Geschichten:Familientreffen - Schwesterherz

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Dramatis Personae:

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Baronie Kressenburg

Es fing schon langsam an zu dämmern, als sich Mechthild und Baldasar auf den Weg zu ihrem Lieblingskletterfelsen machten. "Nun komm schon Baldasar. Wir wollen doch dort sein bevor es dunkel wird." Baldasar rannte ein Stück um bei seiner großen Schwester aufschließen zu können. "Du weißt doch das ich nicht so schnell laufen kann wie du." Die Praiosscheibe glitzerte sanft zwischen den Bäumen und am Himmel tauchten die ersten Sterne auf. Auch das Madamal erschien über den Baumspitzen. Trotzdem war es schon ziemlich dunkel im Wald. Er war schon etwas außer Atem aber da sah er schon das Ziel. Zwischen den Baumen blitzte ihr Kletterfelsen auf. Baldasar rannte vor und Mechthild hinter ihm her. „Pass auf das du nicht über die Steine und Wurzeln fällst. Ich habe keine Lust dich bis zum Haus zurück zu tragen!“, rief sie ihrem Bruder hinterher. Dieser war schon am Felsen angekommen und ließ sich erst einmal mit dem Rücken an ihm heruntersinken um zu verschnaufen. „Schade das du morgen schon wieder abreisen musst. Ich werde dich sehr vermissen.“ Sagte Baldasar zu Mechthild und blickte gen Himmel. „Sei nicht traurig, ich werde bestimmt oft wieder zu Besuch kommen können. Immerhin bleibe ich ja hier in Kressenburg, da wirst du garnicht merken das ich weg war. Und nun los. Siehst du den Vorsprung dort oben?“ Baldasar nickte leicht und grinste. „Wer zuerst oben ist. Auf los gehts los. Fertig? Los!“ Und schon kletterten beide behände die Felswand hoch. Anfangs hatte Mechthild einen kleinen Vorsprung, doch Baldasar holte sie schnell ein und als er an Mechthild vorbei zog lachte er triumphierend. Mit einem kräftigen Ruck zog sich Baldasar das letzte Stück hoch und über die Kante des Felsenvorsprungs. „Ich bin oben. Ich habe gewonnen!“ Er setzte sich nieder und schon erreichte auch Mechthild das Ziel. „Wahnsinn, das ist ein ganzes Stück bis hier hinauf. Das sah von unten gar nicht so weit aus.“ „Schwesterchen, du musst mehr üben. Gerade jetzt wo du doch in deine Knappenschaft gehst.“ „Du hast recht, aber dafür ist es jetzt zu spät. Schon bei Sonnenaufgang geht die Reise los. Du wirst mir auch sehr fehlen. Ich weiß garnicht wie ich es ohne dich aushalten soll.“ Sie nahm ihren Bruder fest in die Arme und winzige Tränen liefen ihr über die Wangen. Auch Baldasar schluchzte leise. „Sieh dort, eine Sternschnuppe. Du darfst dir etwas wünschen.“ rief Mechthild. Am Himmel zog sich ein heller Lichtrahl und schon war er auch wieder verschwunden. „Ich habe mir gewünscht das du ganz bald wieder zurück kommst.“ „Aber Baldasar, dass darfst du doch nicht laut sagen sonst geht dein Wunsch nicht in Erfüllung.“ „Mechthild? Kann ich nicht doch mit dir kommen?“ „Wie oft denn noch? Nein, dass geht nicht. Das habe ich dir doch schon ein paar mal erklärt, dass das nicht geht. In ein paar Jahren wirst auch du so weit und so alt sein das du die selbe Reise antreten kannst wie ich es nun tun werde.“ „Aber ich will nicht ohne dich.“ Baldasar fing nun noch fester an zu schluchzen und die Tränen liefen ihm nun wie kleine Rinnsale über die Wangen.

