Geschichten:Graf Geismar bringt die Fehde
Der Grafenwechsel in Hartsteen empört die ritterlichen Geschlechter
Die garetischen Rittergeschlechter befinden sich im Norden des Königreichs Garetien in gefährlicher Unruhe, seit Geismar II. von Quintian-Quandt überraschend die Nachfolge seiner Mutter Thuronia als Graf von Hartsteen angetreten hat. Weder die Art und Weise des Generationswechsels, noch das zweifelhafte Schicksal Thuronias, noch die fehdeartigen Ausschreitungen in der Grafschaft lassen eine Beruhigung in den kommenden Monden erhoffen.
Die Veränderungen kamen mit einer festlichen Aufbruchsstimmung: Im Praios schon hatten die Vorbereitungen zu einem großen Fest in der Grafschaft Hartsteen begonnen; 1000 Jahre existiert die Landschaft nun als eines der ältesten Lehen des Mittelreichs. Bis in diese graue Vorzeit können die Grafen von Hartsteen ihre Generationen an Vorfahren ununterbrochen zurückverfolgen und sich mit Fug und Recht „die ersten unter den Grafen“ nennen. Die Feier hat dennoch einen bitteren Beigeschmack für die Familie Hartsteen und die um sie gescharten Ritter: Auf dem Grafenthron sitzt heuer eine andere Familie, die Quintian-Quandts. Die seit über hundert Jahren schwelende Feindschaft der Familien ruhte, solange die mildtätige und friedenswillige Thuronia von Quintian-Quandt über das Hartsteener Feld herrschte.
Doch zum Festakt der 1000-Jahrfeier ist Geismar von Quintian-Quandt, Thuronias Sohn, als Graf inthronisiert worden, der sogleich den Lehnseid abgelegt hat und sich im Glanz des ritterlichen Festes sonnt. Einerseits scheint mit dem tatkräftigen und schlauen Geismar nun ein Mann an der Spitze Hartsteens zu stehen, dem die Dinge nicht derartig entgleiten wie seiner tsagläubigen Mutter, andererseits sind die Umstände von Thuronias Rücktritt vom Amt fragwürdig und zweifelhaft: Denn nicht sie, sondern ihr Sohn verkündete ihn; sie hingegen habe sich in ein Kloster zurückgezogen, wie schon lange erwartet worden war. Doch in welches? Auf eigenen Wunsch? Zu diesem Zeitpunkt? Außerhalb der Familie hat keiner mit der Altgräfin gesprochen. Bedenklich scheinen die Vorwürfe gegen Geismar auch deshalb zu sein, weil es das Gerücht gibt, dass seine Mutter die Erbfolge für die eigene Familie aussetzen wollte, um zu verhindern, dass ein Dreizehnter ihres Geschlechtes regierte. Noch jeden dreizehnten Grafen Hartsteens ereilte nämlich ein schlimmes Schicksal. Hat Geismar deshalb schnell gehandelt, ehe es für sein Erbe zu spät war?
Diese Frage beunruhigen sowohl das Hartsteener Bäuerlein als auch die Ritterin aus der ritterlichsten der garetischen Landschaften. Für die Familie derer von Hartsteen hingegen steht fest, dass erstens dieser Geismar ein Unruhestifter und Mutterverräter ist, dass zweitens die Waffenruhe endgültig vorüber ist und dass drittens – und vor allem – wieder ein Hartsteen auf Harsteens Thron gehört. Den Fehdehandschuh warf das kommende Familienoberhaupt Luidor von Hartsteen zwar noch nicht, doch hielt er ihn gut sichtbar in der Hand, gleichsam als Signal für seine ritterliche Gefolgschaft.
Diese ritterlichen Gefolgschaften sind es auch, die nun langsam, aber sicher außer Rand und Band geraten: Erste Duelle – trotz des Reichslandfriedens kaum verheimlicht – forderten bereits die ersten Toten; ein Rittergut mitsamt den Unterhalt sichernden Feldern, Scheunen und Ackergeräten wurde ein Raub der Flammen; was an Turnieren bestritten wird, gleicht mehr und mehr echten Kampfeshandlungen und weniger ritterlichem Spiel. Bisher halten sich die Angehörigen der verfeindeten Familien Quintian-Quandt und Hartsteen noch zurück und lassen ihre Gefolgsleute den Anfang machen. Da aber bisher die Krone nicht eingegriffen hat, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das alte garetische Fehdewesen wieder Einzug in die Lebenswirklichkeit Hartsteens hält.
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