Geschichten:Fremd in der Heimat - Teil 12
Geraume Zeit später schreckte Hartor hoch – einfach nur zu warten war nicht ganz einfach -, war das nicht ein Käuzchen gewesen? Er lauschte und vernahm nun deutlich und bewusst dessen Ruf. Er war sich nicht sicher, ob er das vereinbarte Signal von Firal gehört hatte, nach dem Stand des Madamals konnte dies aber sein. So beobachtete er genau die Häuser, die den Rand des Dorfes bildeten: Und richtig, nach einer Weile bewegten sich vereinzelt Personen zwischen den Gebäuden, lösten sich dann aus deren Schatten und kamen in seine Richtung. Hartor sammelte sich noch ein letztes Mal ob der großen Aufgabe, schickte ein letztes Gebet um Schutz und Beistand für ihre Fahrt zu den Göttern und trat dann auf den Weg.
„Kommt her zu mir und seid leise!“, flüsterte er ihnen zu, immer bemüht, keinen Ton zu viel zu verursachen.
Nach und nach kamen die Fremmelshofer zusammen, immer mehr wurden es. Zum Schluss zählte Hartor 80 Männer, Frauen und Kinder, allesamt mit nicht viel mehr Besitz als dem, was sie auf dem Leib trugen. Eine gewisse Unruhe bemerkte er unter ihnen, obwohl niemand sprach; alle waren diszipliniert genug, die Stille zu wahren. Zum Glück schliefen die Kinder an den Schultern ihrer Mütter.
Hartor bedeutete der Gruppe, sich zu sammeln. Auf seine kurze Frage nach den geforderten Dingen zeigte man ihm eine Anzahl von Werkzeugen, Fackeln und Zunder sowie ein längeres Seil. Er zeigte sich zufrieden und gab Firal das Zeichen zum Aufbruch. Wacker und Ralon schickte er wortlos ans Ende der Gruppe und er sah mit Genugtuung, dass alle seinen Worten folgten. Ja, es konnte beginnen.
Was für ein Aufbruch: 80 Menschen aus einer Vergangenheit, die im Heute schon längst Geschichte war, begaben sich auf den Weg zu einem Ort, der bis vor kurzem Legende schien, in eine Zukunft, die so unklar und ungewiss war, dass sich niemand genauere Vorstellungen davon machte, machen konnte. Tatsächlich war diese Flucht nicht viel erfolgversprechender als das Ausharren auf eine Besserung ihrer Lage in Fremmelsdorf. Und doch sah er an der großen Zahl der seinem Ruf Gefolgten – nur wenige hatten aus Gründen, die er nicht kannte, das Bleiben vorgezogen –, dass es richtig war zu gehen.
So gingen Firal und Hartor voran, und mit ihnen setzte sich der schweigende Tross in Bewegung, zog sich allmählich länger und schon bald war auch der Letzte im nächtlichen Dunkel verschwunden.
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