Geschichten:Frühlingssturm - Das Viertelfinale - Wenn Wut im Spiel ist
'Ausgerechnet gegen diesen Popanz!' Crevan von Tichyll-Dur brummte unzufrieden und dachte an den Auftritt des Weideners am gestrigen Abend. Völlig von sich eingenommen war er mitten in ihre gesellige Runde geplatzt, um ihnen Mirl zu entreissen. Tat gerade so, als wüssten die Männer nicht, was sie an der Edlen hätten. Als könnte man übersehen, dass sie bei weitem die schönste Frau bei diesem Ereingnis war.
'Wichtigtuer!' zischte der Ritter vom Wildenstein und zurrte seinen Waffengurt fest. Sein Ärger rührte sicher auch daher, dass er und die anderen wenig mehr getan hatten, als maulaffenfeil zu halten. Gerade diese Erinnerung brannte heiß in ihm. Schließlich wußte er, dass er - Crevan, Edler von Tichyll-Dur - nicht auf dem Mund gefallen war. Und überhaupt: Mirl hatte sich mit ihnen prächtig amüsiert, da brauchte es kein Weidener Windei um sie zu erretten. Im Gegenteil! Dem würde er zeigen, wo der darpatische Hammer hing.
Vergessen waren die schicksalsergebenen Gedanken bezüglich der Tjoste, die gering gesteckten Ziele und die Belustigung, mit der er den Eifer so manches Teilnehmers beobachtet hatte. Crevan war in Wallung und er wollte gewinnen, den Weidener im Staub sehen.
"Ah, jener Ritter in meinem Alter? Mit dem überaus geschmackvollen Wappen? Das habe ich mir gemerkt: auf schwarz drei Wellenlinien in Silber und darüber ein silberner Mond im Kelch. Sehr fein, gekonnt blasoniert, wenige haben so ein feines Gespür, das deutet auf edles Geblüt hin." Lanzelund von Weiden-Harlburg-Streitzig war zufrieden. Crevan war sicher ein würdiger Gegner. "Wohlan, dann bring mir Graf Mondfeuer und meine Lanze. Es gilt zu streiten und ich will verdammt sein, wenn wir den Damen keine Augenweide bieten werden."
Finster äugte Crevan zum anderen Ende der Bahn, an dem dieser Weiden-Harlburg-Streitzig gerade mit großem Gewese Position bezog. Natürlich ritt er einen Trallpoer Riesen, sicher aus dem herzöglichen Marstall. Wie auch nicht, er war ja sogar mit dem Herzogenhaus verwandt, wie er nicht versäumt hatte, zu erwähnen. Ach ja, ebenso mit einem almadanischen Grafen, dessen Namen Crevan sich gar nicht hatte merken wollen. Jetzt grüßte er die Damen und warf dabei sein blondes Haar über die Schulter. Sicher hatte er die Geste lange vor dem Spiegel geübt, eitler Schnösel. Crevan sah sich um. Mirl kam gerade von der Tribüne herunter und suchte sich scheinbar einen Platz an der Bande. Sie nickte dem Weidener, der sie gerade mit großer Geste gegrüsst hatte, zu und er erkannte das amüsierte Blitzen in ihren zweifarbigen Augen, als sie nun zu ihm hinsah. Machte sie sich lustig?
Crevan nickte ihr knapp zu und schloss gleichzeitig das Visier. Seine Laune war auf dem Tiefpunkt, derweil er nichtmal mehr bemerkte, dass seine Wut zu neuen Höhen aufflammte. Er machte sich bereit und liess seinen Gegner nicht aus den Augen.
Von all dem unbeeindruckt, schloss nun auch der Weidener sein Visier und rief ihm noch ein aufgeräumtes "Lasst uns den Damen zeigen, aus welchem Holz wir Ritter geschnitzt sind, Tichull-Dyr" zu. Crevan hob nur kurz die Lanze, er war ihm sogar zu viel, den Hohlblock von Weidener zu verbessern. Er würde ihm seinen Namen schon einbläuen!
Das Zeichen des Herolds kam schnell, Crevans Ross schoss vor, schneller, als der schwere Zossen Lanzelunds. Diesmal dachte der Darpatier gar nicht an den Schild, er war nur darauf aus, diesen Wunderknaben in den Staub zu stoßen. Lanzelund - so erkannte er - hatte nichts anderes im Sinn. Gut so!
Die Art, wie beide ihre Schilder hielten sprach allein von Angriff. Auf der Tribüne weitete sich das Auge der Schwertschwester von Lohenharsch, als sie mit geübtem Blick erkannte, was sich anbahnte. "Donnernde Herrin sieh, ein Angriff ganz nach Deinem Geschmack. Ich hoffe nur, sie brechen sich nicht den Hals."
Es krachte, Holz splitterte, kreischend fuhr eins der Lanzenkrönchen über einen Brustharnisch, verfing sich in der Halsberge und Leder gab dem Druck nach. Crevan spürte Schmerz am Hals, er wurde nach hinten geworfen, kämpfte um seinen Halt, darum im Sattel zu bleiben, konnte sich halten, ehe ein Gellopsprung seines Pferde ihn seines Gleichgewichts beraubte. Er fiel.
