Geschichten:Hülle & Fülle – Sebarin und die Halle der Ahnen
Sebarin, das Land des Wassers, machte seinem Namen alle Ehre. Im Saatmond der lieblichen Peraine, gönnte Efferd dem Landstrich seinen Segen durch immer wieder aufkommende kurze Schauer, die das ohnehin feuchte, salzig-moorige Land noch lehmiger machte. Interessant war der lehmige Boden evtl. für spätere Restaurationsarbeiten am Füllhorn, also nahm ich ein paar Proben und nahm mir vor, an jeder der Stationen eine zu nehmen.
Sebarins Seen- und B(r)achlandschaft stand also über ihrem Pegel und ihr über die Ufer tretender Schlamm verhalf der Natur und den Feldern zum schnellen Sprießen der ersten Setzlinge. Eigentlich ein idyllischer Ort, wenn da nicht diese Schwärme von Stechmücken und der hiesige Baron gewesen wären. Zweiterer war ein Plage wie erstere und die Warnungen unserer Herrinnen hätten wir gar nicht benötigt, so kannte doch jeder den Bluthund Al’Arik von Korbrunn, der unter den Brendiltaler Baronen aufgestiegen und letztlich ihre Erben betrogen hatte. Bis Heute hielt er den ehemaligen Norden Brendiltals in Atem mit seinen Sticheleien und seinem Säbelgerassel aus dem Süden. Wir hatten - begleitet von dem Gesang und Spiels Robans – von Norden aus Ebengard die Grenze gequert, dort hatte man uns schon mit Fragen gelöchert und sicher beobachtete man uns auch jetzt noch, der Baron unterhielt nicht nur bissige Krieger, sondern auch (hinter)listige Schmuggler und Ganoven, das wusste ich. Dennoch hatten wir unseren Weg unbeirrt fortgesetzt, denn es galt, sich zu beeilen. Wir passierten den zwielichtigen Markt Altersbach und die ersten von schlichten Fruchthainen umstandenen Seen, um dann rahjawärts zu reiten bis zu Dorf und Markgräflich Mantikorszahn, das umgeben war vom Junkertum Korbrunn, dem Stammlehen der Familie des hiesigen Barons. Dementsprechend mulmig war uns auch. Dies löste sich erst auf, als wir die Grenze zu den Markgräflichen Landen übertraten. Und dort, nicht unweit des typisch südperricumschen Dorfes im Schatten der Waisen-Festung, stand auch die düstere Halle der Ahnen. Dunkel, beinahe morbide, in seiner teilruinösen Optik erzählte sie eine Geschichte von vergangenem Glanz. Hier wachen die Herren der Chroniken über ungezähltes Wissen der alten Babur Nebachosja und deren Nachfolger. Da mich solche Orte von je her anziehen, war ich neugierig, aber nicht allen in der Gruppe ging es so.
Den Zugang bekamen wir über die Nebachotin Ashina, doch, die dort Arbeitenden waren fast ausschließlich Männer, alle beäugten uns skeptisch, man ließ uns allerdings gewähren, doch hesindegefällige Hilfsbereitschaft kenne ich anders. Dazu wirkte dieses „Archiv“ alles andere als strukturiert, beinahe chaotisch. Das schob man hier wortkarg auf Tradition, aber vorallem zu wenig Geld, zu wenig Helfende, zu viele Probleme wie Feuchtigkeit, Ungeziefer, Platz etc. Dennoch, ich war hin und weg. Was für Schätze mochten hier unentdeckt liegen?
Was in der Haupthalle sofort auffiel, war ein gut platzierter und fein drapierter Fetzen eines Wandteppichs an einer Wand, in dem ein Krummdolch steckte. Der „Heilige Simold von Pfiffenstock“ hatte hier einen Beweis für einen historischen Bund zwischen Nebachoten und Trollen gefunden, hieß es.
Nach einiger Zeit, in der wir im Grunde nicht einen Deut voran gekommen waren, bemerkte ich einen vergleichsweise „jungen“ Chronisten um uns herum schleichen.
Ich machte Ashina darauf aufmerksam, die gerade dem Zackenländer Roban die vertrackten Eigenheiten der nebachotischen Kultur nochmals näher bringen wollte. Sie und ich nahmen uns den Burschen zur Brust.
Natürlich zierte er sich zunächst, doch meinem Charme und den Muskeln Ashinas konnte er sich nicht entziehen und so verriet er uns u.a., dass er unglücklich hier war. „Die vorherrschen Korbrunns geben sich so, als gehöre das Wissen der Ahnen nur ihnen, dabei steht es allen (Nebachoten) offen.“, berichtete er enttäuscht. Mit dem süßesten Säuseln, dass ich hervorbringen konnte, stimmte ich dem jungen Mann zu, der sich sichtlich geschmeichelt fühlte, während Ashina neben mir die Augen verdrehte.
Sein Name war Hayadimo Aybengad - aus Ebengard im heutigen Herdentor - er war etwa 29 oder 30 Jahre alt und hatte kurze, braune Locken, trug ein hier erfrischend wirkendes, helles Tunikaartiges Nebachotengewand und hatte ein neckisches Grinsen. Er erzählte uns, dass er hier vor etwa 15 Jahren mit seiner Ausbildung begonnen hatte, vor allem bei dem (recht offenen) Gelehrten Faruk a Maar. Dieser war aber gestorben und die meisten anderen hier waren verstaubte Anhänger der Familie Korbrunn.
„Damals, mit Meister Faruk, war noch alles beim Alten, was nicht immer gut, aber einfacher und klarer war.“, sagte er immer wieder. Ich berichtete ihm – allerdings nur sehr vage - von unserer Suche und dass wir hier nicht weiter kamen.
Hayadimo, mittlerweile ganz vernarrt in mich, wollte helfen, nachdem ich ihm etwaige Bedenken, den Vorgesetzten gegenüber mit hesindianischen Argumenten und etwas Gefahrengebühr entgegnete, die ihm die entnervte Ashina versprach.