Geschichten:Hardenstätter Familienangelegenheiten - Schlechtes Omen
Dorf Sterkrade, Baronie Vellberg, 5. Namenloser Tag 1044 BF
Obgleich es Tag war, konnte Ilmar das Praiosmal aus seinem Fenster nicht sehen. Es waren die zweiten Namenlosen Tage, die er nicht im Stammsitz seiner Familie, sondern hier in Vellberg verbrachte. Eigentlich hätte er mit seiner Frau und ihrem gemeinsamen Kind vor dem Jahresumbruch nach Zackenberg reiten wollen, doch Veriya stand kurz vor der Niederkunft und weder er, noch sie wollten riskieren, dass dem ungeborenen Kind irgendwas geschehe.
Gelangweilt blickte er weiter aus dem Fenster, die Wolkenformationen türmten sich bedrohlich auf und schienen sich wie Wellen über die Trollzacken zu schieben, um kurz darauf wieder in sich zusammenzufallen. Eine fast hypnotische Wirkung ging von der Wolkendecke und ihrem Spiel aus und bewirkte in Ilmar ein Gefühl der Unruhe und des Unbehagens.
Ohne dass der Ritter es bemerkt hätte war die Magd in das Zimmer gestürmt. “Hoher Herr! Eure Frau, das Kind! Es kommt!”, ihre schrille Stimme riss den Mann unsanft aus seinen Gedanken. Verwirrt und erbost blickte er sich um und schien eine Ewigkeit zu brauchen, die soeben vernommenen Worte zu verarbeiten.
“Was?! Nein! Die Namenlosen Tage sind noch nicht vorbei! Tut was, Weib! Die Geburt muss verzögert werden!”, rief der Hausherr erbost und verzweifelt. Ruckartig erhob er sich von der Bank und rempelte die Magd an, während er zu Veriya eilte. Das Kind durfte nicht in den Namenlosen Tagen das Licht - oder besser Unlicht - Deres erblicken! Ein schlechteres Omen für die Zukunft seines Kindes konnte er sich nicht vorstellen.
Es war bereits tiefste Nacht als das Haus der Landvögtin von Kupferklamm mit Säuglingsgeschrei durchdrungen wurde. Die Sternenleere stand noch immer am Firmament und legte sich wie ein Netz über das kleine Dorf in den Zacken. Veriya von Aarenhaupt lag erschöpft im Bett und hielt den kleinen Säugling liebevoll in den Armen, die Magd stand neben ihr und blickte ebenfalls freudig auf das kleine Würmchen. Nur Ilmar stand am Fenster und schaute abwechselnd sorgenvoll nach draußen und zum Säugling. Sie hatten es nicht verhindern können, dass Emmeran in den Namenlosen Tagen geboren wurde. Ein Makel, den niemand erfahren durfte, dessen war sich der Ritter sicher. Unwillkürlich warf er der Magd einen finsteren Blick zu.