Geschichten:Hartsteener Kassen - Der Wucherer
Nettersquell im Schlund, Ende Tsa 1034 BF
Der alte Zwerg lief an dem Anleger auf und ab während sein Atem dampfend in die kühle Tsa-Nacht stieg. Dezent im Hintergund waren ein halbes Dutzend gut bewaffnete Zwerge und ein Karren mit zwei Zwergenponys, deren Atem sich ebenfalls gegen das Licht der kleinen Laterne abzeichnete.
Der vorlaute Olberich, sein Großneffe, zeigte auf das andere Ufer der Natter, das für Menschen und alte Zwerge vollständig im Dunkeln lag "Onkel - da kommt das Floß."
Der alte Zwerg nickte "Gut, dann alle in Position. Die Großen halten uns immer gerne für Kinder, wenn wir ihnen nicht Waffen und Rüstungen zeigen - kurbelt schonmal." Ein vierstimmiges Klackern gut geölter Schlunder Kurbeln erfüllte die Nacht und schallte über die Natter hier, wo einst die Bogenbrücke stand, bis der Natternunhold sie 599 BF in die Tiefe riss. Der alte Zwerg selber hatte sie nie betreten, aber zu jungen Zeiten seines Vaters stand sie noch.
Das Floß kam jetzt auch für den Alten in Sicht. Eine Frau saß mittig auf einer Kiste, während zwei kräftige Kerle das Floß langsam am über der Natter gespannten Seil auf die Schlunder Seite zogen. Der Alte machte sich so breit wie es sein alter Rücken erlaubte. Als das Floß anstieß, wischte sich der hintere Knecht die Hände am Mantel ab und half der Dame beim Aufstehen und dem großen Schritt auf den Anleger.
Sie knickste und blieb unten - eine sehr höfliche Geste dem Zwergen gegenüber - dann zog sie die Kapuze aus dem Gesicht. "Väterchen, ich komme im Auftrag von Wohlgeboren..."
Der Alte unterbrach sie "Schsch - keine Namen, man weiß nie, welches Füchslein zuhört.", er bot ihr seinen Arm zum Aufstehen, "Komm mit mein liebes Kind."
Gemeinsam schritten sie zum Karren, einer der beiden Zwerge ohne Schlunder Kurbel zog die Plane zu Seite und offenbarte eine kleine Truhe die der Alte flink öffnete. Im flackernden Licht der kleinen Laterne glänzte das Gold verführerisch, "Zwei mal tausend Dukaten, wie bestellt - wenn Dein Mandant die Bedingungen akzeptiert."
Mit einem tiefen Seufzer nichte die Dame, "Eure Bedingungen beleidigen den göttlichen Fuchs.". Der Alte grinste, "Der gilt für uns Zwerge nicht, musst Du wissen. Und bedenke immer, dass Dein Mandant die Rückzahlungen reduzieren kann, für jeden weiteren Schuldner, den er mir anschleppt. Wir beleihen diskret alles was Wert hat - Tafelsilber, Lehensfolgen, Güter, gesunde Tiere, Schürfrechte oder auch das Familienschwert. Du weisst, wie Du mich erreichen kannst?"
Die Dame nickte und rezitierte, "Eine Nachricht in den Hohlraum hinter das Relief Firunians von Reichsend am Ingerimm-Schrein zu Hartsteen werfen."
Der Alte grinste zufrieden. "Gut, gib das weiter - aber dezent!", er schaute die beiden Zwerge am Wagen an, "Worauf wartet Ihr? Ladet das Gold ein - und Du schuldest mir nur noch den unterzeichneten Vertrag."
Auf dem Rückweg zum Floß griff die Dame in ihren Mantel, "Hier bitte, wenn auch schweren Herzens."
Der alte Zwerg reichte Ihr persönlich die Arm als sie auf das Floß stieg, "Noch eine Warnung unter Freunden und unabhängig vom Geschäft: Pass auf, dass Dir kein Gold in die Natter fällt. Die alten Runensteine besagen, dass das den Natternunhold wiedererweckt - und das wollen wir beide - Schlunder wie Hartsteener, doch wohl nicht, oder?"
Als das Floß in der Dunkelheit verschwunden war und die Zwerge ihre Kurbeln entspannt hatten, drehte sich der Alte zu seinem Großneffen hin "Olberich, dass ist ein Gefühl wie der Fund einer Goldader. Erst geben sie uns jahrelang Ihr Geld, um Schlunder Waffen und Rüstungen für ihren dämlichen Grafenzwist zu kaufen, und jetzt verleihen wir es ihnen wieder zu horrenden Konditionen."
Der "Kleine", der seinen Großonkel um zwei Finger überragte, hielt es nicht mehr aus und fragte seine Frage, die ihm schon so lange auf der Zunge lag, "Was machen wir denn mit den ganzen Gütern und Lehensfolgen? Sowas kann man ja nicht holen und lagern, wenn es hart auf hart kommt."
"Das ist ganz einfach, mein lieber Junge", dozierend hielt der alte Zwerg den Zeigefinger in die Höhe, "Optionen darauf verkaufen so schnell wie möglich in die Kaisermark. Da gibt es eine Menge reiche Stadtritter, die sich einen Landsitz im Feidewald wünschen."
"Und wenn die Hartsteener doch zurückzahlen sollten?", bohrte der Olberich weiter nach.
"Du hast die Konditionen doch gesehen, oder? Das ist höchst unwahrscheinlich, das Rest-Risiko schlagen wir auf den Kaufpreis für die Optionen auf."
Olberich behielt seine letzte Frage für sich. Das Ganze hätte sein in den Stollen erfahrener Großvater mütterlicherseits eine "Gasblase" genannt. Man kann jahrelang darüber wohnen und arbeiten, aber wenn einmal der falsche an der falschen Stelle in den Boden hackt, wird die ganze Binge darüber einstürzen.
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