Geschichten:Hülle & Fülle – Südhaselhain und die Aranier
Wir sahen den jungen Korbrunner und seine Horde noch auf einem Hügelkamm ganz dicht hinter uns verharren und uns beobachten, doch er hielt seine Leute zurück, die uns sicherlich sonst noch erreicht hätten. So überquerten wir aber ohne weiteres die Grenze nach Haselhain.
Danach kamen wir etwas zur Ruhe und diskutierten natürlich über das Gesehene. Die Erkenntnisse die wir in der Halle gewinnen konnten, ab von der Scherbe selbst, der junge Hayadimo, der den verstaubten und parteiischen Gelehrten dort noch einige Probleme machen würde, die Verfolgung durch die Korbrunner und den Dienst, den uns der Zollensteiner erwiesen hatte.
Inmitten dieser Gespräche konnte ich auch Ashina mit Nazir tuscheln hören. Es ging ihr ganz sicher um die Erkenntnis über die "Kunstfertigkeit" der nebachotischen Frauen. Ihre zugegebener Maßen ziemlich offensichtliche Heimlichtuerei dabei veranlasste auch mich darüber nachzudenken, was das bedeuten könnte, vorallem für Frauen wie Ashina, die ohnehin ein Leben außerhalb von Traditionen an der Seite Sulamiths suchte. Ich nahm mir vor, sie bei Gelegenheit darauf anzusprechen. Evtl. könnte es auch für das weitere Unterfangen unser Herrinnen von Belang sein, ganz sicher war, dass es ein wenig Zündstoff hatte. Aber vielleicht war dies auch etwas weit gedacht. Ich würde dies weiter beobachten und überdenken. Aber letztlich war es mir wichtig, dass unsere beiden Herrinnen und die Pfauen glücklich mit dem Ergebnis sein würden. Aber wen sollte es stören, wenn einige unser persönlichen Bedürfnisse ebenfalls abgedeckt würden? Und die Bedeutung für Ashina war offensichtlich.
Während unser Gespräche reisten wir durch die sanften und immer flacher werdenden Hügel Südhaselhains, vorbei am düsteren und sagenumwobenen Alkrawald, über den man sagte, dass ein leibhaftiger Sohn Borons oder Golgaris dort schlief, halb Rabe, halb Drache, der, wenn er aufwachte in Wahn verfiel, ob der schweren Bürde seiner Abkunft. Eine alte Legende der Nebachoten, wie mir Ashina berichtete, die über solche Themen jetzt, irgendwie anders sprach, als wären sie plötzlich anders in ihren Augen. Jedenfalls erreichten wir bald darauf das aufblühende Eslamskesh mit der gleichnamigen Zollfeste.
Schon im Süden Sebarins hatten wir eine gewisse Unruhe gespürt, die über der Gegend lag. Doch durch die schnelle Abreise und das rigorose Vorgehen der Krieger des Korbrunners war es dort mehr ein vages Gefühl geblieben. Doch hier war es - auch unser Ruhe geschuldet - klarer auszumachen. Gerade an solchen Ballungsräumen wie Eslamskesh, bemerkte man einen Konflikt, von dem wir schon gehört hatten. Seid der Einigung von Morganabad gab es vermehrt Unruhen im Süden. War die Zugehörigkeit bestimmter Regionen bis dahin nie offiziell geklärt, waren nun die Aranier auf dieser Seite damit konfrontiert, dass sie nun ganz offiziell Untertanen von Perricumern waren. Und viele sahen sich hierbei als Untertanen zweiter Klasse. Und diesen Konflikt konnte man spüren und an Hand von wenigen Details ausmachen - Graffito, Blicke, Dialoge, Streits. Doch die Leute rauften sich hier noch zusammen, war einer gewisser Marktfrieden doch wichtig für den Handel, der hier allen wichtig war. Im nächsten Ort, den wir spät am Abend erreichten, war dies dies schon ganz anderer Fall. In Klein-Baburin hatten, dem Namen passend, die Baburen/Aranier alles schon viel fester im Griff. Und wir kamen in den “Genuß” der Rede eines gewissen Kazar Al’Aran und seiner Rechten Hand Farima Dorsasunni, welche das offensichtliche Unbehagen der hier nicht geringen aranischen Bevölkerung schürrten. Nicht etwa hetzerisch, so dumm waren diese beiden nicht, sondern subtil und strategisch. Doch seine Wirkung verfehlte es offensichtlich nicht. Wir hielten uns fern von der Szenerie, doch konnten die aufkeimende Hitze zwischen den aranischen und nicht aranischen Bewohnern bemerken. Ob man uns - teilweise “Altaranier” - eher als Verbündete sehen würde oder alte Vorurteile über die “Kaisertreuen Verräter” hier obsiegen würden, konnten wir nicht abschätzen. Doch interessant für unsere Herrinnen, allen voran Sulamith, könnte dieser Umstand schon sein, vorallem weil er stärker ausgeprägt war als gedacht.
Auch in der ländlichen Gegend am Übergang zum Junkertum Speerspitz war all das, wenn auch weniger, zu spüren. Darüber hinaus hatten wir - vorallem ich und Nazir - das Gefühl, dass wir, nach unserer Übernachtung in Klein-Baburin irgendwie nicht mehr allein reisten. Was natürlich auf einer offenen Straße entlang der Grenze, auf dem auch einige Händler verkehrten, nicht genauer auszumachen war. Ob wir wirklich beobachtet wurden, müssten wir im Auge behalten. Doch wer sollte uns folgen? Hatten die Haselhainer Baronsvasallen uns bereits auf dem Kieker, hatten uns die Aranier doch bemerkt oder waren es gar Häscher der Korbrunner? Genug zwielichtiges Gesindel kannten letztere ohne Zweifel.
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