Geschichten:Gramfelden - Er hatte recht

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Gramaue, 30 Efferd 1042 nahe der Gramwacht

Balsox und Konnar packten ein paar Seile sowie einen Schleifstein ein und schulterten jeweils eine gut geschärfte Axt. Dann brachen sie von der Gramwacht in Richtung Brache auf. "Der Gedanke, die Brache gegen sich selber zu nutzen geht mir nicht aus dem Kopf," sagte Balsox. "Es kann doch nicht sein, dass in dieser verdammten Ecke nichts nutzbar ist." Konnar kaute indes auf seinem letzten bisschen Kautabak herum und schaute dem düsteren Wald entgegen. "Mein Tabak is bald alle. Wir müssen mal wieder nach Gareth. Ich kanns mir eigentlich nicht vorstellen, das wir überhaupt nichts finden was man nutzen kann.  Wir haben schon so viel niederhöllische Scheisse gesehen, da sieht der Wald doch ganz einladend aus." Er drehte dabei unentwegt den Stiel seiner Axt, die er geschultert hat, in der Hand. "Wird schon schief gehen Kartoffelnase". Etwa fünfzehn Schritt von dem kleinen Trampelpfad der sich zwischen der Gramwacht und dem obersten Zipfel von Neu-Auenwacht befand, standen zwei Bauern und reparierten einen Zaun. Sie steckten dabei die Köpfe zusammen und unterhielten sich leise. Konnar und Balsox schauten teilnahmslos zu ihnen herüber und hebten je einen Finger zum Gruß. Da rief ihnen einer der Bauern etwas zu. "Haltet euch von den Buchen fern, dann kommt ihr vielleicht wieder. Praios und Rondra mit euch werte Herren." Konnar und Balsox hoben jeweils eine Augenbraue und grinsten. "Abergläubisches Gequatsche" raunte Balsox etwas verächtlich. "Und, ganz ehrlich, für mich sieht eh jeder Baum gleich aus." Sie gingen weiter und hielten auf die Brache zu, bis sie etwa einhundert Schritt vom Waldrand entffernt eine kalte feuchte Briese vernamen. Verwunderlich, wo doch das Wetter trotz fortschreitendem Herbst sehr angenehm war. Der Himmel war blau, nur ein paar Wolken schoben sich über den Himmel und die Praisoscheibe war noch kraftvoll für die Jahreszeit. Die eisige Böhe wandte sich um die Beine der beiden und kroch förmlich an ihnen hinauf um sich dann wie ein Schal um ihre Hälse zu legen. Das ist nur der Wind. Im Schatten der Bäume wird er weg sein dacht sich Konnar, dennoch schauderte es ihm.


Die Bäume der Brache sahen aus wie jeder andere Baum auch in Garetien. Einige Bäume hatten bereits Teile ihres Laubwerks abgeworfen, andere strahlten in warmen herbstlichen Farben. Auf dem Waldboden lagen überall Laub, Zweige und vereinzelte Eckern herum. An den Stellen an denen die Praiosscheibe ein paar Lichtstrahlen durch die Kronen warf, bedeckten Mose und Farne den Boden. Die Luft wurde durch den Duft von frischem Laub und feuchtem Holz durchströmt. Und dennoch umgab alles irgendwie eine Aura von Verderben und Verwesung. Jeder Baum, jeder Busch und jeder Grashalm. Die beiden schritten Seit an Seit in den Wald und tatsächlich schwachte die eisige Böhe ab. Als ob sie wie ein Köder für alles herum laufende wirkte, begann in ihnen ein Gefühl von Wärme aufzusteigen die nicht unangenehm war. "Spürrst du das Konnar?"  Er nickte. Er fühlte sich, als ob der Wald mit ihm sprechen würde. Er will mich hier haben dachte er sich. Und gleichzeitig spüre er den Hass der alles hier umgibt. "Als ob wir hier sein sollten und gleichzeitig weit weg."