Mittlerweile war es nun auch schon richtig dunkel geworden. Tief im Wald hörte man eine Eule rufen und das leise knacken von Asten. Ein leichter Wind frischte auf und immer wieder schofen sich kleine Wolken vor den Mond. Dieser spendete das einzige Licht in dieser finsteren Nacht. Mechthild und Baldasar kuschelten sich noch fester aneinander. „Wollen wir dann mal wieder zurück. Mir ist kalt und es ist nun wirklich finster hier draußen.“ Baldasar nickte zustimmend. „Geh du voraus, Schwester.“ Mechthild machte sich an den Abstieg. Dieser war noch um einiges schwerer geworden durch die Dunkelheit. Sie tastete sich vorsichtig mit den Füßen über die Felswand und versuchte gleichzeitig mit den Händen einen festen Griff zu bekommen. Da waren Wurzeln und feste Steine die aus der Wand herausragten an denen sie sich festhalten konnte. Mit den Füßen suchte sie nach Löchern und spalten. Baldasar wartete ein bisschen bis er Mechthild nachkletterte. „Sei vorsichtig damit du nicht abstürzt. Vergewissere dich das du ja auch guten Halt findest,“ rief Mechthild nach oben in Richtung ihres Bruders. Der war schon halb in der Dunkelheit verschwunden. Noch ein paar Schritt dann hatte sie wieder festen Boden unter sich dachte Mechthild. In diesem Moment rutschte sie mit einer Hand ab und verlor das Gleichgewicht. Sie versuchte wieder den Stein zu erreichen doch als sie ihn zu greifen bekam löste er sich aus der Felswand. Mechthild stürzte in die Tiefe und schlug mit dem Kopf auf einen Stein. Baldasar schrie auf. Unachtsam kletterte er den restlichen Felsen hinab. „Mechthild, Schwester. Geht es dir gut? Antworte schon!“ Doch es kam keine Antwort. Er erreicht den Boden. Sprang zu Mechthild und rüttelte an ihr. Doch es kam kein Laut. Er weinte schrecklich und hielt ihren Kopf, flüsterte immer wieder leise ihren Namen. Sie blutete stark aus ihrer Kopfwunde. Das warme Blut lief Baldasar über die Hände. Er zitterte und wusste nicht recht was er tun sollte. Er würde ihr so gerne helfen wollen doch er wusste einfach nicht wie. „Hilfe, hört mich jemand? Hilfe, meine Schwester ist gestürzt. Sie ist verletzt! Kann mir irgendjemand helfen?“ Doch keine Antwort. Nur sein Echo im Wald. Er legte ihren Kopf auf seinen Schoß und hielt ihn mit seinen kleinen, zarten Händen fest.

Und plötzlich öffnet Mechthild ihre Augen. „Was ist los. Wieso liege ich hier?“ „Schwesterherz, du lebst. Ich dachte schon du wärst tot.“ Mechthild fasste sich an den Kopf. Ihre Hände waren voller Blut aber irgend etwas stimmte da nicht. Sie tastete mit den Händen über ihren Kopf, doch da war nichts. Keine Wunde war zu finden. „Das ist wirklich merkwürdig. Wo kommt das ganze Blut her?“ Verwundert fasste sie sich wieder an den Kopf. Doch außer einem leichten Pochen hinter ihrer Stirn konnte sie nichts feststellen. „Wir sollten schnell nach Hause gehen. Das ist mir unheimlich.“ Sie wischte das Blut an ihrer hand so gut es ging am Gras ab und stand vorsichtig auf. „Komm Brüderchen. Es ist sowieso schon an der Zeit für das Abendessen. Mama wird schimpfen wenn wir zu spät kommen. Das wird sie wegen meinem Unfall zwar sowieso, aber wir sollten uns trotzdem beeilen.“ Zögerlich trat Baldasar zu ihr und nahm ihre Hand. Er zitterte und schaute immer noch auf Mechthilds blutverschmiertes Gesicht. „Ich habe jetzt wirklich großen Hunger. Hoffentlich haben Papa und Balduin etwas im Wald gefunden.“ Hand in Hand liefen die beiden Kinder schnell den schmalen Pfad zurück auf dem sie vor einer Stunde zum Felsen gekommen waren.

Als sie in die Nähe des Gutshofes kamen bemerkten sie ein paar der Leibeigenen die mit Laternen den Waldrand absuchten und nach ihnen riefen. Schnell gaben sie sich zu erkennen und wurden von den durch das Blut an Mechthilds Kleidung erschrockenen Bauern schnell ins Haus gebracht. Das anfängliche Geschrei legte sich aber schnell wieder als klar wurde, dass ihnen nichts weiter zugestoßen war. Die Erzählung von Mechthilds Sturz vom Felsen war umso wundersamer, weil wirklich keine Verletzung mehr zu sehen war. Alwin sah seine Frau fragend an, woraufhin Siglinde entschied, dass sie mit den Kindern für einen Moment in ihrem Zimmer allein sein wollte. Während die Diener die Tafel für das Abendessen eindeckten, saß der Rest der Familie und ihr hoher Gast, der Baron, schweigsam im Kaminzimmer. Wohl eine halbe Stundekerze war vergangen, als die Magierin endlich wieder zurück kam. Sie wich den ängstlichen und erwartungsvollen Blicken aus und nahm sich zuerst etwas von dem Wein, bevor sie den Blick hob um zu erklären was sie herausgefunden hatte.

