Geschichten:Herz in Splittern, Herz im Aufbruch
ich danke dir für deine Zeilen, in denen du mich bittest, dir einmal genau die politische Zersplitterung im Herz des Reich zu erklären. Lass die Spötter und Rankeschmiede in der Reichsverwaltung nur ihre politische Unkenntnis offenbaren, wenn sie über die "garetischen Zustände" lästern, die man langsam mal ordnen müsse. Wäre es so einfach, wie die kleinen Lichter aus den Nordmarken und den anderen unbedeutenden Randgebieten des Reiches es sich vorstellen, dann hätten weitaus fähigere Reichslenker wie Reto, Hal oder Answin diese Ordnung längst geschaffen.
Die Krone hat die Schlacht am Tal der Kaiser gewonnen und die Verräter um den selbsternannten Großfürst und seinen ebenso eigenmächtig gekrönten Grafen sind gefangen gesetzt worden. Auch wenn die Urteile zu Meilersgrund noch ausstehen, beobachten wir im Umfeld des Hofes einige Gruppierungen nicht kleinen politischen Einflusses, die schon das Garetien nach den Prozessen planen. In diesem Brief möchten ich die wichtigsten sechs einmal vorstellen.
Die Monarchisten
Am auffälligsten und offensivsten sind wohl die Mitglieder und Verbündeten des Kaiserhauses, allen voran die jene junge Garde um den neuen Grafen Gerwulf und den Kaiserinnengemahl Rondrigan, die den greisen Storko mehr und mehr aus der Öffentlichkeit verdrängen.
Die Monarchisten stehen für eine Wiederherstellung der Zentralmacht im retoschen Stil, eine Rückbesinnung auf die Zeit vor der Ochsenbluter Urkunde in Kombination mit einer zunehmenden Ämter- und Lehensmehrung für jene die das Blut Gareths tragen.
Die Aristokraten
Viele der großen alten Häuser und Familien Garetiens verfolgen eine den Monarchisten diametral entgegenstehende Agenda. Sie versuchen den Einfluss und die Eigenständigkeit der alten Grafenhäuser zu wahren und zu mehren.
Mit den beiden politisch noch unerfahreneren Grafen von Reichsforst und Hartsteen und nach der Niederlage beide Grafenhäuser in Eslamsgrund schwand ihr Einfluss in den letzten Jahren aber massiv.
Die Traditionalisten und Idealisten
Insbesondere geprägt durch die Gründung des Ordens von Korgond und die wenig später berichtete Wiederentdeckung Korgonds, vereinten sich bei den Traditionalisten und Idealisten solche, die sich dem ritterlichen Ideal und der althergebrachten Herrschaftsidee verbunden fühlen.
Dadurch gab es in diesen Reihen auch deutliche Überschneidungen mit dem großfürstlichen Fuchsrudel und seinen Mitgliedern, die nun in Meilersgrund vor Gericht stehen.
Die Neuerer und Mundanen
Selbst durch das Verbot der Nandus-Kirche im Jahr 1036 BF konnte die Krone diese Mischung aus Gebildeten, Bürgerlichen und Stadtadel nicht wirklich im Zaum halten. Und so schwanken deren Ideen zwischen hirtenhafter Fürsorglichkeit für das Wohlergehen des Reiches und revolutionären Umsturzideen.
Unter den Neuerern finden sich deshalb eben auch einflussreiche Patrizier aus den Reichs- und Königsstädten, aber eben auch Dämonokraten wie der Priester Elmenbarth.
Die Frömmler und Militaristen
Gerade die Frömmler und Militaristen haben in den letzten Jahren von der ständigen Bedrohung der Schwarzen Lande profitiert. Mit dem Fall Haffax' und der Rückeroberung Warunks verlieren sie zunehmend an Einfluss. Aber auch das eher rabiate Vorgehen der Reichsarmee bei der Befriedung des vom blutigen Jahr zerrütteten Königreiches trägt nicht zu ihrer Popularität bei.
Trotzdem finden sich in ihren Reihen auch außerhalb der Mitglieder der Reichsarmee noch so einige, die den Geboten der klassischen Götter des Adels, Praios und Rondra, fast fanatisch folgen - erstere oft in Greifenfurt, zweitere eher in Perricum.
Die Diplomaten und Pragmatiker
In dem Versuch, einen Ausgleich zwischen all diesen unvereinbaren Positionen zu finden und eher schnelle, praktische Lösungen anzubieten, um das Reich prosperieren zu lassen, zeigen die Diplomaten und Pragmatiker oft zu wenig klare Visionen, um Anhänger zu generieren die auch nur annähernd so für die Sache brennen, wie in allen anderen Fraktionen.
Und so scheinen sich die Reihen, in denen sich vieler Anhänger eher der Kirchen des Volkes - Phex, Peraine und Travia - finden, nicht so schnell zu füllen, wie sich in den letzten Jahren der Polarisationen geleert haben. Noch befinden sich dort aber so einige politische Schwergewichte, wie der Burggraf der Raulsmark, die als Stimme der Vernunft agieren.
Wie du siehst ist es vertrackt und kompliziert. Die nächsten Monde werden zeigen, welche Interessensgruppe zu obsiegen vermag. Aber ganz gleich, wessen Ideale und Vorstellungen sich am Hof durchzusetzen vermag, die politischen Spannungen werden nicht abnehmen. Ich befürchte eher, dass es der Auftakt zu noch tieferen Grabenkämpfen sein könnten.
Genieße daher das ruhige Leben im beschaulichen Elenvina und gehe regelmäßig an der frischen Luft spazieren, damit sich der Staub aus den Kanzleien nicht deinen scharfen Verstand vernebelt. Dein Vater würde sich jedenfalls freuen, wenn du ihn an der guten und erfrischenden Luft des Perlenmeeres besuchen würdest.
In Liebe