Geschichten:Feuer & Flamme - Ein Fest der Heiterkeit
Auf der Grenze zwischen Heiterfeld und Raulsfeld, 20. Praios 1046 BF
Im prall tragenden Kirschbaum wehten grüngoldene und silberrote Bänder, der hübsche, große Grenzstein war zu einem kleinen Altar umfunktioniert worden, hinter dem standen ein Priester St. Raulis, eine Geweihte des Heilig Erntemeister-Klosters und Rimiona von Heiterfeld, die die Zeremonie leiten würden. Nord- und südwärts der Rauls-Heiterfeldschen Grenze standen die Gäste locker, fröhlich aufgereiht. Die Familie und Gäste der Sturmfels-Feuerfangs im Süden, die der Heiterfelds im Norden. So stand die Schwester des einen Bräutigams, die ihrer Mutter immer ähnlicher sah, links vom Szenario in einem einfachen Gewand einer frisch-ordinierten Praios-Geweihten. Neben ihr stand ihr ritterlicher Gatte Sol, in den Farben Ochsenbluts. Der Bruder dieses Bräutigams war nicht gekommen, der Gigant verlangte seine Anwesenheit. Dafür war dessen Gattin, die Schwester des anderen Bräutigams, samt Sohn, Ajax' anverwandtem Knappen und mit den besten Wünschen und Geschenken aus Perricum angereist, sie stand auf der Nordseite. Die Eltern des Sturmfelser Bräutigams waren bereits zu Boron gegangen, sie fehlten ihm an diesem Tag, noch mehr als der Bruder. Dafür hatten ihn die Eltern - vor allem der Vater - seines zukünftigen Gatten schon vor der Zeremonie mit heiterer Zuneigung und Aufmerksamkeit überschüttet, als wollten sie seine Eltern gleich mit sein, was ihn rührte. Auch sie standen auf der Nordseite. Ebenso der kleine Bruder Rahjadris, der ebenfalls extra aus Perricum angereist war. Dessen Cousinen und Cousins waren ebenfalls zahlreich erschienen, allen voran ihre Komplizin Selinde. Unter ihnen fehlte nur die stolze Emer, die gerade wegen höherer Aufgaben abkömmlich war, aber Burg Heiterfeld ein paar Tage zuvor besucht hatte. Auch aus Waldstein war Rahjadris Base Samia mit ihrer Gemahlin Helana von Hengefeldt und ihren beiden Kindern Larida und Jargo angereist. Den beiden Bräutigamen pochte gehörig das Herz beim Anblick der beiden, denn nach den Feierlichkeiten erhofften sie sich ein heikles Gespräch mit Samia.
Die Freunde des Bräutigampaares, die sich freilich nicht ausschließlich zu der einen oder anderen Familienseite zuordnen lassen wollten, hatten sich genau an der Grenze versammelt - unter ihnen der Präfekt der Klosterlande St. Ancilla Bander Linderhold mit seinem Gemahl Simion Grimmbart. Die beiden Geweihten der Allwissenden drapierten auf dem zu einem Altar umfunktionierten Grenzstein ein mit Schlangenmotiven reich verziertes Buch. Eine Besonderheit war, bis auf wenige Seiten war dieses leer, denn es sollte dazu dienen, die gemeinsamen Abenteuer von Ajax und Rahjadri aufzunehmen und so für die Nachwelt zu erhalten. Der aranische Luxuswarenhändler Salvan Feqzaïl und der exzentrische Perricumer Magier Jandor von Darben-Dürsten fügten eine Handvoll Säckchen mit feinsten Kräutern aus Aranien dazu. Die beiden Männer waren erst vor wenigen Monden den Bund eingegangen und freuten sich für ihre Freunde nun um so mehr.
