Geschichten:Gebete nicht erhört

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Finsterrode. Auch dieses Jahr endete, ohne daß die Baronin von Finsterrode von ihren Leiden erlöst wurde. Aber der Reihe nach. Alljährlich im RAHjamond legt sich ein Mantel der Trauer über die kleine Baronie am Rande des Finsterkammes. An ausgiebige Feierlichkeiten wie im übrigen Greifenfurt ist nicht zu denken. Die Bewohner haben die Schicksalsschläge aus dem letzten Orkensturm noch nicht verwunden. Verständlich, wenn man bedenkt, welch hohen Blutzoll die Bevölkerung zahlen mußte, auch der damalige Baron zählte zu den Opfern. Doch auch das übrige Greifenfurt wurde hart getroffen, warum wird dort wieder ausgiebig gefeiert, in Finsterrode aber nicht, mag sich mancher fragen. Die Antwort ist einfach, sie lautet Erinnerung. Denn das Schicksal der jetzigen Baronin ruft den Bewohnern die Vergangenheit ständig ins Gedächtnis. Mag sie auch damals mit dem Leben davongekommen sein, so kann man dies keinesfalls als Glück bezeichnen. Traf sie der hinterrücks ausgeführte Hieb eines verfluchten Schwarzpelzes doch so tragisch, daß sie fortan vom Halse abwärts gelähmt war. Nur ihr starker Wille und die Liebe und sorge ihres Ehemannes und der Bewohner vermag sie am Leben gehalten haben. Denn bei den Einwohnern der Baronie ist sie außerordentlich beliebt, kommt sie doch aus deren Reihen und war nicht schon von Geburt an von Stand. Groß war damals die Freude, als der jetzige Baron Genzmer gegen den Willen seines Bruders mit seiner Jugendliebe, der einfachen Jägerin Sianca, den heiligen Bund der TRAvia einging.

So bestimmt also das Schicksal der Baronin das Leben in Finsterrode. Jedesmal wenn sich der Tag der Schlacht gegen die Schwarzpelze jährt, versinkt die Baronie in großer Trauer. Keinen aber nimmt dies härter mit als den Baron. Die Liebe zu seiner Frau ist auch durch all die Jahre des Leids nicht weniger geworden. Und noch hat der Baron die Hoffnung auf Heilung nicht aufgegeben. Leider liegt Finsterrode zu abgelegen und ist zu klein, als daß sich oft ein Wanderer, geschweige denn ein Heilkundiger, dorthin verirrt.

Auch dieses Mal war es nicht anders. Nur drei sich selbst als Heilkundige bezeichnende Reisende fanden den Weg nach Finsterrode. Im Jahr davor waren es immerhin noch derer elf gewesen. Langsam scheint es sich herumzusprechen, daß die Belohnung keinesfalls hoch sein wird. Dies ist auch nicht verwunderlich, da Finsterrode bekannterweise zu den ärmsten Baronien in Greifenfurt zählt.

Der erste der Dreien traf bereits Anfang RAHja ein. Er stellte sich als Magus Raskadrius Melandreoff vor, Absolvent der Schule der Heilung und Genesung von Körper und Geist in der Halle des Lebens zu Norburg. Trotz der in Greifenfurt verbreiteten Abneigung gegenüber Magiebegabten ließ der Baron den Magus zu seiner Frau. Raskandrius Melandreoff öffnete auch alsbald sein Köfferchen und begann mit einer Vielzahl von Untersuchungen die bis spät in die Nacht andauerten. Auch den nächsten Tag und den Rest der Woche beschäftigte er sich noch intensiv mit der Baronin, seine Miene verfinsterte sich aber zusehends. Mit der Zustimmung des Barons begann dann der Magus am Mittag des 11. RAHja mit der Wirkung eines Heilspruches, der die Lähmung aufheben sollte. Doch obwohl der Magus seine gesamte Kraft in das Wirken steckte und erst aufhörte, als er der Ohnmacht nahe war, sollte er keinen Erfolg haben. Raskandrius Melandroff zeigte die Enttäuschung ob des Misslingens weit deutlicher als der Baron, der starr dastand und kein Wort mehr sagte. Auch nicht, als der Magus ihn wiederholt um Verzeihung wegen seines Versagens bat. Ihm tat es unendlich Leid und versprach bei der Abreise am nächsten Morgen, wiederzukommen, wenn er seine Kräfte so sehr verbessert hätte, daß er sich Erfolg verspreche.

