Geschichten:Gefährliche Wahrheiten - Teil 9

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Ein großes Gasthaus an der Strasse -Eslamsgrund-


Claudio hob den schweren, mit Wein gefüllten Pokal und sah seine beiden Gäste an. „Ich hoffe, die schlichte Note, die dieses Wirtshaus unserer Siegesfeier verleiht, trübt keinesfalls eure Stimmung. Ich denke wir haben hier unsere Ruhe.“

Er deutete ausladend auf den großen und ansonsten leeren Saal, den er für diesen Abend gemietet hatte. Man wollte schließlich unter sich bleiben.

Simiona lächelte verführerisch. „Keine Bange, isch fü`le misch `ier rescht wo`l.“

Auch der dritte Horasier nickte bestätigend. „Es schafft zwar eine sehr schlichte und bäuerliche Atmosphäre, aber nun gut; wir sind eben nicht in Vinsalt.“

Claudio brachte nun den Trinkspruch aus. „Auf uns und vielmehr unseren Triumph über die schlichten und einfältigen Gemüter dieser Lande. Auf das dies nicht unser letzter Streich gewesen sei.“

Alle tranken von dem herben Weißwein und schließlich nahm der Vogt des Barons von Gallstein wieder Platz.

„Was werdet Ihr nun tun, Andriano?“

Der etwas ältere Mann lächelte spitzbübisch. „Ich weiß noch nicht. Vielleicht kehre ich in die Heimat zurück. Möglicherweise bleibe ich noch ein wenig hier, denn bis jetzt hat mir mein Aufenthalt in Garetien und Greifenfurt eine Menge Geld beschert. Ich hoffe doch Ihr wart mit meiner Darbietung zufrieden.“

Claudio stellte den Pokal ab, während der Wirt die erste Platte mit Speisen herein trug. Wenn man schon im Hinterland feiern musste, so sollte es einem wenigstens an Speis und Trank nicht fehlen.

„Es war hervorragend, geschätzter Andriano, genau wir Ihr, liebste Comtessa.“

Die Angesprochene nickte anerkennend bei diesen Worten und fuhr sich lässig durch ihr goldenes Haar. „Oui, dieses Kompliment kann isch Eusch nur zurückgeben, Monsieur.“

„Zu schade, dass ihr das Gesicht des Schreiberlings auf der Flucht aus dem Wald nicht gesehen habt. Er hatte die Hosen gestrichen voll und hat mir praktisch aus der Hand gefressen.“

„Und erst als isch i`m in We`r`eim einen kleinen Bolzen um die O`ren geschossen `abe. Da ist er wo`l schneller gerannt als jemals zuvor in seinem Leben. In Greifenfurt `ätte der dumme Tropf misch beina’e erkannt. Aber zum Glück `atte misch Euer Freund Andriano gut zurescht gemacht. Er verste`t sisch wa’r’aft gut auf die Kunst des Verkleidens.“

Der Hochstapler neigte demütig sein Haupt und griff nach einer Scheibe dunklen Brots. „Ich denke, jeder von uns hier ist ein Meister auf seinem eigenen Gebiet. Außerdem wisst Ihr sicherlich wie ich eine gute Scharade jederzeit zu schätzen.“

„Rescht ’abt I`r! Aber isch frage misch, wie es nun weiter ge`en wird?“

Claudio lehnte sich kurz zurück und warf einen Blick in das im Kamin prasselnde Feuer. „Wir sollten wie besprochen erst einmal abwarten. Mal sehen was unsere Spielsteine nun unternehmen. Ich kann mir vorstellen, dass weder die hochnäsigen Pfortenritter, noch die blutigen Pulethaner begeistert sein werden, wenn ihnen die Gerüchte über einen Attentäter im Dienst des Pfalzgrafen zu Ohr kommen.“

Simiona räusperte sich und nahm einen weiteren Schluck Wein. „Wir müssen unsere ’andlungen an die Reaktion dieser beiden Gruppen von Chevaliers anpassen. Niemand kann vor’ersagen, was die `erren unterne`men werden.“

Andriano kaute genüsslich und zuckte unbeteiligt mit den Schultern.

