Geschichten:Groß, stark, wie Perricum – Die Prüfungen (Teil II)

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Mitte/Ende Efferd 1046 BF, Raschtullswall und Trollzacken

“Schon mitten drin?”, fragte die Perricumerin. “Ja.”, brummte der Kaisermärker - “Ich verstehe.”, sagte sie und tat es doch nicht wirklich, das fühlte sich nicht an wie eine Prüfung, nicht für jemanden wie sie. Aber vielleicht ging es genau darum, sich selbst zu überwinden. Neben ihr brummte es erneut, Prankhold besah sich die Höhlenreliefs, als würde er genau verstehen worum es dort ging. “Was erzählen sie?” - “Sagt Ihr es mir.” Perrica atmete laut hörbar durch, es war wirklich eine Geduldsprobe für sie, sie konnte sich an kaum etwas festhalten, hier war nichts was in Büchern zu lesen war, die sie gelesen hatte oder das sie aus Lektionen gezogen hatte, die ihr erteilt worden waren. “Ich verstehe es nicht, es folgt keinen ästhetischen Gesetzmäßigkeiten, nicht mal der Logik, es entzieht sich mir beständig. Erklärt es mir.” - “Erklären? Landrichterin Perrica, nicht jedes Gesetz kann man in Worte fassen, manche Gesetze sind älter als Worte. Also werden Worte nicht genügen, um das hier zu fassen. Das ist die einzige Erklärung die ich Euch geben kann.” Perrica zögerte, das erste Mal seit sie den Raum im Wasserschloss verlassen hatten, war da wieder dieser Zweifel, der ganz tief an ihr nagte, wie tausende Stimmen die ihr im Flüsterton sagen wollten, dass sie nicht die richtige sein könnte, dass sie niemals die Mysterien des Schwertes so verstehen könne wie Prankhold, ein Baum, ein Riese, ein Fels, ein Berg. Dass die Prophezeiung Tsalayas falsch war oder zumindest falsch gedeutet. ‘Falsch gedeutet…’ dachte Perrica. Sie hörte auf nach Gesetzmäßigkeiten zu suchen, versuchte nicht mehr diese Bilder mit den in Büchern abzugleichen, ließ ihre Lektionen dort wo sie hingehörten. Und plötzlich fand sie es in den Zwischenräumen und es war als würden die Bilder aus ihr trinken, aus ihrem Inneren schöpfen. Und aus den sich langsam bewegenden Reliefs schälten sich Geschichten. ‘Trollmagie.”, dachte sich Perrica und drohte den Faden beinahe wieder zu verlieren. Doch sie hielt ihn so fest sie konnte, stemmte sich gegen ihren eigenen Kopf, ihr eigenes Denken. Und diesmal war es der riesige Ritter der fragte: “Und? Was seht Ihr?” - “Perricum.”, war die schlichte Antwort, gesprochen in einer Sprache, die sie nicht gelernt hatte und die “Groß-Stark-Wie Ries.“ meinte - Baggargansch - das Land zwischen den Gebirgen entlang des Darpat. Sie trank Wissen aus den Reliefs und die Relief tranken von ihr.

“Landrichertin Perrica…, Landrichterin…, Perrica.”, drang es an ihr Ohr, die bassige Stimme Prankholds. Etwas verdutzt, aber stolz und selbstbewusst, wie sie eigentlich war, schaute sie ihn an. “Wie lange…Ach, das ist nicht wichtig.” Sie stand auf. “Da entlang.” - “Ihr scheint zu verstehen.”, grummelte der Baumhafte.

Kurz darauf standen sie am Ende der riesigen Halle. Dort klaffte ein Loch und ging über in eine riesige Terrasse, dessen Ende steil bergab in einen felsigen Abgrund überging. Sie traten auf die Terrase hinaus, hinter ihnen glomm das Feuer langsam herunter. Als sie sie betraten, fegte ihnen erneut das Schneetreiben um die Ohren. Geradewegs gingen sie auf den Abgrund zu, dort unten in der Schlucht wirbelten die Schneemassen in einem wilden Chaos, das keines war. Viel mehr eine Ordnung die nur die Winde kannten…’Manche Gesetze sind älter als Worte.’ hallten die Worte Prankholds nochmal in ihr nach und sie begann langsam zu verstehen, was das hier sollte, warum Prankhold mit ihr hier war und dass es keiner Worte bedürfte, um ihr das Wesen Ogerstarks und der Auen-Schwerter nahezubringen. Sie sah zum rauschebärtigen, alten Ritter hinüber, er verkörperte eine Weisheit, wie sie sich nicht in Büchern finden ließ, eine Gewissheit, die ungeschriebenen Regeln entsprach. Er war anders als sie, aber das machte nichts. Er bemerkte ihren Blick, drehte sein Gesicht zu ihr und nickte verstehend. Sie nickte zurück, sie würde ihren Weg gehen.

