Geschichten:Gesindel - Rahja
15. Hesinde 1042 BF Gramloh
Dabatti und der Bursche luden noch die letzten Waren vom Karren ab um Sie unter zustellen. Seit nun mehr zwei Wochen fuhr sie für den Schlossherren nach Gareth und zurück um von verschiedenen Händlern dies und das was der feine Herr so braucht für sich und die Baustelle zu besorgen. Krämerwaren, Gemüse, Wein. Wie ein Magdweib kam sie sich vor.
"Dabatti, morgen musst du von Turre Horaldsson drei Dutzend Eisenbarren abholen. Er hat seine Schmiede unweit des Ingerimm Tempels. Du musst bis zur Praiosstunde bei ihm sein, also trödel nicht schon wieder." Sie nickte und setzte sich wieder auf den Bock.
Trödeln, dachte sie sich und grinste.
Wenn du wüsstest, du einfältige Knollnase. Du kannst mich mal.
Aber eigentlich das passte ihr das doch ganz gut.
Die Fahrt dauert mit dem Karren ungefähr bis Mittag. Bis nach Rosskuppeln etwas länger. Dort dann noch die Ochsen tauschen und direkt zurück. Aber mit leeren Taschen. Sie klopfte auf den Kutschbock.
Zieht man an der Seite einen der hölzernen Zapfen aus dem Rahmen, lässt sich das Stirnholz der Bohle beiseite schieben.
Unter ihrem Hintern befand sich ein Ballen mit feinster Al'Anfaner Seide. Nicht, dass man die in Gareth nicht bekommen könnte. Und eigentlich war es ihr auch egal, trotzdem kam sie nicht umhin sich vorzustellen wie sie darin gehüllt auf einer feinen Liege in irgendeiner Villa liegt, mit süßen Früchten gefüttert wird. Der Warme Sommerwind umspielte ihren Körper, die Seide fliegt um sie herum. Der süße geharzte Wein beseuselt sie langsam. Und die kräftigen Hände eines jungen Adeligen gehen darunter auf Wanderschaft. Gott wie lange war es her, das sie Rahja zuletzt gehuldigt hat. Sie sehnte sich nach der Wärme und einem kräftigen Mann. Auf Streicheleien war sie nicht aus. Wenn sie das wollte könnte sie einfach nach Rosskuppeln zurück und sich vom kleinen Gero bezirzen lassen. Sie brauchte einen Mann. Stark wie ein Bär und hart wie ein Lanzenreiter, träumte sie vor sich hin. Es dauerte einige Augenblicke bis sie realisierte, dass das einzig harte was sie aktuell spürte die Bank des Kutschbocks war und das Rumpeln mit Nichten kraftvolle Stöße sondern das Kopfsteinpflaster. Sie strich sich die nasse Strähne aus dem Gesicht hinter die Ohren und zog die Kapuze tiefer.
Rybold stand am Wegesrand um den Ochsen am Geschirr in den Loh zu ziehen. "Kommt Fräulein Dabatti. Wir haben Eintopf und ein Huhn gemacht."
"Danke Rybold. Bitte gebt dem Ochsen noch Wasser und etwas Heu. Ich muss Morgen noch vor dem ersten Hahnenschrei los."
"Darf ich euch begleiten Frau Dabatti? Ich würde Walda gerne wieder sehen."
"Was sagt denn der Zwerg dazu Rybold?"
Er drehte sich zur Seite und verzog Gesicht beim Senken seines Hauptes. Das sah recht merkwürdig aus.
"Ich sag den anderen Sie sollen sagen ich wäre krank. Der Zwerg wird das schon glauben."
"Wenn du meinst, du kannst auf den Lohn verzichten." Sie zuckte mit den Schultern. "Die Familie bekommt ihren Anteil. Ob du was ab bekommst hängt alleine von dir ab." Rybolds Miene verfinsterte sich. Hass stieg in ihm auf. Am liebsten würde er sie und das ganze verlogene Diebesgesindel erschlagen. Aber er hatte sich für Sie verpfändet. Gehörte sozusagen ihnen. Er senkte seinen Kopf. "Ich weiß."
Dabatti war es egal, was mit ihm und dem anderen Gesindel passiert. Taugenichtse, vom Pech verfolgte Glücksspieler, Säufer und andere Traumtänzer die für ein paar schönen Stunden mit Weingeist, einem Lustknaben oder einem vermeintlich guten Boltanblatt ihr Leben weg schmissen. Das Gesocks trägt zu nicht unerheblichen Anteil zur Deckung der laufenden Kosten bei. Und mit dem richtigen Druckmittel schreckten Sie vor keiner noch namenlosen Schandtat zurück. Eigentlich war sie angewidert von Leuten wie ihm. "Morgen früh, noch vor dem ersten Hahnenschrei. Sei da oder lauf, mir is das einerlei."
Dann drehte sie sich um und ging in ihre Hütte. Die Tür knallte zu. Sie zog sich die schmutzigen Stiefel aus und reihte Sie am steinernen Ofen auf. Die lederne Kordel an ihrem Mantel und der Kaputze waren nass und aufgequollen und ließen sich nur mühselig öffnen. Sie warf ein paar dünne Scheite in den Ofen, blies ihn kurz an und lies sich dann rückwärts auf ihr Schlaflager fallen. Die Felle und die Tuche waren eiskalt. Deshalb kroch sie tiefer und tiefer unter ihre Wolldecken und schloss die Augen. Erschöpfung machte sich in ihr breit, dennoch kam sie nicht zur Ruhe. Unzählige Gedanken huschten vor ihren Augen umher. Äonen schienen zu vergehen ohne dass sie in Borons reich gleiten konnte. Anstelle dessen hoffte Sie, dass wenigstens Rahja Abhilfe schaffen konnte, und ihre Hände gingen unter der mittlerweile wohlig warmen Schlafstatt, in Gedanken versunken auf Wanderschaft.