Sie waren nur etwa fünfzig Schritt in die Brache hinein gegangen, aber der Wald war dicht wie der Urwald von Maraskan. Balsox dreht den Stiel seiner Bartaxt in den Händen und blieb stehen. "Keine Lust länger zu suchen, sehen eh alle gleich aus, wir nehmen den hier." Er stand vor einem etwa zwei Hand breiten Baum mit leicht mosiger Borke. Er stand noch recht gut im Saft. Rings herum war ausreichend Platz, dass man ihn gezielt fallen lassen könnte. Der Boden war eben. Der Baum würde sich sogar geteilt in zwei gleichgroßen Hälften recht gut als Palisade oder Stütze für einen Turm eignen. "Mit einem Gaul ziehen wir ihn gleich raus, das sollte passen." "Ja, und nu hau ihn um. Gleich ist Rahjastunde und ich will ins Dorf essen. Mein Magen knurrt wie verrückt", sagte brummte Konnar. Balsox holte mit der Axt aus und hieb auf den Stamm ein. Das Blatt der Axt bohrte sich in die Borke. In dem Augenblick ging ein Zucken durch den Wald. Es wirkte, als würde der Baum sich winden, um Hilfe rufen, doch der Wald war stumm außer dem Rauschen der Blätter. Balsox hieb ein weiteres mal auf die Stelle ein und schnitt eine etwa zwei Finger breite Spalte aus dem Stamm. Ein dünner Rinnsal einer klaren Flüssigkeit lief aus der Schnittstelle, rann den Baum hinab in den Boden. Die Flüssigkeit, man hätte sie für Wasser oder Baumsaft halten können. Doch von ihr strömte ein übler Geruch von Verwesung aus und die beiden rümpfen sich die Nase. "Bah was ist das denn für ein Dreck? Komm mach weiter." Balsox hieb ein weiteres mal auf den Baum ein, so dass der ganze Baum samt Krone anfing zu wackeln. Ein Eichhörnchen oder was man dafür halten könnte sprang aus der Krone heraus in einen anderen Baum. Die Axt schnitt sich mit jedem Hieb weiter und weiter in den Baum hinein, bis dieser von einem Augenblick auf den anderen begann an der Schnittfläche bräunlich fast schwarz zu werden. Die Flüssigkeit, die weiter aus dem Stamm rinn, wandelte sich in eine schwarze Brühe, stinkend wie Pech und Leichen. "Was is das denn?" fragte Balsox und kratze sich am Kinn. "Keine Ahnung, sowas hab ich auch noch nicht gesehen, aber mach weiter." Der Baum war nun etwa bis zur Hälfte geschlagen und Balsox wollte sich auf die andere Seite begeben um ihm den Rest zu geben, da stolperte er beinahe über eine Wurzelschlinge in die er wohl getreten sein musste. Er konnte aber noch gerade so die Balance halten. Konnar musste über das Ungeschick des Angroscho lachen und ging einen Schritt auf ihn zu. Er hatte es zumindest vor, stolperte aber selber beinahe über eine Wurzel, die wie aus Geisterhand vor seinen Füßen aus dem Boden heraus ragte. "Arrgh, was ist hier los?" schrie Konnar der aus dem Augenwinkel so gerade noch bemerkte, dass eine weiter Wurzel aus dem Boden kroch und sein Bein zu packen versuchte. Balsox wurde im selben Augenblick ebenfalls von einer Wurzel gepackt und herum gerissen. Diesmal konnte er seine Stand nicht mehr halten und fiel auf den Rücken. Weitere Wurzeln ragten nun aus der Erde und versuchten den Zwerg an den Boden zu fesseln. Balsox schrie und hieb wild mit der Axt umsich, da seine Arme noch frei waren. Konnar hatte noch festen Stand und hieb ebenfalls mit der Axt um sich. Eine Wurzel, die sich um sein Fußgelenk gewunden hatte konnte er noch gerade so abschlagen. Sie hing jedoch weiter wie ein Fußreif um sein Bein herum. Panik machte sich bei dem Gjalskerländer breit. Wer oder was war das. War es das, was die beiden Bauern meinten. Wie in Praios Namen kommen sie hier nur wieder raus? Balsox schrie weiter. "Konnar, es hat mich gepackt und zerrt an mir. Es will mich in den Boden ziehen. Da macht Konnar einen Satz herüber zu seinem Freund und zielte mit der Axt auf Balsox Kopf. Balsox machte große Augen und er schrie. "Neiiiin". Die Axt sauste durch die Luft in Richtung des Kopfes. Und schlug nur weniger Finger entfernt vom rundlichen Kopf des Zwerges in den Boden ein, wobei sie eine Finger dicke wurzel durchtrennte die sich soeben um den Hals des Zwerges winden wollte. Ein weiterer gezielter Schlag befreite Balsox Rechte die nur Augenblicke vorher gepackt wurde, so dass er die Axt nicht mehr führen konnte. Der Zwerg schlug auf eine Wurzel ein, die sein linkes Bein umschlugen hatte. Nur noch eine Wurzel trennte ihn von der Freiheit. Konnar tänzelte derweil um den Zwerg herum und versuchte den weiteren, aus dem Boden hervor kriechenden Wurzeln auszuweichen wobei er mehrere Hiebe in den Boden machte und ein paar der niederhöllischen Wurzeltentakel durchtrennte. Im selben Augenblick als Balsox sich der letzten Wurzel entledigen konnte griff Konnar den sich noch immer auf dem Boden windenden Zwerg am Schlawittchen und zog ihn weg von dem Baum.