Lanzelund ging es nicht anders. Zu Anfang dachte er, seine Seitwärtsbewegung hätte ihm die ganze Gewalt von Crevans Lanzenstoß erspart. Dann, als er schon bemerkte, wie sein Gegner fiel, musste er erkennen, dass er sich zu weit nach innen gelehnt hatte. Verzweifelt griff er nach dem Sattelhorn, doch es half nichts, er fiel. Mit der Schulter knallte er schmerzhaft auf die Bande und fand sich - erneut - im Staub der Bahn wieder. 'Orkenschiss', knurrte er.
Nun waren beide wütend. Schmerz und Trägheit mißachtend kämpften sie sich auf die Füsse. Die nervösen Rösser wurden von der Bahn geführt und nahezu gleichzeitig zogen sie ihre Turnierschwerter. "Dann eben mit dem Schwerte, Herr Ritter!", donnerte Crevan und marschierte auf seinen Gegner zu.
Beide hatten trotz ihrer jungen Jahre die Erfahrung zahlloser Kämpfe, beide hatten gegen den selben Feind gefochten, von ihm gelernt und überlebt. Anfangs folgten beide noch dem reinen Kodex ihres Standes und wer schließlich damit anfing, die Grenzen zu dehnen, kleine Tricks in den Schwertreigen einzubinden, konnte später mit Gewissheit niemand sagen. Die Zuschauer wurden völlig in den Bann dieses verbissenen Ringens gezogen. Nichts spielerisches haftete diesem Kräftemessen an und schnell hatte der ein oder andere vergessen, dass es nicht um Leben oder Tod ging, sondern nur um Sieg oder Niederlage. Es war der bislang längste und sicherlich beste Fußkampf des Turniers, alles, was einen spannenden Zweikampf ausmachte, wurde geboten. Die Rondrianer auf der Tribüne standen längst, selbst die Augen des Schwertes der Schwerter hingen gebannt an diesem Kräftemessen. Und obgleich der Kampf lange währte, brach sich ein enttäuschtes Stöhnen Bahn, als Lanzelund Crevan schlußendlich mit einem brachialen Hieb zu Fall brachte. Kurz sah es so aus, als würde der Darpatier sich auch diesmal wieder erheben und weiterkämpfen wollen, doch er schien Probleme mit seiner Rüstung zu haben, die Halsberge war verrutscht und etwas Blut zeigte sich unterhalb des Helmes. Schwer atmend stand Lanzelund seinem Gegner gegenüber und auch von diesem kam wenig mehr als Keuchen. Dann endlich hob Crevan seine Schwerthand, drehte die Klinge gewandt und bot dem Baronet in einer alten Geste den Knauf dar. Er gestand seine Niederlage ein.
Lanzelund riss beide Arme hoch und der Jubel der Zuschauer brandete über die Bahn. Doch nur kurz liess sich der Weidener feiern, dann warf er sein Schwert achtlos beiseite und half dem Edlen aufstehen. "Was für ein Kampf, was für ein Ringen. Lasst mich Euch Freund nennen, Crevan, denn Brüder im Geiste sind wir längs!" Rief er vernehmlich. "Es war mir eine große Ehre und die Barden sollen diesen Kampf besingen, auf dass er nie vergessen wird. Ihr habt Eurem Namen alle Ehre gemacht, Crevan von Tichyll-Dur."
Unterdessen war dieser viel zu erschöpft, um länger wütend zu sein. Im Moment wußte er auch gar nicht mehr, warum und worauf er wütend sein sollte. Er nahm die dargereichte Hand und nickte, für den Moment zu atemlos, um zu sprechen. Lanzelund zog ihn in eine kräftige Umarmung und eigentlich fand Crevan diesen Weidener nach diesem Kräftemessen gar nicht mehr so aufgeblasen, Lanzelund konnte wirklich was. Der Kampf war eine Freude gewesen, lange hatte er sich nicht mehr auf diese Weise messen können und so meinte er es aufrichtig, als Crevan laut entgegnete. "Und Ihr dem Euren, Lanzelund von Weiden-Harlburg-Streitzig. Freund will ich Euch gerne nennen und mich Euch im Rücken wünschen, wenn der Feind mich umringt."
Wieder brandete Jubel auf und so ging es fast unter, als eine Novizin im Rock des Schwertbundes den beiden Kontrahenten jeweils ein rotsilber gewirktes Band überreichte. Die Ritter - so geehrt vom Schwert der Schwerter - beugten das Knie gleichzeitig vor der Matriarchin der Kirche und verliessen die Bahn dann Seite an Seite, derweil Lanzelund seinem Knappen bereits von weitem auftrug, zwei große Humpen Bier herbei zu schaffen.
◅ | Achtelfinale - Die Paarungen |
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Mirl versteht die Welt nicht mehr, Connar umso mehr | ▻ |