Geschichten:Gramwacht - Das Ungetüm

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15. Tra 1043 BF irgendwo zwischen Hartsteen und Gramfelden

Innerliche verfluchte er Efferd für das furchtbare Wetter im Travia. Es war kalt, nebelig und es nieselte leicht, während er seit etwa drei Wassermaß unterwegs war. Wobei es auch vielleicht nur zwei waren, denn die Straße rumpelte so sehr, das ohnehin kaum ein Tropfen in dem Stundenglas verblieben wäre, wenn es oben offen wäre und er eins hätte. Sein Bein schmerzte ihn bei dieser Witterung besonders. Es wirkte noch steifer als sonst. Dazu kam, dass sein Hintern förmlich vom Kutschbock und dem Kopfsteinpflaster weich geklopft wurde. Er war nicht traurig, dass Meisterin Schindel ihre Beziehungen zu den Hartsteener Steinbrüchen spielen lassen konnte, damit dies die letzte Tour in diesen turbulenten Zeiten war.

An nahezu jeder Ecke gab es kleinere und größere Scharmützel. Kaisermärker die sich noch vor kurzen für ihre Brüder aus Schlund ins Schwert gestürzt hätten, schlugen auf eben diese ein, Reichsforster ermordeten Hartsteener und umgekehrt und alle durcheinander. Die göttliche Löwin wolle Blut sehen, erzählte man sich, und sie sah es reichlich.

Bisher war Gramfelden von den Wirren verschont geblieben. Auch wenn es in einigen Ecken zur Grenze zum Reichsforst versprengte Marodeure bis über die Goldene Au in Richtung Eslamsweg geschafft haben. Die Nähe zur Brache erwies sich allen Ernstes das erste Mal seit unzähligen Monden als vorteilhaft, was sogar seine Baumeisterin ungeschönt zugeben musste. Niemand ging dort freiwillig hin, wenn er nicht musste. Aus den anderen Wachten hatte er auch nicht viel anderes gehört, obwohl die familiären Verbindungen an ein oder anderer Stelle über das Mittelreich verstreut zu Spannungen führen musste. Aber das ging ihn nichts an.

"Haaaaaaaalt" schallte es von vorne. Drei Wagen, etwa ein halbes Gros Schritte vor ihm standen ein paar Männer in zerschlissenen Waffenröcken vor den Wagen und hielten die Ochsen am Zaumzeug. "Stehenbleiben ihr Schnuckelchen! Wen haben wir denn hier?"

Korwin vernahm die Stimme von Meisterin Schindel, die auf dem ersten Wagen auf dem Kutschbock Platz genommen hatte. Bruchstücke von Wagentreck, Steine, Gramfelden und Harsteen wehten ihm gegen den rauen Wind entgegen. Und ein Peitschenknall. Korwin erhob sich von seinem Kutschbock, die Kapuze noch tief in der Stirn.

"Was in zwölfgöttlichen Namen ist hier los?" Korwins Größe zusätzlich zum Kutschbock machten einiges her. War er schon etwas mehr als sechs Fuß groß, kamen durch den Karren nochmal drei Fuß dazu.

"Was soll das hier? Welcher von allen Göttern verlassene Schiss einer orkischen Schindmähre wagt es, meine Karren hier im Nirgendwo anzuhalten und mutet mir auch nur einen Augenblick länger dieses scheiss Wetter zu?"

Ein Pferd stob auf ihn mit einiger Geschwindigkeit zu. Im Sattel saß oder vielmehr wackelte ein ziemlich feister Reiter. Die Zügel in der einen, die Ursache des Peitschenknalls in der anderen Hand. "Welche mit einer Kutte verhüllte Stinknatter wagt es, meine Straßensperre in Frage zu stellen?" Der Reiter war etwa vier Schritt vor ihm zum Stehen gekommen. "Zeigt mir euer Gesicht Schlange!"

"Ihr wagt es…"

In diesem Augenblick knallte die Peitsche in der Hand des Reiters auf Korwins Brust und wehte seinen Mantel kurz auf, verletzte ihn jedoch nicht.

"Ihr wagt euch, mir Klabor Simming von Wingeren zu Wingertsheim Widerworte zu geben?"

"Wer seid ihr, dass ihr euch wagt, einen Wagenzug von Korwin Argaen Waldsaum von Gramfelden auf dem Weg zur Brachenwacht aufzuhalten? Einen Gefolgsmann des Marktvogts und treuer Beschützer der Kaisermark?"

