Geschichten:Gerüchte aus der Wildermark
In einem kleinen Weiler bei Horeth, Anfang ING 1028 BF.
Das schäbige kleine Gasthaus in der Nähe der alten
Zollstation war voll wie schon lange nicht mehr. Nun
gut, das hatte nicht viel zu bedeuten, lagen die
letzten Schlachten doch noch nicht allzu lange zurück
und hatte man den Jahrhundertwinter gerade erst
überstanden. Aber immerhin, es war das erste Mal seit
Monden, dass Arion sich mit den Ellenbogen einen Weg
bahnen musste, um ihr Ziel zu erreichen.
Schließlich aber erhaschte auch sie einen Blick auf den ausgemergelten Mann mit dem verdreckten Umhang, der in der Mitte des kleinen Schankraumes stand. Einen besonders schönen Anblick bot er nicht gerade, aber was er zu erzählen hatte, das war die Aufmerksamkeit allemal wert! Der Fremde kam wie's schien gerade aus den Gebieten des ehemaligen darpatischen Fürstentums. Der erste Reisende seit langem... . Und dann gleich mit einer solchen Geschichte!
"Du lügst doch, Mann!", begehrte der fette Rumpo gerade auf. "Nein", die Stimme des Fremden klang heiser, aber er sprach sehr deutlich, "Ich schwöre es, bei allem was mir heilig ist!" Ein Raunen ging durch die Menge. "Und wer soll das gewesen sein, der euren Marschall in den Karzer gesperrt hat?" Der Darpatier fasste sich an den Hals und gab ein paar krächzende Laute von sich. "Gib ihm schon einer was zu trinken!", die kleine Stine überschlug sich geradezu vor Diensteifer.
Kurze Zeit später hielt der Reisende einen Humpen mit gestrecktem Bier in den Händen. "Es war der Herr Gerdan von Moorweiher. Der neue Herr drüben in der Pfalzgrafschaft Brücksgau." "Und der kann einfach so einen Marschall gefangen setzen?", Rumpo wollte sich noch nicht zufrieden geben. "Natürlich nicht. Aber er hat einen Befehl gehabt. Von ganz oben." "Von ganz oben? Was soll denn das heißen? Von wem genau?" Der Darpatier setzte eine wichtige Miene auf und trank erstmal einen großen Schluck.
"Ich sage es Euch: Der Befehl kam von Alrik von..." "Und weshalb haben sie ihn eingekerkert?", Arion konnte nicht mehr an sich halten, "Ich dachte der alte Fuchs wäre so schlau?" "Es heißt er hat gemeinsame Sache mit den Reichsverrätern Leomar und Answin gemacht. Kein Wunder, bei seinem Weib. Das war doch auch so eine verquere Rabenmunderin. Hab' gehört die soll neulich erst in der Schlacht... ." Der Rest seiner Worte ging im aufgeregten Getuschel seiner Audienz unter.
Dem Fremden schien es gar nicht zu gefallen, dass er plötzlich nicht mehr im Mittelpunkt des Geschehens stand und so hob er seine Stimme, als wäre er nie heiser gewesen. "Außerdem soll er Gelder veruntreut haben. Würd' mich ja nicht wundern. Ist noch gar nicht so lange her, dass sie drüben bei uns ein paar Kaiserliche wegen Plünderei hingerichtet haben. Die armen Schweine haben sicher nur Hunger gehabt." Und wieder setzte das Gemurmel ein. Der Darpatier gab sich nun doch geschlagen. Mit einem unwilligen Brummeln ließ er sich auf einen hölzernen Schemel sinken und hob den Bierkrug an seine Lippen.