„Es tut mir sehr Leid, aber ich kann die Augen nicht vor der Wahrheit verbergen. Alwin, mein Gatte, bitte verzeihe mir, denn ich fürchte es liegt an mir. Herr Praios möge uns behüten, aber auf Baldasar liegt der Madafluch.“ Erschrecken und ungläubige Blicke waren das Resultat dieser offenen Mitteilung. „Ich werde unverzüglich einen Brief an die Tempel in Kressenburg aufsetzen und die Situation erklären. Ihre Eminenz Badilak wird den Jungen sicherlich sehen wollen und von der Hesindekirche erhoffe ich, dass sie uns bei der vorläufigen Unterbringung Baldasars helfen können.“ An dieser Stelle mischte sich Phexian erbost ein. „Badilak von Praiostann? Du willst ihn der Praioskirche überantworten? Und noch dazu diesem Praiostann? Es gibt doch sicherlich eine bessere Lösung!“ Der Vogt schaute zu seiner Schwester Uschel, sein Blick war so hart und unerbittlich wie man es bei dem gütigen alten Mann nur selten sah. „Uschel, du weißt genau was ich davon halte und warum. Es geht mir nicht nur darum, dass der Prätor ein Praiostann ist. Aber ich mag Baldasar nicht in seine Hände geben, genauso wenig wie ich damals Siglinde weggeben wollte. Wir werden eine Lösung finden und vielleicht finden wir auch wieder einen Platz für ihn in Gareth. Immerhin haben sie inzwischen zwei Akademien dort.“ Die Junkerin war ruhig geblieben und dachte nach. Ihr Vater war ein strenger Mann gewesen und hatte Phexian damals ohne zu zögern dem Praiostempel überantwortet. Wohl auch, weil es zu dieser Zeit keine Alternativen gab. Aber sie hatte gesehen wie sehr ihr Bruder darunter gelitten hatte und wie er noch heute litt. Es kam ihr immer so vor, als würde er nur ein halbes Leben leben. Er hatte sie überzeugt Siglinde dieses Schicksal zu ersparen, als der Fluch damals bei ihr offensichtlich wurde und hatte das Geld aufgetrieben um sie auf die Akademie nach Gareth zu schicken. Ihre Tochter hatte sich wunderbar gemacht und war sich ihres Fluchs und ihrer Verantwortung stets bewusst gewesen. Uschel nickte. Irgendwie würden sie es wieder schaffen und dafür sorgen, dass ihrem Enkelsohn die Qualen erspart blieben die Phexian hatte erleiden müssen. „Siglinde, bitte schreibe deine Briefe und sei so lieb und setze dich auch gleich sofort mit Gareth in Verbindung. Ihre Eminenz von Praiostann ist sicherlich ein angesehener und zu respektierender Mann der den Willen des Herrn Praios wohl zu deuten weiß. Doch wünsche ich, dass Baldasar nach dem Willen Hesindes erzogen wird, deren Tochter den Fluch auf Dere brachte.“

Nachdenklich schaute sich der junge Baron um. Sicherlich war Phexian sein Schwertvater und Mechthild seine neue Knappin, aber trotzdem kam er sich in dieser Familienangelegenheit fast wie ein Eindringling vor. Deswegen hatte er zu der ganzen Sache nichts gesagt, auch wenn er als Lehnsherr sicherlich das Recht dazu gehabt hätte. Er wusste, dass Phexian aus Prinzip dagegen war magisch begabte Kinder der Praioskirche zu überantworten. Er hatte nur nie herausgefunden warum dem so war. Nun blieb ihm nur zu hoffen, dass seine Eminenz von Praiostann die Nachricht mit Zurückhaltung aufnehmen würde. Denn das Letzte was er in der gegenwärtigen Situation gebrauchen konnte, war ein erneut aufflammender Streit der beiden Familien.


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Texte der Hauptreihe:
16. Ing 1032 BF
Schwesterherz
Bärenbruder


Kapitel 4

Autor: Keilholtz