Am 14. RAHja schließlich traf der reisende Medicus Krewus ein. Krewus stammt aus Greifenfurt und besucht die Baronie an fast jedem Jahrestag des Unglücks. Er selbst reist das übrige Jahr durch Aventurien auf der Suche nach einem Heilmittel. Bislang war sie nicht von Erfolg gekrönt, so auch dieses Mal. Nur eine Salbe aus dem fernen Aranien hatte er in seinem Gepäck, von der er sich eine kleine Linderung versprach. Nachdem er den Körper der Baronin damit eingerieben hatte, zeigte sich tatsächlich ein kleines Lächeln im Gesicht der Baronin. Krewus weilte noch den Rest des Mondes und die Namenlosen Tage in Finsterrode und konnte so noch die Ankunft von Saskadrion Belagriusco Haskariiu Rohensus miterleben.

Eigenen Angaben zufolge stammte dieser aus dem Lieblichen Feld und versprach eine schnelle Beendigung der Leiden der Baronin. Erst später sollte dem Baron bewußt werden, welch Doppeldeutigkeit hinter dieser Formulierung steckte. Jedenfalls hatte er in einer Phiole ein hellgrünes dickflüssiges Mittelchen mitgebracht, das die Baronin nur zu sich zu nehmen bräuchte. Auf die neugierige Frage Krewus‘, was genau das für ein Mittelchen sei, lächelte er nur kurz und murmelte was von ”alter Mohischer Formel”. Bevor er aber anfinge, wollte er zunächst mit dem Baron unter vier Augen über die Belohnung sprechen. Einige Zeit später hörte man zunächst ein Rumpeln in dem Raum, in den sich die beiden zurückgezogen hatten, und gleich darauf stürmte der Liebfelder aus der Tür heraus. Niedergeschlagen hatte er den Baron! Leider war es den Wachen nicht möglich, den Flüchtenden aufzuhalten. Der Baron selbst schwieg ob des Vorfalls und verfluchte den Übeltäter.

Erst im neuen Jahr sollte sich dieser Vorfall aufklären. Krewus war abgereist, kehrte aber schon am nächsten Tag zum Sitz des Barons zurück. Er war nämlich zunächst etwas vom Weg abgekommen. Wohl deshalb entdeckte er durch Zufall auf dem Boden einer kleinen Schlucht die reglose Gestalt des Saskadrion Belagriusco Haskariiu Rohensus und dessen Pferd. Als er hinunterstieg um genauer nachzusehen, erkannte er, daß sich beide wohl vor einigen Tagen schon zu Tode gestürzt hatten. Schlimm sah der Körper des Liebfelders und des Pferdes aus. Erhalten aber war wie durch ein Wunder die Phiole mit dem Mittelchen. Weiterhin fand Krewus noch ein paar Federn in der Nähe der Abgestürzten. Der Medicus untersuchte beides, und so erfuhren auch wir, was genau auf der Burg geschehen war an dem Tage des Zwischenfalles. Das Mittelchen, so versicherte Krewus, sei gar kein Heilmittel, sondern ein hochpotentes Gift. So also sollte die Erlösung der Baronin ausgesehen haben! Der Liebfelder wollte sie gen BORon schicken! Dies muß er dem Baron mitgeteilt haben, der dieses verwerfliche Angebot wohl entschieden ablehnte. Statt dessen wird der Baron ihm mit einer Hinrichtung gedroht haben, es wäre nicht das erste Mal gewesen, daß ein Quacksalber in Finsterrode aufgeknüpft worden wäre.

Aus der Burg fliehen konnte der Liebfelder zwar, aber dann muß ihn die gerechte Strafe ereilt haben, als er mit seinem Pferd in den Tod stürzte. Der Grund des Absturzes war für Krewus übrigens auch klar, eine Harpyie muß ihn angegriffen haben, denn die gefundenen Federn stammten ohne Zweifel von einer. Auf den ersten Blick mag dies wenig verwunderlich sein, gibt es doch im nördlichen Teil Finsterrodes einen außergewöhnlich großen Harpyienschwarm. Auf der anderen Seite allerdings ist schon seit mehreren Jahren von keinem Angriff einer Harpyie auf einen Bewohner der Baronie berichtet worden ...

Der Baron selbst schweigt immer noch zu diesem Zwischenfall, soll aber kurz gelächelt haben, als Krewus ihm den Tod des Liebfelders mitteilte.

Bleibt für uns zu hoffen, daß die Gebete der Finsterroder bald erhört werden und das Leiden der Baronin auf PERainegefällige Weise ein Ende findet.



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Texte der Hauptreihe:
Autor: R. Wetzel