Geschichten:Fuchs und Stier - Ein Stier so faul

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Dramatis personae:


Stadt Wasserburg in der gleichnamigen Baronie, Anfang Rahja 1034 BF

"Euer Hochgeboren?" Der Haushofmeister näherte sich dem Baron. Zordian von Tikars lag auf seiner Liege und betrachtete vom Balkon aus den träge dahinfließenden Darpat.

"Euer Hochgeboren?", sagte er nochmals und Zordian schien ihn endlich wahrzunehmen.

"Was wollt Ihr, Huflinger?", fragte der junge Baron mißmutig. "Ihr wißt genau, daß Ihr mich nicht während meiner Mußestunden stören sollt!"

Diese 'Mußestunden' dauerten meist den ganzen Tag. Entweder betrachtete er stundenlang verträumt den Fluß, während er sich von den Dienern verköstigen und verwöhnen ließ, oder lag den ganzen Tag im Bett und schlief. Für andere Dinge interessierte er sich nicht – höchstens für alte Sagen. Und die Verpflichtungen, die er als Baron hatte, für die interessierte er sich noch weniger. Das überließ der Baron ihm. Doch gab es Verpflichtungen die er nicht übernehmen konnte …

"Es ist Besuch da ...", begann Meister Huflinger.

"Er soll morgen wieder kommen", sagte der Baron und wandte sich wieder dem Darpat zu.

"Aber ..."

"Er soll morgen wieder kommen, Huflinger!" Zordian blickte sich nochmals um. "Oder wollt Ihr wieder die Peitsche spüren?", grollte er.

So war der Baron von Wasserburg. Wenn man ihn in seinen 'Mußestunden' störte, hatte man harte Strafen zu erwarten.

"Wie Ihr wünscht, Hochgeboren", verneigte sich Meister Huflinger schließlich. "Ich werde den Besuch auf morgen vertrösten."

Ach, waren das noch Zeiten, als die gnädige Frau Zehta noch lebte …, dachte Huflinger.

Doch mußte der Besuch auch am nächsten Tag wieder vertröstet werden, da der Baron noch 'wichtige Geschäfte' zu erledigen hatte. Und auch am dritten Tag war der Baron 'unpäßlich'.

"Wenn er uns wieder auf morgen vertröstet, kann er was erleben!", sagte Cordovan. Es war der vierte Tag.

"Ich habe Euch ja erzählt was für ein Mann dieser Zordian ist, Cordovan", meinte der Zackenberger.

"Er kann uns nicht auf ewig vertrösten. Irgendwann muß er uns empfangen!“

Aldron von Firunslicht, der Heermeister Perricums, hatte Cordovan los geschickt um mit dem hiesigen Baron Verhandlungen zu führen. Zu diesem Anlaß war auch Timshal von Zackenberg, ein Leutnant aus adligem Hause, mit gekommen, da er sich gut in der Struktur des Adels in der Markgrafschaft auskannte.

"Schau an, da kommt er ja wieder", sagte Timshal, der den Haushofmeister die Treppe herunterkommen sah und lehnte sich lässig an eine Säule. „Ich habe da schon so eine Ahnung, was uns er erzählt …"

"Ich bin untröstlich, meine Herren.", erklärte dieser schließlich. "Seine Hochgeboren ist ein vielbeschäftigter Mann." Timshal schnaubte bei diesen Worten. "Er befindet sich soeben in einem, ähm, außerordentlich wichtigen Gespräch. Doch soll ich Euch ausrichten, daß er morgen mit Sicherheit Zeit für Euch erübrigen kann. Äh, Moment, wo wollt Ihr hin?"

Cordovan war am Haushofmeister einfach vorbeigegangen und war die Treppe hinauf geeilt. Dieser lief ihm nun hinterher. Auch Timshal eilte ihnen nach. "Ihr … ihr könnt ... doch nicht einfach ...", begann Meister Huflinger, als er – außer Atem – oben an der Treppe Cordovan wieder eingeholt hatte, doch dieser eilte einfach weiter in die Richtung, wo er den Baron vermutete. In einem Gang öffnete er die Türen und blickte kurz hinein und eilte wieder weiter zur nächsten Tür, als er den Baron dahinter nicht fand - stets gefolgt von einem keuchenden Haushofmeister und einem amüsierten Timshal. Die beiden Wächter im Gang sahen sich verdutzt an und wollten soeben Cordovan aufhalten, als dieser schließlich fündig wurde.