Der junge Adlige Romelio von Agur hatte hingegen nur Augen für den verwegenen Patriziersohn Linnert Munter. Beide stellten, verliebt dreinschauend und händchenhaltend, eine kostbar aussehende Jadestatue aus dem tiefen Süden auf den Grenzstein. Der junge, äußerst adrett aussehende Perricumer Jungritter Salix Borontreu von Zolipantessa, der jedoch schon lange in der Goldenen Au lebte, wurde von dem eher etwas schüchternen Tolmario Silem von Aralzin begleitet, der aus dem horasischen Grafenhaus von Bethana stammte. Ihr Geschenk an das Bräutigampaar war ein filigranes Glasfläschchen, dessen Inhalt ein betörendes Duftwässerchen war - eine Eigenkreation des angehenden Alchimisten Tolmario. Der stattliche Vieroker Ritter Roban Leuenstolz vom Berg kam mit seinem Gemahl Thyrian von Zweifelfels, der jüngst zum 1. Rechtsgelehrten am garetischen Großfürstenhof berufen wurde. Bei der Berufung des jungen Zweifelfelser soll der Kaisermärker Landrichter und großfürstliche Kronjustiziar Alrik Leuwin von Trenck seinen Einfluss geltend gemacht haben.
Der ungemein gutaussehende Schönling Thallion von Greifstein überbrachte ein gesiegeltes Schreiben des königlichen Hofes in Neerbusch. Ajax und Rahjadri wurden mit den besten Wünschen zu einem Besuch der heilsamen Thermen des Njertals eingeladen. Weitere Gesandte fanden sich zu der heiteren Feierlichkeit ein: wie der aus einem Weidener Grafenhaus stammende Wulthos von Pandlaril, der dem Bäutigampaar im Namen seines Knappenvaters, dem großfürstlichen Truchsess Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor, zwei prachtvolle Zuchtpferde aus dem Gestüt des Hauses Aimar-Gor im Perricumer Edlenhof überbrachte. Die Vieroker Baronin und Mutter des Aimar-Gor sandte ihre Nichte Amira von Palmyr-Donas, die gemeinsam mit Rahjadris Bruder und der Gesandten der Familie Hengefeldt, Trautwina von Hengefeldt, einen kostbaren Wandteppich präsentierte. Auf ihm waren in kunstvollen Stickereien die Korgonder Festtage festgehalten. Beide Frauen wirkten sehr vertraut miteinander, sodass so mancher schon den nächsten Traviabund kommen sah.
Den oben genannten gegenüber hatten sich die frisch verlobten Gallahart VI. von Feuerfang und Mira von Rabicum versammelt. Dem einen oder anderen mochte dies verwundert haben, denn der Bräutigam Rahjadri war ursprünglich Mira versprochen, doch verliebte er sich in Ajax, der Rahjadris mittlerweile verstorbene Schwester ehelichen hätte sollen. Doch die Familie Heiterfeld löste diese Angelegenheit in der bekannt heiterfeldschen Manier, sodass alle Beteiligten am Ende zufrieden waren.
Auch der Sturmflug-Orden war mit Brandane von Arkenaue, Greifwin von Raulsgnaden, Udalbert von Cletzau und Lechmin Selissa vom Berg stark vertreten. Sogar die Waldsteiner Mitglieder Bernfried von Hagenbronn und Raulbart von Zweifelfels waren angereist. Weitere Gäste waren Gerion von Keres, dessen Vater der ehemalige Pagenvater von Ajax gewesen war, Falcoria von Feuerfang, sowie etliche Vasallinnen und Freunde aus Ochsenblut, Heiterfeld und Raulsfeld. Bemerkenswert war, wer fehlte: die Familie Isppernberg.
Ein Umstand der den Feiernden wahrlich keinen Abbruch tat, die Freude ob der Feierlichkeit, der vielen Gäste und ihrer Geschenke war groß und die Zeremonie und dem Kirschbaum, durchwoben von herrlichen Riten und Worten, so dass man scherzte, Ajax und Rahjadri müssten die Kirsche mit ihr Wappen aufnehmen. Und die nachgehende, sommerliche Feierlichkeit zwischen den nahestehend aufgebauten Zelten, Fähnchen und Blüten-Kränzen setzte dem noch bunten und fröhlichen Treiben der Kaisermärker, Waldsteiner und Perricumer Adligen noch die Krone auf. Ein wahres Geschenk, nun fehlte dem Paar nur noch eines zur vollendeten Freude.