziehen!“ Einige der Luidoristen fluchten leise. Hadrumir konnte es ihnen nicht verdenken. „Nun, ihr werdet verstehen, dass wir uns davon gerne selbst überzeugen werden.“
Und mit diesen Worten gab Hadrumir Anweisungen, dass die Festung gründlich durchsucht werde. Es war allen Beteiligten klar, dass dies nicht das Ergebnis der Belagerung war, was man sich erhofft hatte. Doch man war sich auch klar, dass man sich nicht lange mit einer Suche nach Geismar aufhalten konnte. Die Kaiserin hatte sich für den Phex in Puleth angekündigt und Graf Luidor hatte zugesichert, dass die Hartsteener Ritter den Marsch in die Wildermark unterstützen werden. So blieb für Hadrumir nur noch eines zu tun: „Werdomar von Quintian-Quandt! Im Namen Graf Luidors setze ich Euch hiermit unter Arrest bis der Graf über Euer Schicksal entschieden hat!“
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