Geschichten:Groß, stark, wie Perricum – Die Pranke vom Berg
Ochsenblut, Junkertum Heiterfeld, Ritterherrschaft Ochwienaue, etwa Mitte Efferd 1046 BF
Vor ihr lag die schmucke Wasserburg Ochwienaue, in einem kleinen See, der wiederum in den malerischen, satten Feldern der Goldenen Au lag. Es wirkte beinahe unecht, wie ein Gemälde, das die Realität echter darstellen wollte, als sie war - ein Traum.
Vor wenigen Stunden war sie von der Burg Heiterfeld hierher aufgebrochen, dort hatte sie genächtigt und hatte den Abend mit dem Seneschall von Ochsenblut (und seiner Familie) verbracht, ein fröhlicher Mann, der dennoch ein Schwergewicht in der Kaisermark war und dessen Familie in den letzten fünfzehn Jahren einen enormen Aufstieg erfahren hatte. Fast so wie bei den Rabicums, hatte sich Perrica gedacht, nur dass die Heiterfelds ein ganz anderer Schlag Mensch waren. Ein echtes Vorbild für sie, wenn auch ein ganz anderer Mensch, wo er alles mit einer gewissen positiven Leichtigkeit bewältigte, war sie verbissen und an Fakten orientiert, egal wie diese lagen. Gemeinsam hatten sie über den nahenden Hoftag gesprochen, über eine nur wenige Monde [[Geschichten:Feuer & Flamme - Ein Fest der Heiterkeit|zurückreichende Hochzeit des heiterfeldschen Sohns und ihre jeweiligen Aufgaben und Ambitionen als Seneschall und Landrichterin. Dabei hatte sie besonders die Art und Weise wie der Heiterfelder zu arbeiten pflegte imponiert und sie wünschte sich einen ähnlich engagierten und diplomatischen nächsten Seneschall für Perricum, wenn vielleicht auch mit etwas mehr flexiblem Pragmatismus und einem Quäntchen Verlangen nach mehr.
Natürlich hatten sie auch über den Grund ihres Besuches unterhalten, etwas verlegen und kryptisch hatte sie dann von ‘einer wichtigen Angelegenheit, in der sie mit dem Ritter von Ochwienaue sprechen müsste’ gesprochen. Da hatte der Seneschall nur gelacht und beinahe wissend gelächelt. “Prankhold ist ein guter Mann und Vasall, der seine Aufgabe trägt und lebt wie es nur ein Berg kann. Ich versichere Euch, er wird Euer Anliegen ernst nehmen.” Dann hatten sie das Thema gewechselt.
Diese Worte noch im Ohr ritt sie nun immer näher an das Gemälde von Burg heran, die Zugbrücke war herab gelassen und ein großer, bärtiger Mann stand allein dort, als warte er auf jemanden. Perrica erschrak leicht, als sie erkannte, dass es sich bei dem ‘Riesen’ um den handeln musste, den sie aufsuchen wollte - Leobrecht Prankhold vom Berg. Ein gewaltiger Mann, ein Ritter wie aus einer altertümlichen, entromantisierten Märchenerzählung, passend zu dem Gemälde, in dem er lebte. Seine ganze Erscheinung strahlte ‘Held’ und ‘Löwe” aus, würdig einer so gewaltigen, mythischen Waffe, wie sie Ogerstark war, so dass Perrica sich und ihr Anliegen geradezu albern fand. Doch nun war sie so weit gereist…
“Mein Name ist Perrica von Alxertis, Landrichterin von Perricum und ich bin hier, weil…”, sie stutzte, wie lächerlich das war, einer leibhaftigen Sagengestalt, sein legendenhaftes Schwert abnehmen zu wollen. Doch der gefühlt Baumgroße Mann sagte nichts, stattdessen machte er eine beschwichtige Geste und ludt sie ein ihm durch das Tor in die Burg zu folgen - etwas perplex folgte sie ihm schlicht. Sie redeten die ganze Zeit über nicht, die Burg schien wie leer gefegt, obwohl Perrica hier und da Diener ihr Tagwerk verrichten sah. Erst als sie, nachdem sich um ihr Pferd und ihr Gepäck gekümmert wurde, an eine große, schwere Tür angekommen waren sprach der Ritter: “Ich weiß wer Ihr seid, Perrica von Alxertis und auch warum ihr hier seid.” Mit einem kräftigen Schwung öffnete er die große Tür, dahinter offenbarte sich ein Raum, der eine Mischung aus kleinem Rittersaal, einem Schrein und einer Kuriositätenkammer war. Auf zwei großen, verschiedenfarbigen Felsbrocken drapiert thronte der massive Zweihandsäbel - Ogerstark. “Bahrgagant.”, grollte Prankhold mit tiefer Stimme. “Wie konntet ihr…?” - “Das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass ich es weiss, Ihr werdet es erfahren - schon bald.”