Als er die Tür zu einem großen Wohngemach öffnete, sah Cordovan den Baron, wie dieser auf einer Liege saß und sich von einem Diener Weintrauben reichen ließ.

"Und so sieht ein außerordentlich wichtiges Gespräch aus?", fragte Cordovan erzürnt. "Faul auf einer phexverfluchten Liege zu liegen und sich füttern lassen? Verdammt noch mal, ich warte hier schon drei verfluchte Tage!"

Zordian blickte überrascht auf. „Ah, Besucher“, sagte er im gelangweilten Tonfall. „Was wünscht Ihr von meiner Wenigkeit, dem hochgeborenen Baron, so daß Ihr ungebeten eindringt? Und beeilt Euch! Ich gewähre hier Euch nur eine kurze Audienz. Ihr seht ja – ich bin beschäftigt.“ Er ließ sich vom Diener mit einer weiteren Weintraube füttern.

Die beiden Wachen, die vorhin im Gang standen und Cordovan aufhalten wollten, zogen sich wieder an die Tür zurück, als der Baron keine Anstalten machte, die Eindringliche hinaus werfen zu lassen; verließen aber den Raum nicht.

„Schön, daß Ihr doch ein wenig Zeit erübrigen könnt“, sagte Cordovan sarkastisch, setzte sich auf einen Sessel, nahm seinen Hut ab und schwang seine Beine auf das kleine Tischchen davor. Huflinger, der mit geeilt war, verzog dabei leicht den Mund. Timshal blieb bei der Tür stehen „Der Heermeister will die Landwehr der einzelnen Baronien der Mark stärker an das Heer binden“, begann er ohne Umschweife. „Und dafür benötigt er die Hilfe der jeweiligen Barone.“

Zordian verzog bei diesen Worten den Mund.

„Natürlich bedeutet das nicht viel Arbeit“, sagte Cordovan schnell, da er von Timshal wußte, was der Baron davon hielt. „Ihr müßt lediglich Eurer Einverständnis erklären und hier und da Rücksprache mit dem Heermeister abhalten. Und vielleicht einen Mann ernennen, der für die Landwehr zuständig sein soll, falls Ihr solch einen noch nicht habt.“

„Verstehe ich Euch richtig“, sagte Zordian und trank einen Schluck aus dem Becher, den er sich hat reichen lassen. „Ihr wollt, daß ich meine Befehlsgewalt über meine Soldaten aufgebe? Das könnt Ihr vergessen! Ich werde meine Befehlsgewalt doch nicht irgendwelchen dahergelaufenen Vagabunden abgeben. Wache!“ Mit einer Handbewegung forderte er diese auf, Cordovan und Timshal hinauszuwerfen.

„Dahergelaufene Vagabunden? Wir kommen vom Heermeister ...!“, begann Cordovan empört, doch wurde er von Zordian unterbrochen.

„Das ist mir gleichgültig“, sagte er, noch immer im gelangweilten Tonfall. „Ach, und sollte man Euch in der Stadt noch einmal sehen, landet ihr im Kerker, oder am Galgen, je nachdem wonach ich gerade Lust habe.“ Danach widmete er sich wieder ganz seinen Weintrauben.

Mit rüden Griffen wurden Cordovan, der eben noch seinen Hut greifen konnte, und Timshal hinaus befördert.

Wenige Minuten später saßen sie und die vier Soldaten, die sie begleiteten, wieder auf ihren Pferden auf der Reichsstraße.

Diese verfluchten Adligen!, dachte Cordovan. Das war der Grund, warum er sie nicht mochte. Alle waren verwöhnt und hielten sich für was besseres. Und wenn sie eines konnten, dann war es einem das Leben schwer zu machen!

"Und was machen wir nun?", fragte Timshal.

"Wir kommen wieder", antwortete Cordovan. "Aber diesmal mit mehr Soldaten."

"Was?", fragte Timshal erschrocken. "Denkt Ihr wirklich daß das so klug ist, Cordovan?"

Doch dieser grinste nur. "Ich habe noch nie das getan was klug ist, Timshal", gab er zwinkernd zur Antwort. "Und bisher bin ich immer gut damit gefahren. Ihr werdet schon sehen. Ich habe einen Plan.“





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