Geschichten:Fremd in der Heimat - Teil 4
Seufzend gab Hartor Ralon den Beutel zurück, nahm die Hacke zur Hand und fuhr mit der Arbeit fort. Als Praios sein Licht langsam heim holte, wandten sich die Bauern nach dem Dorf und auch Hartor ging langsamen Schrittes dorthin, wo seit einiger Zeit sein Zuhause war. Nichts machte es vergleichbar mit dem, was er unter diesem Begriff oder gar unter Heimat verstand: Eine Schlafstatt im Stall des Bauern, auf dessen Feldern er seinen Tag verbrachte, eine grob gezimmerte Kiste sowie die Möglichkeit, mit den anderen Knechten am Hof einfache Mahlzeiten einzunehmen, war alles, was ihn hier erwartete. Ähnlich erging es auch den anderen Überlebenden aus Fremmelshof.
Schon kurz nachdem sie wieder zurück auf Deres Antlitz erschienen waren, hatten Männer des Grafen sie willkürlich auf die umliegenden Dörfer verteilt. Nach der Anzahl der hier Untergebrachten und vorausgesetzt, dass die Dörfer annähernd gleich groß waren, mussten es ungefähr drei Ortschaften sein, die die Fremmelshofer aufgenommen hatten. Hier, in Fremmelsdorf waren sie mit ungefähr 90 Überlebenden untergekommen: Männer, Frauen und sogar einige Kinder, die die Katastrophe überlebt hatten.
Irgendwann nach dem Ende der Schlacht, welches recht plötzlich gekommen sein musste, war er mit blutüberströmtem Kopf erwacht und von einem Peraine-Geweihten versorgt worden. Für kurze Zeit hatte die junge Tochter des Barons die Überlebenden organisiert, bis eine herrisch auftretende Frau in grauer Robe alle aus der Stadt weggeschafft hatte. Soweit er sich erinnerte, waren um die einhundert Menschen in jenem hastig eingerichteten Lager zusammengekommen, vielleicht etwas mehr. Dann war ein junger Mann gekommen, der sich als Olyfl von Komisch und vom Pfeil oder so ähnlich vorgestellt hatte. „Im Auftrag des Barons …, nur zu eurem Besten …, nicht hier bleiben …, nicht anders möglich …“ und so weiter; Hartor konnte sich nicht mehr genau erinnern, was er gesagt hatte. Zum Glück hatte man die engeren Familien nicht auseinandergerissen, das nicht, jedoch war nicht auf Verwandtschaft oder gar Freundschaft Rücksicht genommen worden.
Nun lebten sie hier seit vier Monden in Ställen, Scheunen, die Glücklicheren in provisorisch zusammengezimmerten Bretterverschlägen. Immerhin hatten diejenigen so etwas wie eine Privatsphäre. Aber Leben konnte man dies beim besten Willen nicht nennen und Zukunft hatte so etwas schon gar nicht! Er blickte sich im Stall, den er inzwischen erreicht hatte, um. Nein, das heute auf dem Feld war keine Laune gewesen, er hatte diesen Zustand über! Über Wochen hinweg hatte er versucht, sich mit dieser Welt und den Bedingungen, unter denen er nun hier leben musste, anzufreunden. Aber es gelang ihm nicht, das musste er sich eingestehen.