Geschichten:Greif und Fuchs - Lieber Gareth als Luring

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Burg Alrikshorst, Praios 1045 BF

„Yrsya, gut dass Ihr kommen konntet.“ Gerwulf von Gareth fertigte gerade einen Boten nach dem anderen ab, koordinierte offenbar eine Reise und unterzeichnete im Vorübergehen immer wieder Schriftstücke, die ihm Schreiberlinge in der Livree des Hauses Gareth, des Königreichs, der Alriksmark oder … der Grafschaft Eslamsgrund reichten.

Yrsya von Luring-Gareth vollführte einen höfischen Knicks, der sofort zum Standard in der Ausbildung von Hofdamen avancieren könnte: „Zu Diensten, Hochedelgeboren.“ Sie hatte genau taxiert, was hier geschah. Ihren Augen entging nichts, ihre Blicke entdeckten alles, ihre Ohren fingen jedes Geräusch auf. Und dennoch …

„Ihr wundert Euch über die Eslamsgrunder hier? Nicht wirklich, oder?“

„Nein, Edelhochgeboren. Ich nehme an, dass der selbsternannte Großfuchs in Eslamsgrund politisch tätig geworden ist und etwas getan hat, dass eine manifeste Reaktion erfordert.“

„Exakt. Er hat sich zum Großfürsten ausrufen lassen. Sozusagen von Gnaden des Eslamsgrunder Pöbels. Das schließt den dortigen Adel leider zu einem gewissen Teil mit ein.“

„Und Ihr habt damit zu tun?“

„Yrsya, warum fragt Ihr das Offensichtliche? Die Königin reagiert darauf, die Vorbereitungen sind getan, bald geht es los. Ich bat Euch hierher wegen der Privataudienz, die Ihr bei Ihrer Majestät hattet.“

Yrsya nickte. Wurde auch Zeit. Seit Barnhelms Tod, ihrer Entscheidung, dem Streit mit Graf Drego, ihrer Garetien:Schwester sowie dem Gespräch mit Onkel Horulf war ausreichend Zeit vergangen.

„Ihr seid Euch der Konsequenzen bewusst?“ Gerwulf schickte die wartenden Schreiber, Schranzen und Bediensteten mit der Linken wedelnd davon.

„Der wichtigsten, ja.“

„Bescheidenheit ist keine Eurer Tugenden, oder?“

„Bescheidenheit war noch nie eine Tugend, Edelhochgeboren.“

Gerwulf lachte: „Wohl gesprochen.´“ Er hob den Zeigefinger. „Erste Konsequenz: Das Haus Luring wird Euch nicht zurücknehmen, wenn Ihr Euch einmal von ihm losgesagt habt.“

Yrsya nickte erneut, aber ein Mundwinkel kräuselte sich.

„Zweifelt Ihr daran, Yrsya?“

„Ja und nein. Es kommt darauf an, ob Graf Drego dem Haus vorsteht oder nicht. Der Graf ist ein nachsichtiger Mann und schätzt die Harmonie. Er würde mir vergeben.“

„Aber das Haus Gareth würde es nicht tun, solltet Ihr zu Drego kriechen.“

„Ich weiß. Ich werde aber niemals kriechen, weder hierhin noch dorthin.“

Gerwulf akzeptierte diese Feststellung, hob dann zwei Finger: „Zweite Konsequenz: Das Haus Gareth hat einen Wahlspruch: Es leuchtet der Kaiser Gestirn. Leuchtet Ihr? Seid Ihr ein Stern am Firmament? Bereichert Ihr das Diadem, das aus den Tropfen kaiserlichen Blutes gefügt wurde?“

„Ja. Ich werde mich diesem Haus würdig erweisen.“

Gerwulf nickt, hob drei Finger: „Ihr zerreißt damit das Tuch zwischen Euch und Eurer Schwester. Es wird sich nicht wieder zusammenfügen lassen. Ihr wisst, dass sie Eure Eignung für jedwede Lehnsname in Frage stellt, weil es Euch an ritterlicher Tugend fehlt?“

Yrsya stutzte. „Nein, dass wusste ich nicht. Aber ich wundere mich nicht. Wir haben und seit dem Tod Barnhelms von Rabenmund wenige Male gesehen, und bei jedem Treffen wurde deutlicher, dass sie und ich … und im Wesentlichen nicht einigen können, was es bedeutet, das Erbe unserer Ahnen anzutreten. Sie ist umgeben von den gerüsteten Geistern der Vergangenheit, lauter Ritter. Ich hingegen lebe hier und plane für die Zukunft. Meine Schwester ist nicht notwendigerweise Teil dieser Zukunft.“

Gerwulf hörte aufmerksam zu. Hob dann den vierten Finger: „Vierte Konsequenz: Das Haus Gareth bestimmt Eure Zukunft maßgeblich mit. Dies betrifft insbesondere Euren zukünftigen Gatten.“

„Ihr meint den Vater meiner Kinder, denn das wird seine Funktion sein“, unterbrach Yrsya ihn.

„Genau.“

„Diese Konsequenz ist mit bewusst.“

Gerwulf klatschte einmal in die Hände, wischte sie dann am Wams ab und wandte sich seinem Gepäck zu. Über die Schulter redete er weiter: „Gut, dann ist die letzte Konsequenz, dass Ihr Euch in den nächsten Monden zur Verfügung halten solltet, zumal Ihr Euch ja eh nicht mehr auf Sonnentor aufhaltet.“

„Gut, wo soll ich mich zur Verfügung halten?“

„Hier, Yrsya. Ihr seid ja Reichsedle auf dem Alrikshorst. Haltet Euch weiterhin hier auf und nehmt mit ein paar Geschäfte ab.“

Yrsya legte den Kopf schräg: „Und Ihr?“

„Ich werde Graf. Übermorgen erhebt mich die Königin. Formal bleibe ich zunächst Reichsvogt der Alriksmark. De facto kann ich nicht beides sein. Deshalb …“ Gerwulf wandte sich Yrsya nun ganz zu und breitete die Arme aus. „… heiße ich dich im Haus Gareth willkommen. Ihre Majestät hätte das gern selbst getan, aber sie kann gerade nicht. Und Storko … kann auch gerade nicht. Also darf ich es tun.“

Yrsya ließ sich umarmen. „Also Gareth?“

„Ja.“

„Und warum? Wegen der Alriksmark?“, wollte Yrsya wissen.

„Weil Dein Entschluss, dem Haus Luring zu entsagen, dem Haus Gareth eine Burggrafschaft bescherrt?“

„Ja.“

„Sagen wir es so: Lieber Gareth als Luring.“



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Texte der Hauptreihe:
8. Pra 1045 BF 12:00:00 Uhr
Lieber Gareth als Luring
Töchter ihrer Mutter


Kapitel 2

Autor: BB