Er wusste, dass er etwas dick aufgetragen hatte, bestand seine Leistung aus Gründen mangelnder finanzieller und personeller Möglichkeiten aktuell doch eher aus Anwesenheit denn aus tapferen Heldentaten, aber das konnte sein Gegenüber ja nicht wissen.

"Und ihr seid dieser Waldsaumer von Gramweiden?"

Lachte der feiste Reiter ihm entgegen?

"Hab noch nie von euch gehört, geschweige denn von eurer Suppe." Er räusperte sich und schluckte auf, da ihm vermutlich durch das wilde Gehopse im Sattel die Mischung aus Wein und fettem Fleisch nicht bekam. "Sippe!", lachte er erneut, "Habt ihr das gehört Männer? Dieser edler Herr hier, Gefolgsmann des Marktvogts?", lallte er. "Das ich nicht lache. Pass auf Freundchen. Wer Geschäfte mit diesen verhurten Hartsteenern macht und gleichzeitig die Dreistigkeit beweist und unseren werten Marktvogt mit ins Geschehen zu ziehen ist entweder ein Lügner oder ein Heuchler und ganz sicher ein elender Hurenbock. Ihr handelt mit dem Feind. Und der Freund meines Feindes ist mein,...Freind, Feind mein ich." Unverhohlen lachte er laut auf.

Korwin hatte langsam die Faxen dicke. Mochte er keinen Generationen überdauernden Stammbaum haben, hatte er sich dennoch Respekt oder mindestens ritterlichen Anstand verdient. "Nehmt eurer Männer euer Wohlgeboren und lasst uns passieren und nichts weiter geschieht."

Er blickte sich nach hinten um. Weitere acht Wagen beladen mit Steinen standen hinter ihm. An Flucht war entsprechend nicht zu denken. An direkten Kampf mangels Wissen über den Feind auch nicht. Er zählte den Dicken, drei Mann an den Pferden des ersten Wagens. Ein weiterer Mann zu Pferde etwas abseits und erahnte noch drei weitere neben diesem im Dickicht. Er war, Ralbert auf dem letzten Wagen nicht mitgerechnet, mit einem Dutzend hinter sich. Wobei er vermutlich nicht auf die Loyalität der drei Hartsteener Wagenlenker setzen durfte. Mit Meisterin Schindel war vermutlich mangels Kampfes Eifer auch nicht zu rechnen, wenn gleich sie hinsichtlich des Baus und des Handels nicht zu beanstanden war. Im Großen und Ganzen war er eigentlich mit Konnar allein. Und er selber war Dank des steifen Beines auch keine drei Männer mehr wert. Er sah, das Konnar bereits abgesessen war und sich zwischen Gebüsch zu seiner Rechten und dem fünften Wagen hindurch quetschte. Die Straße war an dieser Stelle ungewöhnlich eng, was in Anbetracht der aktuellen Lage vermutlich beabsichtigt war. Zwischen ihm und dem Wagen auf der einen Seite und einem großen Matschloch auf der anderen Seite war die gepflasterte Straße noch vielleicht zweieinhalb Schritt breit. Korwin ging mit dem einen Bein in die Hocke und mit der anderen hangelte er sich vorneweg vom Kutschbock herunter.

"Verlockendes Angebot, euer Wohlgenährt Korwin von Gramhausen. Aber ich lehne ab. Falsche Antwort."

Der Dicke gab seinem Gaul die Sporen und preschte vor auf Krowin zu.

Korwin drehte sich im Bücken auf einem Bein aus der Schussbahn des Gauls um die eigene Achse, wobei ihn der Reiter nur um ein Haar verfehlte. Dieser ritt noch etwa ein dutzend Schritt weiter, um den Gaul zu stoppen und ihn zu drehen. Er hängte die Peitsche an den Sattelknauf und ergriff seinen Streitflegel.

"Nicht mal euer Schwert bin ich wert?", schrie Korwin ihm entgegen.

Von Wingern blickte ihn an, spuckte auf den Boden und gab seinem Pferd die Sporen. Aus Satinavs müden Augen musste sein Hoppeln wie eine gallerte schwabbelige Masse aussehen. Seine faltige Haut und sein Doppelkinn wehten und wackelten im Wind wie eine Fahne. "Für Wingertsheeeiim" schrie er mit lallender Stimme, bereit seinem Gegenüber den Schädel einzuschlagen.