"Komm schnell, beeil dich. Wir müssen hier raus". Der Zwerg erhob sich vom Boden, die Wurzeln die in immer näheren Abständen zu ihm aus dem Boden ragten im Blick. Dann rannten sie los. In vollem Sprint in Richtung Gramfelden, den Schrecken hinter sich lassend, genau wie die Hoffnung die Brache zu roden. Gebückt in vollem Lauf stolperten sie durch das kurze Stück Wald, die Wiese vor Augen.

In dem Augenblick als sie das Dickicht verlassen hatten und auf die Wiese liefen, stolperten sie nahezu gleichzeitig über ein paar Graßbüschel und machten ein paar Rollen durch das gelbliche Graß bis sie auf dem Rücken liegen blieben. Völlig erschöpft rangen nach Luft.

Wort für Wort jappste Konnar, "Ich - habe - ja - schon - viel - Scheisse - erlebt." Es folgte eine etwa drei Atemzüge lange Pause, "aber dieser - Mist hier - ist mal - was anderes. - Der Wald lebt. -" Nach einer weiteren Atempause schnaufte er durch. "Das wird Korwin nicht gefallen. Die Bäume sind verflucht."

Konnar bemerkte, dass er noch immer die Wurzelschlinge, die er durchtrennen konnte am Bein hängen hatte. Die Schnittfläche war pechschwarz und stank erbärmlich. Er wollte sie gerade vom Bein abnehmen als sich eine Wolke am Himmel vorbei schob und die Praiosscheibe preis gab. Die Sonnenstrahlen die sie auf die Wiese niederschien, liesen die Wurzel augenblicklich welken. Sie schrumpelte in Bruchteilen eines Augenblick zu einem dünnen fauligen Etwas zusammen und die beiden erschraken und blickten sich verwundert an. "Nich anfassen, nimm die Axt und mach es ab, dann schieb sie drunter und balancier es." Sie standen auf, Balsox balancierte das braune wurmförmige etwas auf dem Blatt seiner Axt über die Wiese, da bemerkte er, dass das gesamte Blatt seiner Axt mit einem schwarzen Schleier überzogen war, der das Metall angriff und zu zersetzen schien. Die Axt war so schartig, als hätten sie versucht einen Steingolem zu zerhacken. Konnar hob seine Axt und er blickte ebenfalls auf das Blatt, das keinen Deut besser aus."Scheiss, ob wir die nochmal wieder hin bekommen?" Wenige Schritte vor der Wacht kam ihnen Korwin entgegen und stemmte die Arme in die Hüften. "Wo wart ihr beiden denn?"

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"Er hatte recht!" sagte Balsox und warf den verschrumpelten Rest der Wurzel auf den Boden.