Geschichten:Gedankengift Teil 1
Syrrenholt, 5. Rondra 35 Hal
Nimmgalf und Aidaloê hatten sich vom alten Radulf verabschiedet und waren wieder in der Kutsche mit leichter Bedeckung auf dem Weg zur Burg Zankenblatt. Von Samlor bis Syrrenholt waren es lediglich 18 Meilen, also keinen halben Tagesritt. Nimmgalf konnte es kaum erwarten, seinen Sohn wieder in die Arme schließen zu können, und der kleine Randolf vermisste seinen Vater sicher auch schon sehr.
Nimmgalf wusste, dass der Abschied von seinem Onkel, dem es zuletzt glücklicherweise wieder etwas besser gegangen war, nicht allzu lange dauern würde. Er hatte den festen Entschluss gefasst, seine Zelte in Burg Zankenblatt abzubrechen und zusammen mit seinem Sohn auf Burg Trollhammer, dem Stammsitz des Hauses Hirschfurten, einzuziehen. Wenn es irgendwo in Garetien einen Ort gäbe, in dem seine kleine Familie vor Simionas Wirken sicher wäre, dann hinter den schrittdicken Mauern dieser mächtigen Trutzburg in den Rakula-Höhen.
Doch zuvor würde er seinem väterlichen Freund und Bundesbruder Graf Danos von Luring noch in seiner Grafenburg in Luring besuchen fahren. Erstens um zu erfahren wie es ihm inzwischen ginge und zweitens, um ihm von Onkel Radulfs Plänen, der ja ein Lehnsmann des Grafen war, zu berichten und sich seine Meinung dazu einzuholen. Das Schicksal des guten Freundes dauerte ihn sehr. Noch im letzten Sommer waren sie bei zahlreichen Gelegenheiten im Tjost gegeneinander angetreten. Das Volk liebte jedes Aufeinandertreffen der beiden Pfortenritter – waren sie doch stets freundschaftlicher Natur - und hatte ihnen stets wie Königen zugejubelt. Nimmgalf hatte auch viel von ihm über das Tjosten gelernt. Ohne ihn hätte er sicherlich niemals die zahlreichen Turniererfolge verbuchen können, wie es ihm in den beiden letzten Jahren gelungen war. In gewisser Weise war Danos immer eine Art Mentor für ihn gewesen. Seufzend realisierte er, dass diese Zeiten wohl für immer vorbei sein würden. Der arme Mann war durch die Schrecken der jüngeren Zeit blind geworden.
„Was hast Du, Liebster?“ fragte Aidaloê, die natürlich sofort bemerkt hatte, dass mit ihm etwas nicht stimmte.
„Ach Aidaloê, so viel Leid ist in der letzten Zeit über unser schönes Königreich gekommen, und stets hat es die getroffen, die es am wenigsten verdienten. Mich betrübt das harte Los meines väterlichen Freundes Graf Danos so sehr. Ich wünschte, ich könnte irgendetwas tun, um sein Leid zu lindern.“
Aidaloê schwieg eine Weile. Auch ihr fiel es manchmal schwer, ob des vielen Leides, welches ihre kleine heile Welt in der letzten Zeit ereilt hatte, die Fassung zu bewahren. Dann ergriff sie wieder das Wort: „Nimmgalf, ich kann deinen Schmerz sehr gut nachfühlen. So manch einen haben die Ereignisse der letzten Zeit hart getroffen. Doch darfst du nicht immer daran denken, das erzeugt nur Melancholie. Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Immerhin haben wir beide uns gefunden, dass ist doch wundervoll, nicht wahr?“
Nimmgalf lächelte sie traurig an. „Oh ja, du weißt sehr gut, dass Du meine süßeste Ablenkung von allem Leid bist, mein Goldstück. Aber dennoch muss ich auch an die denken, die meine Hilfe am dringendsten brauchen. Und es ist meine heilige Pflicht alles zu versuchen, dass sich die Dinge bald wieder zum Guten wenden werden.“
„Und dafür liebe ich dich“, sagte Aidaloê leise, fast unhörbar, doch Nimmgalf verstand.