Geschichten:Hartsteen - Travia 34 - Burg Ebenhain

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Die Gruppe hatte die kleine Anhöhe der Burg in den frühen Abendstunden erreicht. Aus dem nahen lichten Birkenwäldchen schwebte der leise Ruf eines Käuzchens herüber, als ob die weise Herrin den goldenen Herbst selbst verabschieden wollte. Lange Schatten fielen über die wogenden Kornfelder im Tal, die Bauern waren noch auf dem Feld und bereiteten die reiche Ernte vor, die man in den kommenden Tagen und Wochen einfahren würde. Die Tage des Hungers schienen vorbei, es sollte reichlich Vorräte für den nächsten Winter geben.

Vor den wuchtigen Toren herrschte lebhafter Betrieb. Schausteller und Marketender bauten ihre Stände und Buden auf; Jungen aus dem Dorfe standen mit leuchtendem Blick und schauten zu, wie vor ihren Augen eine ganze Stadt aus Zelten entstand. Die ersten Zuckerbäcker öffneten bereits ihre Buden, winkten freundlich und lachend die aufgeregten Kinder zu sich und verteilten großzügig klebrigen Karamell. Andernorts wehte ein dröhnender Geruch von Sandelholz und Kiefernnadeln durch den Jahrmarkt. Händler verkauften die ersten Duftkerzen und Öle an Mädchen aus der Burg. Mit scheuen Blicken schaute man den drei Ordensrittern hinterher, die in dem Tor verschwunden. Ein besonders hübscher und junger Krieger von ihnen schaute noch einmal zurück und schenkte ihnen ein besonders freundliches Lächeln. Kichernd liefen die jungen Mädchen scheu davon.

Wie in jedem Jahr feierte man in Burg Ebenhain den Beginn der Ernte und dem damit verbundenen Perainesegen zusammen mit dem Jahrestag der Erhebung der Familie Windischgrütz in den Ritterstand. Dieses Jahr, im Jahre 34 Hal, sollte es ein besonderes Fest geben, denn man feierte zum tausendsten Male.

Seit Menschengedenken war es Tradition in Hartsteen, dass die Rittergeschlechter zusammen mit dem Hartsteener Volk diese Tage feiernd verbrachten. Und da die letzten Jahre auch Hartsteen Hunger und Not gebracht hatte, bereitete man sich auf ein besonders schönes Fest vor. Denn die Götter schienen es offensichtlich gut mit ihrem Land zu meinen.

Mehrere Tage zogen sich die Vorbereitungen schon hin, allerlei wohlschmeckende Köstlichkeiten aus allen Landen hatte man auf die Burg geholt und die vielen Gäste angemessen zu bewirten. Denn während die einfache Bevölkerung in den nächsten Tagen mit der Einfuhr der Ernte beginnen sollte, vergnügte die Ritterschaft sich mit Feiern und Jagd mehrere Tage lang. Man ließ Gaukler und Schauspieler aus fremden Teilen Aventuriens ihre Kunststücke und Darbietungen aufspielen und belohnte sie reichlich für ihre Mühen. Der Höhepunkt jedoch war jedes Jahr eine öffentliche Feier, bei der man die verdienten Freunde der Familie vor allen Augen belohnte und ihnen Geschenke machte, um seine Gunst zu zeigen. Die Bevölkerung sah so viele bekannte Recken und Streiter, die sie nur aus Erzählungen und Geschichten der Marketender kannte. Zauberer mit spitzen Hüten zauberten goldene und silberne Luftschlösser vor der staunenden Menge und manchmal konnte man auch Tulamiden mit weißen Turbanen oder dunkelhäutige Mohas bewundern.

Und immer wieder zeigten sich die hohen Herren freundlich und mild gegen ihre Untertanen. Alte und Krüppel lud man zu sich an den reichgedeckten Tisch, ließ sie von den Speisen wählen und schenkte ihnen so manche Heller und Kreuzer. So war es nicht sehr verwunderlich, wenn auch manche dunkelgekleidete Gestalt durch die Reihen zog und manch finsteres Gesicht die Kinder erschreckte. Auch hatte es schon häufig Streitereien und Schlägereien um die Gunst der Herren gegeben, die mitunter mit Beulen und gebrochenen Rippen endeten. Doch die Ritter der Familie Windischgrütz achteten sehr darauf, dass der Trubel in seinem Rahmen blieb und manch einen betrunkenen Bauern hatte man auch schon zum Ausnüchtern in den Karzer der Burg geworfen. Und dennoch war es jedes Jahr ein Fest, zu dem die Hartsteener des Umlandes gerne anreisten.

