Geschichten:Hartsteen - Ende Boron 34 Hal - Weiler Feldsteynchen III
Nach Besichtigung der Örtlichkeiten und einer Lagebesprechung mit Seginhardt ging der Custodias zielstrebig dem Ritter Frostelin von Windischgrütz nach. Grußlos trat er in das Haus ein und begann zu sprechen, als der mürrische Ritter emporschnellte, kaum das er die hochgewachsene, schwergerüstete Gestalt bemerkt hatte: "Sechs Götterläufe ist es nun her, dass wir uns zuletzt gesehen haben. Damals seid ihr kein Ritter gewesen. Lange Zeit waren diese Gefilde ein Idyll, beschirmt vor den Schrecken. Wer Furcht und Leid unter den wackren und frommen Menschen säht, wer Verdorbenes herbeiruft, dessen Asche werde ich in den Wind streuen, wenn seine Seele durch die Hitze des Feuers gereinigt wurde. Ich werde nicht zusehen, wie alles um mich herum ein Gebeinfeld, im besten Falle ein Boronsanger, wird."
Aug in Aug standen sie nun, Ritter und Inquisitor.
"Wenn nur die Hälfte davon wahr ist, was die Leute sprechen, warum habt Ihr uns dann nicht gerufen, Ritter?"
Der junge Ritter hielt dem strengen Blick des Inquisitors lange stand, doch schliesslich blickte er zur Seite. Seine Stimme sollte wohl stark und hart klingen, aber der Inquisitionsrat hörte die Furcht und den Respekt ohne große Anstrengungen heraus: "Wir vertrauen nicht dem gräflichen Zeugmeister, der ein Amt besetzt, welches ihm nicht zusteht, und Euch vertrauen wir nicht", er blickte dem Inquisitor mutig und trotzig ins Gesicht, "weil Ihr schon in der Vergangenheit gezeigt habt, welche Seite Ihr vertretet! Als ich in Eurem Schauprozess gegen meinen Cousin als Zeuge aussagen wollte, habt Ihr mich überschrien und mundtot gemacht. Dabei wusstet Ihr genau, dass Fredehart kein Ketzer gewesen ist! Und sein Haus neben dem Praiostempel habt Ihr dem Besitz der Kirche überantwortet, anstatt es der Familie zu geben, der es gehört. Ihr seid nicht von hier, und bevor Ihr nach Hartsteen gekommen seid, war alles besser!" Seinen letzten Worte konnte man deutlich anhören, dass sich der Ritter arg in Zaum halten musste, um nicht ausfallend gegen den Inquisitor zu werden.
Der Inquisitionsrat sprach kühl und fast wie zu sich selbst: "Seginhart dulde ich nur und er wird sich winden, wenn er seine Funktion nicht erfüllt." Dann ging er den Ritter wieder energisch an: "Diese Sache ist zu groß, um sie in Euch zu behalten. Für wen haltet Ihr Euch beurteilen zu können, wo verborgene Verderbnis ist? Glaubt ihr, Hartsteen hätte in der Nähe der aufgebrochenen Eiterbeule im Osten friedlich vor sich hindämmern können, wenn wir nicht wachsam gewesen wären und solch verkommene Menschen, wie Fredehart geläutert hätten? Warum lebt ihr noch, obwohl ihr nicht begriffen habt, was vor sich ging und Euch bis heute etwas vormacht? Doch aufgrund unserer Nachsicht!"
Der Ritter wollte aufbrausen, doch der hünenhafte Glaubensrichter stieß ihn nieder. Es hatte immer noch viel Kraft, auch wenn man jetzt durch vernarbte Löcher die Knochen seines linken Armes erahnen konnte. Er setzte eindringlich nach, während er Frostelin davon abhielt sich aus seinem Griff zu entwinden: "Eure kleinlichen und selbstsüchtigen Vorbehalte leisten auch jetzt dem Bösen Vorschub. Doch ich glaube an Euch; Ihr habt Zutrauen zu den Göttern, warum also diese kindliche Verstocktheit? Hätte ich mich Euch gründlicher widmen müssen? Warum behaltet Ihr etwas für Euch, wenn Ihr nichts Böses in Euch habt? War Fredegast wirklich ohne Fehl? Habt Ihr immer gesehen, was er tat? Kann es stimmen, was er erzählte? Erinnert Euch, wie er zusammenbrach und gestand! Sprecht!"
Schweiß stand auf der Stirn des Ritters, als der Inquisitionsrat ihm anerkennend auf die Schulter schlug und mit einer Ahnung das Anwesen verließ. Er hatte etwas bewegt und hoffte, dass ihm genug Zeit bliebe, damit er den Jungen nicht doch noch brechen würde müssen.