„Da habt Ihr Recht, liebliche Comtessa“, fuhr Claudio fort. „Wir werden eine Weile warten müssen. Aber gestattet mir noch eine bescheidene Frage: Warum habt ihr Euch ausgerechnet den Reichsgauer Pfalzgrafen zum Opfer auserkoren? Es ist natürlich eine gute Wahl, sonst hätte ich mich dagegen verwehrt; aber sagt doch: warum er?“

Simiona lächelte dämonisch: “Das, mon ami, wird noch eine petit surprise. Jedenfalls war der gute Bernfried mir direkt symp`atisch, nachdem isch seine Visage im Adelscalendarium gese`en `abe. Da wusste isch einfach: das ist er.“

Claudio lächelte und begann nun auch zu essen. Erst etliche Stunden später war das Festmahl beendet.

„Es war einfach köstlisch, Claudio!“ Die Comtessa tupfte sich gerade mit einem Spitzentüchlein die Mundwinkel ab und lächelte ihn an. Dabei streifte sie langsam ihre Schuhe ab und begann mit ihrem Fuß unter dem Tisch seinen Unterschenkel zu streicheln. Claudio zog scharf die Luft ein. „Isch frage msich se`r wo`l, ob i`r auf allen Gebieten der schönen Künste so `ervorragende Leistungen bringen könnt.

„Werte Comtessa, seid versichert, dass ich ein sehr vielseitiger Mann bin. Stets zu Euren Diensten.“ Er neigte spielerisch den Kopf und lächelte selbstsicher.

Sie zog die Schuhe wieder an. „Jedenfalls `at misch das Essen ein wenig ermattet. Isch denke, isch werde misch nun zurückzie`en. Falls I`r misch noch mal konsultieren wollt, Monsieur, so wisst I`r ja, wo I´r misch finden könnt.“ Damit erhob sie sich und ging auf ihr Zimmer, jedoch nicht ohne den Herren und vor allem Claudio noch einen verheißungsvollen Blick zuzuwerfen.

Claudio di Conserrano sah der Comtessa, die auf ihrem Zimmer verschwand noch einige Zeit nach und schreckte auf, als Andriano ihm die Hand auf die Schulter legte.

„Lass es, alter Freund. An diesem Weib wirst du dir nur die Finger verbrennen. Obwohl ich verstehen kann, warum du es in Erwägung ziehst.“

Der Vogt lächelte und nickte seinem alten Freund zu. „Vielleicht hast du Recht. Ich glaube, es ist noch unklar, wer sich an wem die Finger verbrennen wird. Aber nachdem der Baron von Gallstein sein kleines Flittchen nun an einen hohen Herrn aus der Familie Hartsteen verschachert hat, ist mir ehrlich gesagt ein wenig langweilig. Es ist eine Schande, denn die Kleine hatte wirklich Feuer im Blut und einen wachen Geist dazu.“

Andriano nahm Hut und Gehstock von einem Diener entgegen und setzte die mit Federn geschmückte Kopfbedeckung auf. „Eines Tages wird eine Frau dein Untergang sein, lieber Freund. Merke dir meine Worte und bedenke sie gut.“

Lachend winkte der Vogt ab. „Habe Vertrauen in meine Fähigkeiten, so wie früher. Als wir noch zusammen durch Vinsalt streiften.“

Schon im Gehen begriffen hielt Andriano noch einmal inne. „Es ist spät, aber ich werde dennoch aufbrechen. Sag mir nur eins: warum dieses Attentat auf die Edlen?“

Claudio schwieg und niemand hätte aus seiner Miene etwas ablesen können, bis auf einen Mann; und gerade dieser stand nun vor ihm.

Ein breites Grinsen zeichnete sich auf das Gesicht Andrianos, dann begann er schallend zu lachen. „Das glaube ich einfach nicht, Claudio. Was ist bloß aus dir geworden? Du wolltest den Pulethaner-Rittern nichts antun. Die waren nur zufällige Opfer. Nur einen einzigen Mann der gesamten Jagdgesellschaft hast du töten wollen, nicht wahr? Den Baron von ...“

Der Vogt legte den Zeigefinger auf seine Lippen. „Nicht so laut, mein Freund. Ich habe die Leute hier zwar ordentlich bestochen, aber bei dem garetischen Gesindel weiß man nie.“

Grinsend drückte Andriano seinem Gefährten die Hand zum Abschied und verließ das Gasthaus.

Kopfschüttelnd stieg er auf sein Ross und preschte los. Alles nur wegen einer Frau...


ENDE