Geschichten:GG&P-Con 2024 Rubinrotes Leuchten - Ein beschissener Anfang
Markt Grambusch, Praios 1046 BF.
Im Vogtshof waren alle zur Abreise bereit: zehn Gardisten der Schatzgarde unter dem Kommando ihres Leuenantes Hardan von Sturzbach, Kastellan Mainhard von Kobernhain, der seinem Freund, dem Wägevogt, diese sommerliche Reise abgeschwatzt hatte, um einmal rauszukommen, und so viele Rösser, wie Leute aufbrechen sollten – hinzukommend die Pferde vor der Reisekutsche des Wägevogtes sowie der gepanzerten Karosse für die Gelder, die man auf der Tour einzunehmen gedachte. Es fehlte: der Wägevogt.
Germuth Praiosdank von Königslinden quälte sich noch auf dem Abort, denn so ein flinker Difar macht auch vor dem Gesäß eines hohen kaiserlich-königlichen Beamten nicht Halt. Im gehenteil: Es schien ihm eine diebische Freue zu bereiten, auch einmal einen erlauchten Darm zu beuteln, in den zwar exquisite Mahlzeiten hineinkamen, aber am Ende doch nur Scheiße herauskam.
„Scheiße“, ächzte der Wägevogt und stöhnte.
„Löckchen, du sollst nicht fluchen“, säuselte die Gattin des Wägevogtes, die schon eine geraume Weile vor der Tür zum Abort wartete, weil sie ihren Gatten eigentlich nur verabschieden wollte, so liebevoll, wie man nach fast 40 Jahren Ehe eben miteinander umging, wenn der eine ständig unterwegs war und jeden herumkommandieren konnte, der steuerpflichtig ist, und die andere in der Praioskirche tätig ist und ebenfalls jeden herumkommandieren kann, der Sorge hat, dass der Götterfürst womöglich wirklich alles sieht.
„Lass mich in Ruhe! Hol lieber Ylli, die kann schon mal scheiben!“, rief Königslinden durch die geschlossene Tür.
„Ich sitze doch bereits hier im Gang, Dom Germuth“, rief die genannte Schreiberin Brindia Yllerbeck ebenfalls durch die Tür. Sie saß auf einer Bank in dem Gang zum Abort, das klappbare Reiseschreibpult auf den Knien, ein paar Blankopergamente bereit, die Feder im aufgeschraubten Tintenfass.
„Auf dich ist Verlass, Ylli! Mehr noch als auf meine Gedärme!“
Königslindens Gattin schüttelte den Kopf: „Er wird alt. Ich erinnere mich, dass er früher nicht so schamlos und unverfroren war. Na ja, Kind, du kennst ihn ja auch schon ein paar Jährchen.“
„Seit zwölf, um genau zu sein, Wohlgeboren“, gab die Scheiberin korrekt zurück. „Seit ich hier am Vogtshof als Markschreiberin anfing.“
„So lag ist das schon her? Kinder, wie die Zeit vergeht!“ Sprach’s und raushcte von dannen.
„Ist sie weg?“, rief Königslinden mit Bühnenflüsterton durch die Tür.
„Ja, sie ist gegangen“, antwortete die Schreiberin im gleichen Ton.
„Endlich!“ Und mit einem lauten Knattern presste der Wägevogt weiter aus sich heraus, was heraus wollte und sollte. „Hast Du die Schreiben vorbnereitet?“
„Jawohl, Dom Germuth. Gemäß unserer Reisroute habe ich die Vollmachten, Vorausrechnungen und Entnahmeurkunden bereits ausgefertigt. Es fehlen nur noch Datum, Siegel und Unterschriften.“ Die Schreiberin tätschelte eine Urkundenmappe, die auf dem Boden des Reisepultes lag und auf der in gut lesbaren Lettern die Ziele der Inspektionsreise des Wägevogtes in seiner Eigenschaft als Auge der Kammer in den nächsten sechs Wochen ansteuern wollte:
Markt Kaltensporn, Dorfschulzin Jadwina
Stadt Rallerspfort, Ludilla Holwern, Haldan von Rallersgrund
Markt Waldenrath, Reto von Kesselstein
Stadt Hornbach, Danka Bucking
Stadt Waldfang, Rapherian Mühlheimer
Schloss Nuzellfels, Aurentian von Nuzell auf Nuzellfels
Markt Untergras, Rudine von Dunkelfarn (Amtseinführung)
Markt Saudernheim, Lechmin Wilmunde von Rallerspfort
Markt Maarblick, Hartfried Hoeckmann
Markt Marano, Salaria von Rosshagen
Stadt Samlor, Roderik von Schack
Burg Trollhammer, Nimmgalf von Hirschfurten
Stadt Ackbar, Berilla Weitersheim
Markt Menzelshall, Nadyana von Nadoret