Geschichten:Grauen am Darpat - Eine Nacht geht zu Ende
Dramatis Personae
- Marnion von Kelsenstein- Junker zu Kelsenburg
- Leomara von Isenbrunn
Der Kelsensteiner atmete auf als Quanion die Kammer endlich verlassen hatte. Lange hätte er sich nicht mehr beherrschen können. Leomara war noch immer außer sich. Er wußte ihr nichts zu sagen, was etwas hätte ändern können, oder nach diesem Auftritt nicht hohl und platt geklungen hätte. So ging er zu ihr um sie zu umarmen, wobei er genau auf ihre Reaktion achtete. Er wollte ihr Trost geben und sie nicht noch mehr aufregen.
Kraftlos lehnte sie sich einfach nur an ihn. Es fühlte sich ungewohnt an, er roch so anders, und fühlte sich fremd an. Dennoch fühlte es sich gut an gehalten zu werden. Sie seufzte auf, und etwas Ballast schien von ihr abzufallen. Doch er vermochte es nicht ihre Gedanken zu halten, wie er es mit ihrem Körper tat. Sie rasten weg, denn die Bedrohung war nur scheinbar gebannt. Hoffentlich waren die Weinbestände wohl gefüllt, und Quanion würde die Nacht dort unten verbringen, wo er für gewöhnlich auch seine üblen Spielchen trieb. Ihre Kammer hier bot ihr nur wenig Schutz, falls er doch kommen würde. An der merkwürdigen Körperhaltung des Junkers ging ihr plötzlich auf, dass Marnion ja auch verletzt war. Schnell löste sie sich von ihm, und murmelte eine unverständliche Entschuldigung.
„Es muss schon spät sein.“ Eine Feststellung ohne Bedeutung mehr nicht. Sie dachte an Ta’ira. Ob sie wohlbehalten angekommen waren in der Burg? „Ich werde morgen dafür sorgen, dass Ta’ira versorgt wird. Nicht von Geshals Heiler, aber unsere Amme ist sehr kundig was solche Dinge angeht. Er ist mein Bruder, aber ich tue was ich kann.“ Sie suchte wieder seinen Blick und ließ ihre hellbraunen Augen tief in seinen ruhen.
„Was ich vorhin sagte war völlig unbedacht von mir.“ Sie nahm seine linke Hand und hielt sie mit den ihren umfasst. „Kein Mensch, kein Mann kann das Leben, oder gar den Tod Anderer nur durch seine Anwesenheit beeinflussen. Manches Mal wird einem erst bewusst was im Argen liegt, wenn einem ein Spiegel vorgehalten wird, als solcher erkenne ich euch derzeit. Und dass sich etwas verändert, wird meist eher durch das eigene Unbehagen über das Gesehene ausgelöst.“ Sie sah ihn müde an. „Ich kann nur für mich sprechen, aber mein derzeitiger Zustand hat mit eurer Anwesenheit wenig zu tun. Ihr wart nur hier als alles los ging. Ich bin, weil Menschen Travias Gebote missachtet haben, mein Bruder...ist mein Bruder...und Geshla...hat ihre eigene Geschichte.“ Sie sah ihn leise lächelnd an. „Lasst uns ruhen, und an einem anderen Tag darüber sprechen, was euch im Krieg passiert ist. Es ist die Zeit Narben zu pflegen.“
„Habt dank für Eure Worte. Sie spenden mir Trost, wo ich doch hoffte Euer Leid zu mildern. Lasst uns ein andermal weiter sprechen, dann will ich Euch gerne auch etwas von mir berichten, auf dass wir Beide etwas voneinander wissen. Es wird besser sein, wenn Ihr mir Fragen stellt. Boron hat mir für vieles Vergessen zu teil werden lassen, doch ich werde mich mühen die Schleier etwas zu lüften. Einstweilen wünsche ich Euch Bishdariels Segen. ich werde meine Kammer jetzt verschließen. Vielleicht solltet ihr dasselbe tun, ich fürchte das Travias Gebote für Eueren Bruder nicht viel zählen und er danach trachtet seinen Streit mit einem von uns beiden fort zu setzen.” Ein letztes Mal drückte er ihre zarte und doch kraftvolle Hand und blickte Ihr in die goldenen Augen, seine Gefühle sprühten förmlich zu Ihr herüber, dann löste er seine linke Hand langsam aus ihrem Griff, wobei er mit den Fingerspitzen die Linien Ihrer Hand nachfuhr, bis zu ihren Fingerspitzen hinauf und darüber hinaus in die Leere des Raums.