Und so tat sie zwei Schritte über die Schwelle zwischen Terrasse und Abgrund.

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Nur kurz hatte sie das Gefühl zu fallen, einen Fehler gemacht zu haben, dann fanden ihre Füße Halt auf einem Boden der nicht wirklich da war, wieder kam diese kurze Übelkeit auf, als sie in den Trollpfad eintrat. “Gewöhnt man sich daran?” - “Nein, nicht wirklich, aber es erinnert einen daran wer man ist.”, brummte der Baumhafte direkt hinter ihr. “Es erinnert einen daran, dass man hier nur zu Gast ist und geduldet wird. Dies sind alte Wege und wer sie betritt, dem wird eine Ehre zu Teil, eine Ehre, die man nicht überstrapazieren sollte.” - “Wie die Schwerter.”, murmelte Perrica. Es brummte verständnisvoll.

Gemeinsam schritten sie wieder das Unverständliche hindurch, doch war diese Unverständlichkeit nicht mehr so frucheinflößend für Perrica, wie noch beim ersten Mal, geradlinig ging sie den Weg, nur noch selten, den glänzenden Anker in der Ferne fokussierend. Sie meinte sogar mehr zu erkennen in dem verschwommenen, wabernden, wirbelnden und ruhenden Etwas. Kurz kamen ihr die Worte "Burgenhoch" "Greifensitz" in den Kopf, jedoch zu flüchtig. Ihr Blick blieb da bereits an einem anderen Schemen hängen. “Das ist der Sturmumtoste Fels, die Festung des Giganten und seines Sohnes. Er ist ein guter Ratgeber, weil er nicht immer das erzählt was man hören will…und er ist fernab des Gerangels im Tal.” - Perrica nickte und nahm dies zur Kenntnis, wusste aber, dass sie sich diesem Gerangel alsbald stellen müsste. “Ist er auch Kenner dieser Wege?” - “Ja und nein, er kann sie hören, er kann vmtl. sogar unsere Anwesenheit spüren im Grollen und Widerhall der Giganten hören, aber er respektiert die alten Wege, er respektiert das Land. Er ist ein Wahrer und Wächter.” - “Ich bin nichts dergleichen, nicht so wie der Sturmfelser oder Ihr” - “Ich weiß. Aber war Heldarion ein Wächter?” - “Nein, er war ein Schwertmeister.” - “Und Tedesco?” - “Einer der größten politischen Persönlichkeiten Perricums.” - “Und Gaftarion?” - “Gute Frage, ich glaube er war Abenteurer.” - “Seht Ihr, Ihr immer mit Euren Fragen, auf die Ihr die Antworten bereits kennt.” - “Mh…”

