Geschichten:Freudiges Wiedersehen
In einer Lichtung nördlich Burg Mardershöh, Tsa 1046 BF
«Halt, wer da?» Ein Knacken eines dürren Astes liess den massigen Körper des Konnetabels der Burg Mardershöh herumfahren, den Rondrakamm in Richtung des Geräuschs gerichtet.
«Eure Sinne sind nicht mehr ganz die alten, ich habe hier schon eine Weile gestanden und Euch zugeschaut. So bin ich auf den Ast getreten, um eure Aufmerksamkeit zu erhaschen. Ihr wisst immerhin noch mit diesem unhandlichen Ding umzugehen.» sagte die Stimme im Schatten.
«In Rondras Namen, zeigt Euch, lichtscheues Gesindel! Oder es wird euer letzter Tag auf Dere sein.» donnerte Rondred Löwenhaupt.
«War ich so lange weg, dass ihr meine Stimme nicht mehr erkennt, alter Freund?» antwortete die Stimme ruhig und trat auf die Lichtung.
Rondred senkte langsam seinen Rondrakamm. «Was, wie …» Rondred trat einige Schritte zurück. «Bei Rondra und ihren elf Geschwistern. Nein, das kann nicht sein…»
Die Person trat mit einem verschmitzten Lächeln auf Rondred zu und breitete seine Arme aus. «Wollt ihr mich nicht wenigstens angemessen begrüssen, euer Gnaden, bevor ihr mich noch mit dem Ding verletzt?»
Die beiden Männer fielen sich in die Arme. «Verdammt, wo seid ihr gewesen? Wir… wir waren voller Sorge um euch gewesen.» hatte sich Rondred wieder gefasst. «Ihr seid einfach losgeritten, und habt niemandem etwas gesagt. Wir haben nicht mehr mit eurer Rückkehr gerechnet.»
«Das war meine Entscheidung, und ich habe dafür bezahlt.» entgegnete Orelan Leowyn von Leuenwald, und legte seine Hand auf die Schulter des Konnetabels. «Aber das ist eine Geschichte für ein frisches Wiesenschlösschen.»
«Wie habt ihr mich gefunden?» fragte Rondred.
«Ich musste einfach hier etwas warten. Ich wusste, dass ihr oft hierherkommt, um ungestört eure Waffenübungen abhalten zu können.» erwiderte Orelan. «Aber sagt, was ist aus meiner Mardershöh geworden, und viel wichtiger, wie geht es den anderen, Bosper, Praiodane, Burian und Quisira?»
Rondred blieb stehen und nur mit Müh und Not brachte er die Worte über seine Lippen. «Ihr seid nicht mehr Kronvogt. Bosper und vor allem Quisira versuchten, euer Verschwinden vor der Krone so lange wie möglich geheim zu halten.» Rondred holte tief Luft. «Das ist fast zwei Götterläufe gut gegangen. Aber zu Beginn Travia 1046 wurde ein neuer Kronvogt ernannt.»
Orelan nahm die Botschaft gelassen auf. «Damit habe ich gerechnet. Erstaunlich, dass es überhaupt so lange gedauert hat. Wen hat unsere Königin an meiner Stelle berufen?»
«Eslam von Borstenfeld», presste Rondred hervor.
«Wartet, ist das nicht dieser fette Perricumer, unter dem jedes Schlachtross zusammenbricht? Aus dieser Reichsverräterfamilie?» entfuhr es Orelan.
«Ja, und es war nicht unsere Königin, die ihn ernannt hat. Sondern der neue Grossfürst, Alderan Sanz von Gareth.» entgegnete Rondred.
«Wir haben einen Grossfürsten?» Orelan pfiff leise durch die Zähne. «Es war an der Zeit, dass Rohaja einen Vasallen ernennt, der nicht wie sie zwischen Kaiserreich und Königreich hin- und hergerissen ist. Aber dieser Alderan, ist das nicht ein Jungspund vom Reichsvogt der Alriksmark?» fragte Orelan.
«Genau, aber Gerwulf ist nun Graf von Eslamsgrund, und Yrsya von Luring-Gareth ist die neue Burggräfin.» ergänzte Rondred.
«Verdammt, da ist man nicht einmal drei Götterläufe weg, und Garetien ist nicht mehr dasselbe. Aber interessant: Die Familie Gareth breitet sich in letzter Zeit ganz schön aus. Schon die ehemalige Baronie Höllenwall haben sie sich unter den Nagel gerissen.»
«Was wollt ihr nun tun?» fragte Rondred.
«Nun, ich muss mich wohl beim Grossfürsten vorstellen und meine Entlassung offiziell entgegennehmen. Also auf nach Gareth.» folgerte Orelan. «Aber zuerst möchte ich euch alle noch einmal sehen, am besten an einem Ort, wo wir uns unerkannt treffen können?»
«Ja, ich weiss auch schon, wo. Im Praiostempel auf der Mardershöh.» lächelte Rondred. «Praiodane hat sich gleich am ersten Tag mit dem Wildschwein überworfen, der setzt so schnell keinen Fuss mehr in den Tempel hinein, wenn er nicht muss. Ich bringe euch bei Nacht hinein. Und sowieso: Der Borstenfelder ist vor einigen Tagen mit seinem Gefolge abgereist.»