Geschichten:Feuer und Schatten - Motten umschwirren sie
Die Kerzen an den Kandelabern flammten alle gleichzeitig auf und brannten mit unnatürlich hoher Flamme. Der Gang hatte plötzlich keinen Schatten mehr. Die drei im Gang zuckten überrascht, Flaygor grinste breit und zog sein Schlachterbeil, dessen Klinge so lang wie breit war und nur einen kurzen Schaft besaß.
Rudon reagierte als Erster und setzte zu einem flinken und eleganten Angriff mit der Klinge an, Flaygor hingegen wich aus. Er riss mit purer Kraft die Lederschürze von einem Hals und schwenkte sie mehrfach um seine Hand, bis sie ein dickes Lederknäuel bildete, das der Koloß als Schild einsetzte. Rudon setzte nach, fintete nach dem Riesen, der jedoch nicht zuckte oder blinzelte, stieß und wurde vom Schlachterbeil geblockt. Flaygor war stärker als Rudon, aber auch ünerraschend schnell.
Ungolf war im hellen Licht zusammengesunken und kauerte im Gang, Kopf und Augen unter seine schützenden Arme gezogen. Er jammerte: „Das Licht, das Licht!“ Dr. Baldus wandte sich vorsichtig der offenen Klappe zu, grinste schief und höhnte: „Hier klommt der Onkel Doktor, Rumhilde. Hier komme ich.“
Rumhilde schrie schrill und wich von der Türklappe zurück ins Dunkel ihres Turmgemachs.
Rudon tänzelte elegant und ließ die Klinge kreisen, stieß vor, zurück, täuschte an, vollzog ein Klingenrauschen, dem Flaygor offenbar nicht gewachsen war. Kleine Schnitte zeigten sich auf der teigigen Oberfläche seiner Haut, sein nackter Oberkörper glänzte im gelben Licht wie die Haut einer schwitzenden Made. Nur sein Kopf wurde rot und röter. Zornesadern schwollen auf Stirn und Schädel. Und begann zu brüllen.
Flaygor brüllte, stürmte vor und griff nun Rudon mit ganzer Kraft an.
Der wich geschickt aus, stieß zu und versenkte seine Klinge in der Seite des Koloßes. Dieser wiederum schlug mit dem Lederballen um seine Faust zu und erwischte den Schwertmeister an der Seite so machtvoll, dass er an die Wand geschleudert wurde. Ihm blieb die Luft weg, Sterne standen vor seinen Augen. Er hatte sein Schwert losgelassen! Es steckte noch in Flaygor, der weitergestürmt war und mit dem Schlachtbeil wilde Hiebe austeilte, die Doktor Baldus in panischer Flucht vor ihm her trieben.
„Ungolf!“, brüllte Baldus. „Ungolf!“
Jener hob ruckartig sein Haupt, sah den Koloss auf ihn zustürmen, den schmächtigen Doktor fast schon bei ihm, und hob endlich die rechte Hand, fing an zu murmeln und seine Mächte zu sammeln. Ein purpurnes Leuchten erstrahlte von Ungolfs Fingerkuppen, die er auf den Küchenmeister richtete. Ein purpurner Schein begann sich um den ganzen Leib Ungolfs zu legen, konzentrierte sich in dunklem Strahlen an den Fingerspitzen.
Doktor Baldus flog vorbei, Flaygor direkt hinter ihm. Ungolf sprang triumphierend auf, richtete die ausgestreckte Hand auf Flaygor, öffnete den Mund zu einem Kampfschrei, als das Schlachterbeil mit singendem Sausen die purpurn umwölkte Hand sauber abtrennte und in die Luft schleuderte. Blut spritzte, Ungolf schrie, doch nicht nur ein Schrei entwich seinem Mund, sondern auch Nachtfalter und Motten, die aus seinem Schlund geboren wurden, in den Gang fluteten, auf die Kandelaber zuflogen, um zischend die Kerzen zu löschen. Siestürzten auch als dichter Schwarm auf Flaygor, nahmen ihm die Sicht und behinderten sein Atmen, erstickten sein Brüllen, so dass der Koloss zum Stehen kam. Doktor Baldus hatte die Tür zum Treppenhaus erreicht, wandte sich um und blickte in den Gang, der erfüllt war von hunderten flatternden Insekten, die noch immer aus dem Schlund Ungolfs strömten, der im Gang kniete, ein menschlicher Mottenvulkan. Die Insekten hatten schon zwei Kandelaber gelöscht, die Schatten wuchsen. Rudon hatte das Stilett aufgehoben, dass Baldus fallen gelassen hatte, und kam den Gang herauf. Die Gräfin schrie noch immer. Flaygor brüllte durch die Lederschürze, die er vor den Mund hielt.
Die Motten und Falter umschwirrten auch Rudon, aber hielten respektvollen Abstand. Er hatte sein Lächeln wiedergefunden und erneut in sein Gesicht geklebt, hielt sich aber schmerzhaft die Seite, wo ihm die Faust des Giganten Rippen zertrümmert hatten.
Arth Baldus grinste höhnisch beim Anblick dieser Szenerie, die langsam in purpurne Schatten versank, je mehr Kerzen gelöscht wurden. Flaygor schnaufte, hustete, war orientierungslos.
Baldus spitzte die Lippen, zog ein weiteres Messer aus seinem Futteral und erstarrte.