So ein Streitflegel ist eine mehr als gemeine Waffe, war sich Korwin bewusst. Der lange Hebel, der stachelbesetzte Kopf. Wo er auftraf wurden Helme durchstoßen, Schädel zertrümmert, Knochen gebrochen. Als Reiter sollte man es aber tunlichst vermeiden, den Flegel über das Tier hinweg zu nutzen. Die Gefahr, sich oder den Gaul zu verletzen ist bei dem frei schwingenden Kopf der Waffe einfach zu groß. Korwin machte ein, zwei Schritte zur Seite, weiter in die etwa fünf Schritt breite Matschepfütze hinein. Der Dicke war sich bewusst, dass er sein Opfer mit der Waffenhand passieren musste, deshalb lenkte er seinen Gaul mit Schenkeln und Zügeln in vollem Galopp weiter nach links. Genau durch die Mitte der Matschepfütze. Der Dicke ließ seinen Flegel über seinem Kopf kreisen und wollte gerade ausholen, da machte Korwin einen Satz zur Seite und warf sich rücklings in die Pfütze. Den gleichen Satz machte der Dicke auch, denn sein Gaul trat inmitten der Matschepfütze in ein kleines Loch und kippte zur Seite. Stolpernd konnte sich der Gaul fangen, sein Reiter, angetrunken wie er war, war dazu jedoch nicht mehr in der Lage und flog vorne über krachend und platschend in den Matsch.

Reitunfall

Korwin drehte sich zur Seite auf sein halbwegs gesundes Knie und stand langsam aus. Der Dicke lag regungslos mit dem Gesicht nach unten im Schlamm. Korwin watete zu ihm herüber, mittlerweile mit seinem Kurzschwert in der Hand.

Gleichzeitig rannte ihm zwei der Männer, die den Treck gestoppt hatten, mit erhobener Waffe entgegen.

Korwin blickt auf den am Boden liegenden und leicht zuckenden Klabor Simming von Wingeren. Direkt vor seinem Kopf lag der stachelige Kopf seines Streitflegels und eben einer dieser Stachel steckte genau in dessen Stirn.

"Ihr Mörder!", schrie einer der Männer.

Ich "Mörder" dachte Korwin etwas belustigt. Ich…

"Jetzt seid ihr fällig ihr räudiger Bastardöööööörrrrrr", erstarb seine Stimme während er von der plötzlich mit aller Wucht in seinem Torso eindringende Skraja nach hinten geworfen wurde. Konnar war mit einem Satz auf den Kutschbock und mit dem nächsten auf seinen Gegner zustürmend seinem Freund zu Hilfe gekommen. Dem zweiten Angreifer war das Entsetzen ins Gesicht geschrieben und stolpernd versuchte er seinen Angriff zu stoppen. Korwin packte ihn am Kragen und drückte ihn neben den sterbenden Klabor zu Boden.

"Er stirbt" sagte er trocken, drehte mit einer behänden Bewegung den Griff seines Schwerts in seiner Hand und rammte die Schwertspitze in dessen Schädel. Mit einem letzten Zucken glitt der Dicke in Borons Reich hinüber, um dann mit offenen Augen darnieder zu liegen.

Abgesehen von dem leichten Rauschen der letzten herbstlichen Blättern im Wind war es totenstill.

Der Angreifer stand regungslos im Matsch und die übrigen Straßenräuber kamen langsam zu ihrem Lehensherr herüber. Die Waffen gesenkt, stapften sie in den Matsch und beugten sich herunter. Einer der Männer griff nach dem Flegel und zog an dem Stiel. Mit einem ploppenden Geräusch löste sich der Stachel aus der Stirn. Sie packten ihn unter den Armen und schleiften ihn mit Leibeskräften zu dem etwas abseits stehenden Pferd. Mit drei Mann und Konnars Hilfe wuchteten sie ihn auf den Rücken des Pferdes.

"Verschwindet hier" raunte Korwin den Männern mit zugekniffenen Zähnen zu.



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15. Tra 1043 BF 11:00:00 Uhr
Das Ungetüm
In Vertretung


Kapitel 12

Auf der Karseitz
Autor: Gramfelden