Geschichten:Griffpurga von Hagenau-Ehrenfeldt
Vor den Toren von Tannwirk, Namenlose Tage 1046 BF:
Die Dunkelheit der Namenlosen Tage lag wie ein schwerer Schleier über dem kleinen Marktflecken Tannwirk, der letzten Bastion der Zivilisation, wie die Tannwiker selber sagen. Die Leihenbutter behaupten das freilich ebenfalls von sich. Die Gassen waren menschenleer, die Fensterläden fest verschlossen, und nur das Heulen des Windes durchbrach die unheimliche Stille. Niemand wagte es, die Straßen zu betreten, außer einer Gruppe aus Bannstrahlern, die sich vor den Toren des Ortes versammelt hatten.
Im Zentrum dieser Szenerie stand Griffpurga von Hagenau-Ehrenfeldt, eine alte, aber unnachgiebige Praiosgeweihte. Ihr Gesicht war von unzähligen Falten durchzogen, ihre Augen funkelten kalt unter der goldenen Haube ihres Ornat. Ihr Ruf war in der Region gefürchtet – eine unerbittliche Dienerin des Lichts, die keinen Zweifel kannte und keinen Schatten duldete.
Vor ihr kniete eine gefesselte Frau in einfachen, zerrissenen Kleidern. Es war Lysera, eine Kräuterfrau, die von den Bewohnern Tannwirks beschuldigt wurde, eine Hexe zu sein.
„Im Namen des Herrn Praios, des Lichts und der Wahrheit, wird das Urteil vollstreckt!“, rief Griffpurga, ihre Stimme trotz ihres Alters klar und durchdringend.
Der Scheiterhaufen war sorgfältig aufgeschichtet, die Äste trocken und bereit, ihre Flammen in die dunkle Nacht zu schicken. Die Bannstrahler zogen sich zurück, doch Griffpurga blieb. Mit erhobenem Haupt und einem strengen Gesichtsausdruck stand sie vor der Hexe, die Fackel in der Hand.
„Möge Praios das Dunkle reinigen und das Licht triumphieren!“, rief sie, bevor sie die Fackel auf das Holz warf.
Die Flammen entzündeten sich sofort, loderten hoch und fraßen sich hungrig durch den Scheiterhaufen. Lysera schrie nicht. Ihre Augen waren auf Griffpurga gerichtet, und ihre Lippen bewegten sich lautlos.
Plötzlich veränderten sich die Flammen. Sie wurden größer, wilder, und eine unnatürliche Hitze breitete sich aus. Die Luft schien zu vibrieren, und die Umstehenden wichen zurück.
„Was ist das?“, murmelte ein Bannstrahler.
Griffpurga wich nicht zurück. „Das ist der Beweis ihrer Schuld!“, rief sie mit fester Entschlossenheit.
Doch die Flammen hatten bereits ein Eigenleben entwickelt. Sie schossen plötzlich mit unmenschlicher Geschwindigkeit zur Seite und ergriffen Griffpurga. Ein entsetzter Aufschrei entrang sich der Bannstrahlerin, als die Flammen sie umhüllten.
„Nein! Das ist das Werk von dunklen Mächten!“, schrie sie, während ihre Roben Feuer fingen. Ihre Haut begann zu blasen und zu schwelen, doch ihre Stimme wurde nicht leiser. „Praios, hilf mir! Dein Licht soll triumphieren!“
Doch kein Licht kam, und kein Wunder geschah. Die Flammen verschlangen sie gnadenlos, und der Geruch von verbranntem Fleisch breitete sich aus. Die anderen Bannstrahler standen wie erstarrt, unfähig, ihrer Anführerin zu helfen.
Als das Feuer erlosch, blieb nur noch ein verkohlter Körper zurück. Die Luft war erfüllt von einem dumpfen, bedrückenden Schweigen, das selbst die Flammen nicht durchbrechen konnten.
Die Krähen, die auf den umliegenden Dächern gesessen hatten, erhoben sich nun in die Luft, ihr Kreischen ein unheilvolles Echo in der Nacht. Einige der Bannstrahler murmelten Gebete, andere schwiegen.
Und dann geschah etwas Seltsames: Der verkohlte Körper von Griffpurga begann, sich zu zersetzen, schneller, als es natürlich war. Nur ein verbrannter Umriss blieb zurück, und in der Luft lag ein Hauch von Schwefel.
In den Tagen danach flüsterten sich die Bewohner von Tannwirk zu. Einige behaupteten, Lysera habe tatsächlich dunkle Kräfte, womöglich gar des Namenlosen heraufbeschworen, andere glaubten, Griffpurga sei von Praios selbst gerichtet worden – ein Urteil für ihren Stolz und ihre gnadenlose Härte.

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