Perrica wollte irgendetwas erwidern, sie war eine gelehrte, faktenorientierte und ambitionierte Frau, irgendetwas müsste ihr doch als Entgegnung einfallen, doch es kam nichts. Stattdessen schob Prankhold sie sanft, aber eben mit der Kraft eines Baumes näher an die Felsen mit dem Schwert, sanft fuhr er dessen Form nach. “Das Gestein stammt aus den Bergen Perricums.”, brummte er beiläufig. “Habe ich eigenhändig hierher verbracht.” Und “Ogerstark, Bahrgagant, wie es viele nennen, ruft, verlangt danach. Es war nur eine Frage der Zeit, bis jemand den Ruf hören würde - außer mir. Es will nach Hause.”
“Aber ist es nicht ein Schwert der Au?”, war das einzige was Perrica hervorbringen konnte, sich langsam wieder sammelnd. “Natürlich ist es das, aber es hat sich ein anderes Land als Heimat erwählt, dort wo es vom Widerhall des Walls und der Zacken vibrieren kann. Aber deshalb ist es immer noch eines der Schwerter der Märtyrer und ich sein Träger - noch.”, vielsagend blickte der Hüne auf die kleine Frau. “Die anderen Schwerter sind ebenfalls an anderer Stelle, an jemandes anderen Seite und dennoch gehören sie zusammen, dereinst werden sie wieder zusammen kommen, doch diese Zeit ist noch nicht jetzt.” “Ihre Träger sind verstreut, ein jeder mit seiner eigenen Bürde belegt und beschäftigt.”
“Bürde?”, hakte Perrica wieder etwas kräftiger nach.
“Bürde und Ehre zu gleich.”, war die schlichte Antwort. “Baggargansch ist…Das kann man nur sehr schwer erklären. Ich bin ein Mann der Tat, nicht des Wortes. Ich folge dem Schwert stets dahin, von dem ich denke, dass es mich dort haben will. Selten bin ich hier in der Heimat, häufig in euren Gefilden, aber diesmal wollte es mich hier haben…”
Perrica hob eine Augenbraue, sie überlegte, wie sollte sie diesen Mann davon überzeugen ihr ein Schwert auszuhändigen, dass offensichtlich zu seinem Leben geworden war. Sicherlich würde ihr etwas einfallen, sie konnte überzeugend sein gemeinhin, aber das hier würde nicht einfach werden, vllt unmöglich, sie musste flexibel sein.
“...ich denke, es geht hier um einen Abschied.” Perrica wurde aus den Gedanken gerissen, obwohl der ‘Riese’ vor ihr mit der Ruhe eines Berges sprach.
“Was meint ihr damit?”
“Ich weiß es auch noch nicht, es ist nicht so als würde das Schwert WIRKLICH mit mir sprechen. Ich weiß nur, dass es nach Hause will. Ob ihr die richtige seid, um diese Bürde zu tragen, wird sich zeigen.”
“Wie?”
“ACHT Prüfungen.”
Perrica seufzte innerlich, dachte aber: “Ich muss wirklich flexibel sein.” Aber es war immerhin eine Chance.
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