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Der Hausherr begleitete die drei Ordensritter zu ihren Kammern. Sie waren, wie der Wächter Garetiens ausdrücklich gewünscht hatte, schlicht und ohne unnötigen Tand eingerichtet. Eine Truhe und ein einfaches Feldbett waren die einzigen Möbel der Räume. Neben Gerion Sturmfels, dem Wächter des Ordens des Heiligen Zorns, der Göttin Rondra waren ebenfalls sein Knappe Edelhardt und Arn Feuersturm al Ankhra, der Prätor des Rondraschreines zu Puleth, angereist, um den festlichen Tagen beizuwohnen. Das Familienoberhaupt Bodebert von Windischgrütz hatte die Ordenskrieger ausdrücklich eingeladen. Man wollte damit den Adligen der Grafschaft und des Königreiches zeigen, dass man den Männern, die der Herrin Rondra dienten, Respekt und Anerkennung zollte und dankbar war für ihre Präsenz an der Baustelle des Siegestempels zu Puleth. Doch nicht nur die Ordensritter waren geladene Gäste. Traditionell waren auch Familienmitglieder des Hauses Hartsteen geladen, dem man sich eng verbunden fühlte und deren 1000jährige Geschichte man teilte. Zusammen seinen Kindern Danos und Odilbert hatte sich Luidor von Hartsteen auf Burg Ebenhain eingefunden, dem man die Ehre der Ehröffnungsrede erteilt hatte.

Seine Frau, die vor wenigen Monaten ihre Tochter Rudane Madatreu zur Welt gebracht hatte, war auf Burg Natterdorn geblieben. Ebenfalls gekommen war Hilbert von Hartsteen mit seiner angetrauten Frau Alena von Hartsteen, der Tochter des Barons von Gallstein, welche vor wenigen Wochen in der freien Reichsstadt Hartsteen den Traviabund geschlossen hatten.

Andere Ritter verschiedener Ritterfamilien hatten ihre Zelte vor den Toren aufgeschlagen. Einzig die Familie von Schwingenfels hatte man in diesem Jahr nicht eingeladen, denn noch immer herrschte Streit zwischen den Häusern Windischgroetz und Schwingenfels. Seitdem der gräfliche Zeugmeister und Familienoberhaupt Seginhardt von Schwingenfels in einem polemischen Pamphlet den jungen Orden des heiligen Zorn zur Abreise aus Hartsteen aufgefordert hatte, hatten sich die Fronten zwischen den Hartsteener Familien verhärtet.

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„Freunde, Hartsteener, Mittelreicher! Vor tausend Jahren gab Kaiser Raul von Gareth Unserer Ahnin Serapha Rondrigunde dieses Land östlich von der Kaisermark zum Lehen. Und vor tausend Jahren schlug Unsere Ahnin Serapha Rondrigunde den ehrbaren Mann und Krieger Kyndobar Vynischgrys zum Ritter und baute mit seiner Hilfe eines der schönsten und fruchtbarsten Land auf, die unter der klugen Hand der Kaiser von Gareth wuchsen und gedieh! Und auch wenn wir heute meinen, unsere Stellung im Reiche wäre nicht die, die sie sein sollte, dann bedenkt! Welche Grafschaft des Mittelreiches kann sich mit der großartigen Geschichte Hartsteens messen? In welchen Landen des Mittelreiches zählt ein Wort eines Ritters noch so viel wie hier in Hartsteen? Wo im Mittelreich gib es ein Volk, welches so sehr den Zwölfen verbunden ist und von seinen Herren so geliebt wird wie das Hartsteener Volk?“

Luidors Rede wurde unterbrochen von einem lauten und anhaltenden Jubel der etwa 2000 Menschen auf der Festwiese unterhalb der Burg.

„Und die Götter belohnen den, der nicht mit blinder und brutaler Wut die Hierarchie des Adels gegen das Volk festmauert, sondern den Einsichtigen, der das Gesetz des Götterfürsten mit edlem Herzen und aufrichtigem Geiste lebt! Die Götter belohnen das Volk, welches seinen liebenden Herren dient und ihm in guten und in schlechten Zeiten die Treue hält! Die Götter belohnen Hartsteen!“

Der ausbrechende Jubel und die „Hoch Luidor!“ Rufe hielten lange an, und sichtlich genoss der Fünfzigjährige Diplomat aus dem Hause Hartsteen den Jubel der Menge, bis er fortfuhr:

„Hartsteener! Die gütige und gebende Mutter Peraine hat in diesem Jahr die Felder mit goldenem Korn gefüllt und wartet darauf, dass es von fleißigen Männern und Frauen eingebracht wird! Wir wollen feiern und ihr danken, und dann gestärkt an die Arbeit gehen, und unserem hungernden Land das Gold unserer Felder geben! Auf, ihr Hartsteener! Feiert diesen Tag, und bringt die Ernte ein!“


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Texte der Hauptreihe:
1. Tra 1027 BF
Burg Ebenhain
Nahe bei Puleth


Kapitel 2

Nahe bei Puleth
Autor: Hartsteen