Ein merkwürdiges Gefühl bemächtigte sich ihrer. Es war ihr unangenehm zu spüren dass der Nebachote scheinbar ähnlich wie Unswin und sie selbst Narben davon getragen hatte, die ihn zu einer Person machten, die nicht mehr ganz unversehrt an der Seele war. Er tat ihr leid, mehr als sie zugeben wollte. Auch weil seine Gefühle so bloß vor ihr lagen. So verletzlich. Sie versuchte sich einzureden, dass es so wie immer war. Ihre Mutter, Palinai von Isenbrunn hatte früher schon immer zu ihr gesagt: „Immer schleppst du uns todkranke Tiere an, pflegst sie gesund, und lässt sie dann frei. Wieso?“
Die Befriedigung, die es ihr verschafft hatte ein Wesen aus dieser Notlage zu befreien, hatte ihre Mutter nie nachvollziehen können. Aber sie hatte auch nie erlebt, was ihr Bruder mit den Geschöpfen Tsas so anstellte.
„Ich werde mich vorsehen, danke für euren Ratschlag.“ Sie lächelte ihn milde an. Was sie nicht sagte war, dass sie in dieser Nacht wie in so vielen Nächten zuvor auf dem Gut, nicht in ihrer Kammer schlafen würde. Sie würde Schutz suchen, und finden. Dann drehte sie sich um, und verließ die Kammer. Schnellen Schrittes ging sie erst zu ihrer Kammer, verschloß sie sorgfältig, und verließ hernach durch das Fenster dieselbe. Sie spürte nur noch, dass die Wunde am Bauch wieder zu schmerzen anfing, bevor sie am Boden aufkam. Dann ging sie wie üblich in ihr Versteck. Es würde zwar sicher staubig und dreckig dort sein, aber sicher!
Nachdem sich Leomara verabschiedet hatte, verschloß er seine Kammer und klemmte einen Stuhl unter den Türgriff. Ruhe konnte er nicht finden. So tot war er nicht, das ihm das erlebte kalt lassen konnte. Es schien ihm als würde dieser Quanion nicht einmal vor seiner Schwester halt machen. Gleichzeitig wußte er das er selbst nichts ohne einen triftigen Anlaß unternehmen würde. Er fühlte bereits zu viel für Leomara, als das er ungefragt in ihr Leben eingreifen würde. Auch wenn sie ihre Worte zurück genommen hatte. Das Bild mit dem Mahlstrom war nicht weit her geholt, gestand er sich schmerzlich ein, während Marnion sein Schwert putzte, ölte und die Klinge gedankenverloren schärfte. Dann kniete er zum Gebet an Chor und Radscha bis er in wirre Träume abglitt und mit dem Schwert zwischen seinen Händen auf den Knien ruhend einschlief.
Draußen auf dem Gang führte Kor’win das Mädchen zunächst zu seiner Kammer. Flink trat er in diese ein und kam sogleich wieder mit zwei schwarzen, ärmellosen Nebachotenmänteln raus. Einen davon reichte er Ta’ira und deutete ihr dann wieder an ihm runter zu den Ställen zu folgen. Da er keine Lust hatte einer weiteren Wache oder gar diesem Quanion in die Hände zu laufen, gab er sich Mühe, möglichst keine Geräusche von sich zu geben. Überrascht stellte er fest, dass er Ta’ira nur hört, weil seine Sinne für die Jagd und über Götterläufe hinweg geschärft waren. Jemand anderes hatte sie nicht bemerkt. So nahmen sie auch nicht den Weg durch die Tür, sondern kletterten aus einem der engen Fenster im ersten Stock und schlichen über dem Hof in den Stall. Bei der Kletterei musste der Nebachote der Zahori behilflich sein. War er auch sonst nicht zimperlich, die Verletzungen, die er dabei erblicken konnte, ließen ihn ahnen, was sie erlebt hatte. Dort angekommen besah sich Kor’win kurz die Pferde und sattelte dann das stärkere der Beiden. Schließlich hatte er nicht vor Ta’ira zu Geshla zu bringen, wer wußte schon wie sie dazu stehen würde, vielmehr würde er sie nach Rashia’hal bringen. Dort war sie wirklich sicher. Behutsam setze er die Frau vor sich in den Sattel. Erst zuckte sie vor seiner Berührung zurück, doch schon bald sank sie kraftlos gegen seine Brust. Kurze Zeit später ritten die beiden in die Dunkelheit
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