Kurz darauf meinte sie ein langes Band im Wabern zu erkennen. “Der Darpat?!” Ein Nicken. “Das Band.” Ein weiteres Nicken. Dann schälten sich Zacken aus dem Gewaber und kurz darauf standen sie auf einem sonnenbeschienenen Felsplateau. Von hier konnte man im Süden die Mündung des eben noch passierten Darpat in den Golf von Perricum erkennen, im Westen die hohen, windumtosten Spitzen des Walls erahnen und im Osten das Perlenmeer und ein Blinken, als würde jemand weit weg das Licht der Sonne mit einem Spiegel einfangen. “Ein Signal?” “Mehr oder minder. Das ist Strutzz’ zinnene Höhle, sie kann als Orientierung dienen, wie auch der Troll-Baron selbst, er ist im Osten das was der Gigantensohn im Westen ist.” - “Sie kennen Bahrgagant, sie können Euch Antworten geben, wenn ich nicht mehr bin.” - “Wie meint Ihr das? Wenn Ihr nicht mehr seid? Ihr scheint mir gut in Form.”, scherzte sie verlegen. - “Alles mit der Zeit, Landrichterin Perrica. Sagt mir lieber was Ihr seht.” Sie wiederholte was sie sagte, als sie die Reliefs verstanden hatte, auch wenn sie erst schlicht hatte ‘Perricum’ hatte sagen wollen. Dann setzte sie hinzu: “Die Gebirge wirken wie eins von hier. Sie umarmen das Land.” Der Baumhafte brummte erneut wissend. “Was singt hier so?”, wollte Perrica wissen. Prankhold lächelte in seinen Rauschebart. “Es singt weil es zu Hause ist, es vibriert vom Widerhall der Giganten.” - “Das Schwert.” - “Das Schwert.” Perrica nickte und lauschte. Das Singen war so leise und die Töne so fein, es war schwer zu hören gegen den Wind und die Geräusche der Berge an. “Nicht gegen.”, sagten beide gleichzeitig. Zusammen ergab es einen Sinn, auch wenn es ihr als gelehrter Frau schwer viel das so zu nennen. Und es war auch nicht so, dass das Schwert wirklich mit ihnen Sprach, denn das konnte es nicht. Es war viel subtiler, es waren Klänge und Zwischentöne, ein Sirren in der Luft, das man nur schwerlich interpretieren konnte. “Da schwingt noch etwas mit.” - “Das ist immer so, es ist ja nicht alleine.” - “Die anderen?” - “Die anderen.” Perrica atmete tief durch. Das alles schien wie ein Traum. Aber ein Traum, der immer deutlicher einer Wahrheit glich. Sie schaute herüber zu Prankhold, schaute auf das Schwert, das er geschultert hatte. Er nickte. “Ja, beinahe.” Er klang melancholisch, sah sie nicht an, sondern genoss, den Anblick, die Gerüche, die Geräusche und die Kiesel unter seinen Schuhen. Sie versuchte zu verstehen. “Es ist ein Bund, er muss begangen werden. Aber ich kenne die Worte nicht.” - “Doch, Ihr kennt sie.” - “Es gibt Gesetze, die sind älter als Worte.” wiederholte sie die Lektion, die sie nicht aus Büchern kannte. Ihr schwante böses. “Aber…” - “Diesmal muss es so geschehen.” - “Warum?” - “Ihr wisst warum.”

“Eine neue Zeit.” Der Ritter lächelte etwas traurig, schwang das Schwert von seinen Schultern und drückte es in eine Felsspalte. Dann nahm er einige Schritte Abstand.

Perrica starrte ungläubig auf die große Klinge, sie schüttelte leicht des Kopf, das war absurd. Doch dann vernahm sie das Surren, wenn sie wollte, dann musste sie es sich nehmen, dann musste sie es tun. Und es verlangte sie nach Bahrgagant, seinem Gewicht, seiner Sträke, seiner Geltung und seiner Führungskraft, es war ein Diener dieser Lande, sie war eine Dienerin dieser Lande. Wenn sie es wollte würde sie Willen und Stärke aufbringen müssen, zu tun was getan werden muss. Wie als würde die Zeit nur halb so schnell ablaufen, als würde sie sich selber dabei beobachten, machte sie drei schwere Schritte voran, griff den Griff Ogerstarks mit beiden Händen. Es fühlte sich so einfach an, erhaben und doch ganz simpel und rauh. Ihr Blut pulsierte in ihren Adern, es rauschte in ihrem Kopf. Dabei überraschte es sie, dass es sich weniger wie eine Waffe anfühlte, nicht wie ein Richtschwert das Blut trinken wollte. Viel mehr fühlte es sich an wie ein Zepter oder Herolds- oder Hirtenstab, der da in ihren Händen vibrierte - oder war sie es die zitterte - oder beides? Zuerst wollte sie es mit einem Ruck hinaus ziehen, wie Prankhold es getan hätte. Doch sie entschied sich dafür dem Kratzen des Metalls im Stein zu lauschen und es behutsam herauszulösen, mit rhythmischen Bewegungen. Als sie es aus dem Fels gezogen hatte, es war scher, hob sie das Schwert nicht über den Kopf, sie führte es zu ihrer rechten Seite, die Klinge gen Boden zeigend. Sie schluckte, als sie nun zum Ritter sah, der mittlerweile auf einem Bein kniete. “Es folgt Eure letzte Prüfung, eine des Willens.” Sie antwortete nicht mehr, sie dachte nicht mehr nach, sie ließ die Klinge mit Schwung nach Oben sausen.