Geschichten:Feuer in der Dämmerung
Perainsgarten, 20. Peraine 1043
Prasselnd loderten die Flammen gen Himmel und verzehrten den darauf liegenden Leichnam. Am Rande des Feuerscheins standen Felian und Travinian von Perainsgarten Seite an Seite und verabschiedeten ihren Sohn und Bruder Perainyan in stummem Zwiegespräch. Am Fuss des Hügels erahnte Felian im Schatten niedergebrannter Fackeln weitere Menschen, welche seinem Sohn das letzte Geleit gegeben hatten und immer wieder zuckte sein Auge zum nahen Waldrand hinüber, wo er – von den Flammen geblendet – mehrere raschelnde Bewegung mehr zu erkennen glaubte als dass er sie tatsächlich wahrnahm. Felian unterdrückte ein Seufzen und nahm sich vor, am nächsten Tag Jäger nach Spuren suchen zu lassen.
Obwohl niemandem etwas davon gesagt worden war, hatten sich zu Perainyans Feuerbestattung Dutzende wildfremder Menschen eingefunden und den kleinen Leichenzug aus dem Dorf zu einem nahen Hügel begleitet, worunter der Junker vor einiger Zeit ein uraltes Grab entdeckt hatte. Auf der Kuppe jenes Hügels – so hatte Felian entschieden – sollte die Leiche seines Sohnes bei Sonnenuntergang verbrannt werden. Die wenigsten dieser "Gäste" hatte Felian gekannt, doch jeder einzelne von ihnen war ihm willkommen gewesen. Nicht nur aus der Baronie Mardershöh, auch aus dem benachbarten Viehwiesen, aus Ruchin und vereinzelt aus Hartsteen und Ingerimmsschlund. Allesamt Freie. Gerufen durch eine innere Ahnung, durch ein Gefühl. Mehr hatten Felians Bedienstete nicht von den Bauern, Jägern und Handwerkern erfahren. Der Junker hatte bei diesen Antworten laut aufgelacht und dachte stirnrunzelnd erneut daran, während der Scheiterhaufen knackend in sich zusammenfiel. Gleichsam von unsichtbarer Hand geführt waren also Gemeine gekommen um Perainyans Abschied beizuwohnen, doch kein einziger Adliger. Felian schüttelte den Kopf. In den letzten Nächten hatte er erneut geträumt und zwar genauso lebhafte und eindrückliche Träume wie er seinerzeit hatte, als er von Korgond geträumt hatte. Das konnte kein Zufall gewesen sein. Das Land teilte ihm etwas mit…
Neben Felian stand Travinyan wie eine steinerne Statue und als Vater sorgte sich Felian um ihn, vor allem da der frisch belehnte Junker von Schwarzenfels den Verlust seines Zwillings überraschend emotionslos aufgenommen hatte. Doch Felian wusste, dass Travinyan nur im Stillen trauerte. Der Verlust vieler geliebter Menschen und seine Erfahrungen in den verfluchten tobrischen Landen hatte Felians Herz verhärtet gegenüber vielen Gefühlen, doch er wollte nicht zulassen, dass Travinyan dies ebenfalls widerfuhr. Er nahm sich vor am nächsten Morgen mit Travinyan ein ernstes Gespräch zu führen ehe sie sich verabschiedeten. Danach würde der Junker von Perainsgarten reiten. Es galt Antworten auf viele Fragen zu finden.