Geschichten:Gareth erhöht und will sehen
„Jetzt hört doch auf, so herumzuschreien, Eschenrod. Das ist doch sonst nicht Eure Art!“ Olbert von Königslinden legte seine teigigen Finger auf die Schulter des Seneschalls und ließ die Worte ölig aus seinem Mund tropfen. „Diese Brüllerei - das haben wir hier nicht mehr gehabt, seit Steinfels sein Rudel herumkommandiert hat.“
Eschenrod ließ sich sanft auf einen dieser filigranen Sessel drücken, die im Säulenvestibül von Sonnentor – wo sich einige Damen und Herren des Hofstaates versammelt hatten – nach einem nicht nachvollziehbaren System angeordnet waren. Das samtene Rot biss sich dramatisch mit dem orangenen Wams, das Eschenrod trug. Der umklammerte noch immer eine Schriftrolle, als ginge es um das Testament seiner Erbtante: „Aber das können sie nicht machen, diese verlogene Bande. Diese hinterhältigen Verräter, ehrlose …“
„… Bürger. Es sind nun einmal Bürger, Eschenrod.“ Königslinden hatte sich an der Lehne des Stuhls aufgebaut und die Finger nicht von der Schulter genommen. „Wer erwartet von Bürgern schon, dass sie ihre Versprechen halte?“
„Ich!“, kreischte Eschenrod schon fast. „Ich erwarte das! Wenn wir mit der Stadt Lieferverträge abschließen oder Pachten oder oder oder, dann erwarten die das doch auch von uns! Und außerdem klappt es doch auch sonst. was soll das nun also? ich muss Seine Hochwohlgeboren sprechen, sofort!“
„Das geht jetzt nicht“, mischte sich Doktor Schimmelgeiß ein, der mit einigen anderen dem Schauspiel gefolgt war, das der Seneschall seit seiner Rückkehr aus der Stadt veranstaltet hatte. Buchstäblich gefolgt, denn anhänglich waren sie dem Wütenden von Raum zu Raum auf den fersen, um das seltene Theater nicht zu verpassen. „I hob dem Grafen jetzt a Ruah verordnet. Is aa nimmer der Jüngste und hat sich derweil aa geärgert über die Bürger.“
„Jetzt zeigt das Schreiben doch einmal her, Herr Eschenrod“, mischte sich die hochgewachsene Yrsya von Luring-Gareth ein, die zwar nur Zofe am Hof war, sich aber dennoch so manches herausnehmen konnte. „Aha“, spie sie, nachdem sie das zerdrückte Dokument aufgeknittert hatte. „Wollt Ihr hören?“
Ein mehrsilbiges ja ertönte von den Hofbeamten.
„Der Rat der Helden entbietet Seiner Hochwohlgeboren et cetera et cetera … Gruß und so weiter. Hier: In der allfälligen Causa der Lehen zur Brachenwacht, so installiert im Rondra dieses Jahres, befindet die Kammerkommission des ›Rates der Helden‹ unter dem Vorsitz der ehrenwerten Amilia Groterian – pfff: ehrenwert – , dass die Kosten, Aufwendungen und Ausgaben der so genannten Brachenwacht in partes zu hoch angesetzt seien. Alldeshalb wird mit Entscheid des besseren und größeren Teils der Kammer wie folgt mitgeteilt:
Dass die Freie und Reichsstadt Gareth ihren Teil zum Aufbau, Unterhalt und Erhalt der Brachenwacht aus der Kassa der Stadt und des Rates gibt und gewährt.
Dass die Freie und Reichsstadt Gareth nicht nur die geforderte Summa aus der Kassa der Stadt und des Rates gibt, sondern den vollen Betrag und noch einmal den halben in blankem Gold.
Dass die Freie und Reichsstadt Gareth ihrem Rat keinerlei Handhabe und Gewalt verleiht, das Gold der Kassa der Stadt und des Rates außerhalb der Garether Mundtat zu verwenden, mithin also nicht dort, wo des Markvogten Wille und Gesetz walten.
Dass mithin der Freien und Reichsstadt Gareth Vasallen allein aus der Kassa der Stadt und des Rates bedient werden, alsda sind bei Namen zu nennen Irida von Gryffingk auf der Parinorswacht mit voller Unterstützung von 150% der geforderten Geldmittel, Madaia von Alding auf der Splitterwacht mit voller Unterstützung von 150% der geforderten Geldmittel sowie Yasinthe von Brachenhag auf Brachentor mit voller Unterstützung von 150% der geforderten Geldmittel.
Dass die Freie und Reichstadt Gareth sich hieromit des erforderten Anteils an der so genannten Brachenwacht befleißiget hat und der Macht und der Gewalt des Vogtes der Garether Mark die Bewilligung, Beschaffung und Ausgabe der Geldmittel für die anderen Wachten überantwortet.
Gegeben am 4. des Firun zu Gareth, gesiegelt vom Rat der Helden et cetera et cetera, perge, perge.“
Yrsya ließ das Dokument sinken und blickte die Umstehenden großäugig an: „Das traut sich was, das ehrlose Gesindel.“
◅ | Er hatte recht |
|
Die freie Wahl | ▻ |
|
Die freie Wahl | ▻ |