Geschichten:Gedankengift Teil 7a
Burg Trollhammer, 22. Rondra 35 Hal:
Nimmgalf und sein kleiner Sohn Randolf hatten sich inzwischen auf der Burg seines Onkels gut eingelebt. Er kannte die meisten der Bediensteten bereits persönlich mit Namen und diese waren froh, dass ein frischer Wind auf Burg Trollhammer eingezogen war. Der kleine Randolf, der mit seinen fast zwei Götterläufen schon recht gut laufen konnte, war das liebste Gesprächsthema des Gesindes. Alle lachten noch über die Geschichte, als er mit seinen kleinen Beinchen eine im Hof sitzende Katze aufgescheucht hatte, und dieser dann, nachdem sie auf die große Eiche geflüchtet war, mit lautem Stimmchen befohlen hatte, sofort wieder herunter zu kommen – was zu seiner großen Enttäuschung von der Katze lediglich mit einem Gähnen beantwortet worden war.
Vor allem die rundliche Magd Selma hatte den kleinen Fratz schnell in ihr Herz geschlossen. In manchen stillen Stunden saß sie in der Küche und dachte wehmütig an ihren eigenen kleinen Sohn, der im Alter von drei Jahren im vorletzten Winter überraschend verstorben war.
Bisweilen konnte man den Eindruck gewinnen, dass sie sich wünschte, für den Jungen eine Ersatzmama sein zu dürfen.
Nimmgalf beobachtete die Vorgänge auf der Burg mit großer Zufriedenheit. Er war sehr glücklich darüber, sowohl vom Gesinde, als auch von der Bevölkerung des nahe bei gelegenen Städtchens Samlor bereits als „der junge Herr Baron“ aufgenommen worden zu sein. So würde der Übergang der Herrschaft über Hirschfurten reibungslos von statten gehen. Ihm war es wichtig, dass die Menschen ihn akzeptierten, ohne dass man ihm nachreden würde, sich in ein bereits gemachtes Nest zu setzen, und es hatte den Anschein, als sei er auf dem besten Weg dieses Ziel zu erreichen. Aber auch düstere Gedanken plagten ihn bisweilen. Dem Onkel war es in den letzten Tagen wieder schlechter gegangen. Die Medici hatten Nimmgalf in einer stillen Stunde eröffnet, dass ihm nur mehr wenige Monde, vielleicht gar nur noch Wochen blieben. Nimmgalf schämte sich ein wenig dafür, dass er dem alten Mann in den letzten Jahren so wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Er hatte sich vorgenommen, dies in der wenigen Zeit, die dem Onkel noch blieb, so gut es ging noch nachzuholen.
Hin und wieder dachte er auch über Simiona und seine kleine Tochter Racalla nach, die immer noch bei ihr war. Er ersehnte sich eine Möglichkeit, sie aus Simionas Klauen zu entreißen, aber so etwas müsste gut geplant und fehlerfrei durchgeführt werden, wenn es Erfolg haben sollte. Er hatte bereits erste Gespräche mit der Traviakirche aufgenommen, ob eine Trennung seines Traviabundes mit Simiona möglich sei. Als Grund hatte er familiäre unüberwindbare Differenzen angegeben. Die wahren Gründe hatte er wohlweißlich verschwiegen, denn wie hätte er es auch erklären sollen? Selbst das Bezeugen der Dämonenattacke auf ihn im letzten Rahja durch seine Freunde hätte ihn nicht weiter gebracht, denn wie sollte er eindeutig belegen, dass Simiona dafür verantwortlich war? In seinem Innersten wusste er es zwar, aber beweisen konnte er es nicht.
So sinnierend stand er an einem der Fenster im großen Rittersaal und beobachtete das Treiben in der Burg und im Hof. Plötzlich kam Trubel auf. Eine herrschaftliche Kutsche war vorgefahren und passierte gerade das Burgtor. Nimmgalf erkannte sie sofort, es war die Kutsche von Graf Danos. Offenbar wollte sich der Graf mit ihm und seinem Onkel besprechen.
Sofort lief er die Treppen herunter, schließlich wollte er seinen Freund und künftigen Lehnsherren persönlich in Empfang nehmen und begrüßen.
Als er im Burghof ankam, öffnete der Kutscher gerade die Türe. „Danos! Welch unerwarteter Besuch. Ich freue mich sehr, dass…“ in diesem Moment erblickte er den grazilen Damenstiefel, der sich soeben aus der Kutsche schob. Nun erkannte er auch, wem er gehörte. „E…Ederlinde? Aber, was…“ dann besann er sich kurz und zog es vor, vor den Umstehenden die Form zu wahren: „Ich wollte sagen: Willkommen auf Burg Trollhammer, Euer Edelhochgeboren!“ Er verbeugte sich höflich.
Ederlinde lächelte ihn an und hielt ihm die rechte Hand zum Handkuss hin, den Nimmgalf dezent ausführte. Dabei machte sie einen leichten Knicks. „Oh, so galant heute, Euer Hochgeboren? Praios zum Gruße! Eine hübsche Burg habt Ihr, das muss man Euch lassen.“. Auch sie verstand sich meisterlich auf das vornehme Spiel bei Hofe. Sie blickte sich um und begutachtete das Innere der mächtigen Burgmauern.
Währenddessen setzte der Kutscher behutsam ein etwa fünfjähriges Mädchen aus der Kutsche auf den Boden. Ederlinde rief sie zu sich und fasste sie an der Hand: „Darf ich vorstellen? Meine Tochter Irnfrede von Luring.“ Zu ihr gewand sagte sie leise: „Begrüß den Baron von Hirschfurten artig, ja?“ Die Kleine trat schüchtern ein paar Schritte vor. „Pra...Praios zum Gruße, euer Hochgeboren“, sagte sie.
Nimmgalf lächelte sie an und ging vor ihr in die Knie, so dass er auf Augenhöhe mit ihr sprechen konnte: „Praios zum Gruße, kleine Irnfrede.“ Dabei streichelte er ihr zärtlich über das Köpfchen und ihr hellblondes Haar. „Na, du bist aber ein hübsches Mädchen.“
Die Kleine lächelte ein wenig schüchtern. „Danke“, antwortete sie.
„Möchtest du mal meinen kleinen Sohn Randolf kennen lernen? Er ist noch ein bisschen jünger als du. Ich glaube, er spielt da hinten im Stall.“
Die kleine Irnfrede nickte erfreut und blickte ihre Mutter fragend an. „Na los, geh schon.“ lächelte sie. Erfreut lachend lief das Mädchen los.
„Also dann“, ergriff Nimmgalf wieder das Wort, während der Kutscher die Karosse in de Remise fuhr „was verschafft mir die Ehre Eures Besuches in meinem jetzigen Domizil, werte Ederlinde?“
„Oh, ich würde mich gerne ein wenig bei Euch ausruhen, bevor wir die Dinge ausführlich besprechen, die mich an diesen Ort führten, wenn es Euch recht ist.“
Nimmgalf blickte sie einen Augenblick lang etwas skeptisch an. Hatte sie vielleicht vor, länger zu bleiben? Nun ja, ein zwei Tage wären sicher kein Problem. Aber was wollte sie bloß von ihm? Er war ja nun doch neugierig geworden, aber dies musste scheinbar noch warten.
„Aber selbstverständlich, meine Teuerste. Mein Haus sei Euer Haus. Kommt doch bitte herein.“ Er bot ihr den linken Arm, und geleitete die Dame hinein in das große Burgpalais.
