Geschichten:Faust des Ostens Teil 6 - Zacken in Aufruhr II
Marschenhof, Travia 1033 BF
Nachdem Efferd in seinem Mond reichlich seinen Segen verteilte, hatte der Travia noch einmal einige schöne Tage an der Küste des Golfes von Perricum gebracht. Dennoch war es für den Landstrich schon einigermaßen frisch geworden.
Rimiona Paligan nutzte das gute Wetter, um ihre Korrespondenz im Schein der Sonne zu erledigen. Sie selbst stand am Fenster und sah hinaus, während hinter ihr ihre Enkelin Maia stand und ihr aus einem Brief vorlas, der an diesem Tage vom Markgrafenpalast her auf den Marschenhof angekommen war. Die Baronin von Bergthann führte Beschwerde gegen das Vorgehen markgräflicher Soldaten. "Lies weiter, Maia." Rimiona wandte sich nur kurz um und folgte dann konzentriert dem Vortrag der Perrinmarscher Vögtin.
"Die Klagen des Bauern haben sich den Nachforschungen gegenüber als standhaft erwiesen. In der Tat verhält es sich allen Aussagen entsprechend so, dass am dritten Tage des Traviamondes Soldaten des momentan auch in meiner Baronie operierenden Schützenbanners des Bombardenregimentes auf Befehl des Oberst in den Weiler eindrangen, um die Bauerstochter Peraimine in Gewahrsam zu nehmen, die zuvor mehrmals mit dem Verkauf von Waren vom Hof der Familie zur Versorgung der Truppen beigetragen hatte. Viburn von Tälerort beschuldigte sie der Spionage für die Barbaren und schrieb ihr dunkle Kräfte zu, mit denen sie den Erfolg seiner Operation vereitele. Unter Umgehung der Rechtsordnung ließ er sie auf meinem Grund und Boden daraufhin hinrichten."
Rimiona hob die Hand, um Maia zu unterbrechen. Nachdenklich schwieg sie einige Augenblicke. Efferdane und Unwahrheit paßten in etwa so gut zusammen wie Boron und ausufernde Reden. Allerdings hatte sie Viburn ebenfalls als umsichtigen und bescheidenen Offizier kennengelernt. Maia räusperte sich und hob den Brief leicht. "Das klingt ja schlimmer als das, was man aus der Wildermark hört. Was ist in den Oberst gefahren? Er war doch so freundlich..." Rimiona nickte. "Eine gute Frage, Maia. Was ist in den Oberst gefahren?" Die Herrin des Marschenhofes löste ihre Blicke von der Landschaft vor dem Fenster und sah die jüngere Frau an. "Was es auch ist, seine Taten verlangen eine Reaktion." Maia nickte zustimmend, schwieg aber. Eine hilfreiche Idee hatte sie im Augenblick nicht. Über Rimionas Gesicht huschte kurz ein Lächeln, dann streckte sie die Hand aus. "Gib mir doch einmal den Brief, sei so gut."
Maia kam der Aufforderung ohne Umschweife nach und beobachtete still, wie Rimiona nun selbst das Schreiben noch einmal las und die Zeilen dabei in die on außen hereinfallenden Lichtstrahlen hielt. "Werdet ihr ihm Einhalt gebieten?" - "Was hier geschrieben steht, muss jedenfalls aufhören. Die Baronin wird schon die Wahrheit geschrieben haben, aber ich will mir seine Version auch anhören. Also wird er herkommen müssen, um sich zu erklären." - "und was passiert dann mit den Aufständischen?" Rimiona sah überrascht auf. "Aufstand? Wovon redest du?" - "Na, die Leute, gegen die die Soldaten da kämpfen." Mit einem leichten Kopfschütteln nahm Rimiona Maias Einwand zur Kenntnis, dachte dann aber doch einen Augenblick darüber nach. "Vorerst wird sich jemand anderes um diese Barbarenüberfälle kümmern müssen. War nicht der Baron von Vellberg mit von der Partie? Soweit ich weiß, hat er die ganze Unternehmung angestoßen. Soll er sie jetzt halt beenden." Maia nickte wieder, während Rimiona noch grollend bei sich murmelte "...und zwar zügig."
Lauter sprach diese dann wieder: "Maia, sei doch so gut und ruf den Schreiber. Ich möchte jetzt einige Briefe aufsetzen."