Geschichten:Hinter mächtigen Mauern - Der Seneschall und der Oberst
Reichsstadt Perricum, Peraine 1035 BF
Dramatis Personae:
- Zordan von Rabicum, Seneschall der Markgrafschaft Perricum
- Wallbrord von Löwenhaupt-Berg, Baron zu Vellberg und Obrist des Bombardenregiments „Trollpforte“
Zordan, angetan in edelste Gewänder nach Perricumer Art, stand vor der massiven Tür des Obristen des Regimentes „Trollpforte“ und strich sich noch einmal entlang des grauschwarzen Bartes. Der junge Diener müsste ihn bereits angekündigt haben. Als er gerade selbst die Tür öffnen wollte schwang sie nach Innen auf und der Diener bat ihn herein. „Wurde ja auch Zeit.“ Tadelte er den jungen, etwas verschüchterten Mann wie selbstverständlich im Vorbeigehen ohne ihn noch eines weiteren Blickes zu würdigen. Diesen richtete er gerade aus auf den, vor einem großen Kartentisch stehenden, Obristen, während er mit elegantem und würdevollen Schritt den Raum durchmaß. „Praios zum Gruße, Euer Hochgeboren, Oberst Wallbrord von Löwenhaupt-Berg.“, sprach er deutlich und wohlgesprochen in einem Ton der Stärke versprach, dabei sah er dem nur wenig größeren Oberst bestimmt aber unaufdringlich gerade in die Augen.
"Praios auch mit Euch", erwiderte der Baron freundlich. "Gerwulf, bring uns eine Karaffe Wein und dann sorge dafür, dass wir nicht gestört werden." Auch wenn Wallbrord nur ahnen konnte, was sein unerwarteter Gast von ihm wollte, so war er sich doch gewiss, dass es sich angesichts der verqueren Lage in der Stadt um etwas Wichtiges handeln musste, das nicht für jedermanns Ohren war.
“Oberst, ich komme in Angelegenheiten der Markgrafschaft zu Euch und täte dies nicht, wenn es nicht wirklich dringend wäre. Ihr seid ihr ja nun eher ein Kritiker des Markgrafen. Wie dem auch sei, mir kam Eure Aktion zu Ohren, die Zustände in der Stadt sind kaum noch tragbar, wenn auch kompliziert. Und ich muss sagen ich schätze Eure Initiative, aber ich denke allein mit Druck seitens des Militärs werden wir dem nicht Herr werden. Ich kontaktiere derzeit mögliche Partner für eine, nennen wir es Gegenallianz, zum Rat. Deshalb komme ich zu Euch. Was meint ihr dazu?“, begann der Rabicumer ohne Umschweife während er großzügig aber nicht ausschweifend gestikulierte.
"Sicher, mit manchen Entscheidungen seiner Erlaucht kann ich mich nur schwerlich anfreunden. Aber was ich noch weit weniger kann, ist vor hinterfotzigen Städtern, die außer Gold zusammenraffen und Intrigieren nichts gelernt haben, zu buckeln. Die sollen erst mal was für Reich und Provinz leisten!" ereiferte sich Wallbrord. Nach einer kurzen Pause, in der er sich ein wenig beruhigte, fuhr er nachdenklich fort: "Gerne will ich Euch unterstützen. Die Lage ist ganz schön vertrackt, da muss ich Euch leider beipflichten. Aber auch wenn ich - genau wie Ihr - Methoden und Ziele des Rates entschieden ablehne, sollten wir nicht den Fehler begehen, diese Leute zu unterschätzen. Bisher haben sie peinlich genau darauf geachtet, zumindest den Buchstaben nach dem Recht Genüge zu tun. Und da Perricum nun einmal Reichsstadt ist, haben wir als Amtsleute seiner Erlaucht leider nur wenig Möglichkeiten, offen gegen den Rat vorzugehen, ohne uns formal ins Unrecht zu setzen und im schlimmsten Falle aus der Stadt gewiesen zu werden." Die zunehmend säuerlich werdende Miene Wallbrords verriet Zordan, wie sehr seinem Gegenüber die Lage missfiel. Nach einem kurzen Moment des Schweigens hellte sich das Antlitz des Offiziers plötzlich auf: "Innerhalb der Stadtmauern mögen wir diesen Raffzähnen derzeit vielleicht nicht beikommen können. Aber außerhalb der Mauern haben sie nicht mehr zu bestellen, als Freibauer Alrik, da sollten wir ansetzen, auch wenn ich noch unschlüssig bin, wie."
Der Blick des Seneschalls veränderte sich, er wirkte jetzt beinahe boshaft, so entschieden war er. „Genau einen solchen Gedankengang hatte ich auch, Euer Hochgeboren. Die Städter sind kaum antastbar in ihren eigenen Mauern, doch außerhalb, auf dem Landweg in die Mark hinein, sind sie es sehr wohl. Da müssen wir handeln. Leider ist der Markgraf in Sachen des Reiches unterwegs. Doch werde ich, nach dem Besuch bei Euch, seine Anverwandte, die Landvögtin der Perrinmarsch, aufsuchen, die Sache mit ihr besprechen und sie um ihre Unterstützung bitten. Schließlich geht es auch um ihren Machtbereich, der immer noch dem Markgrafen untersteht und nicht der Stadt, auch wenn die das gerne hätte. Wenn wir den Warenfluss in und aus der Stadt hinaus mit ein paar bürokratischen Kniffen verzögern könnten, wird das für die Städter schon bald spürbare Ergebnisse zeitigen. Zusätzlich werde ich die Belange zwischen Stadt und Mark die durch mein Amt gehen, zweitrangig behandeln lassen. Ich denke Ihr versteht.“
"Brillante Idee", erwiderte Wallbrord mit deutlich hörbarer Begeisterung. "Wenn es Euch gelänge, die Landvögtin für ein gemeinsames Vorgehen zu gewinnen, dann könnten wir diesen impertinenten Krämerseelen im Rat nicht nur endlich auf Augenhöhe begegnen, sondern ihnen ihre Spielchen ordentlich verleiden. Man könnte etwa alle Warenlieferungen in die Stadt, die für Ratsmitglieder bestimmt sind, besonders streng und zeitaufwendig kontrollieren oder etwaige Söldlinge, die sich dem Rat andienen wollen, der Perrinmarsch verweisen und so von der Stadt fernhalten. Natürlich ist mir klar", fuhr der Oberst fort, "dass wir die Perricumer nicht komplett isolieren können, schon allein aufgrund des Seezugangs, aber wir können dem Stadtrat so deutlich machen, wo seine Macht endet, die des Markgrafen beginnt und dass eine Stadt ohne Hinterland auf Dauer nur schwerlich bestehen kann. Vielleicht kommt der eine oder andere im Rat dadurch ja zur Besinnung, auch wenn ich da nicht allzu hoffnungsfroh bin."
"Ja, solche Maßnahmen bezieht das auch mit ein, aber ich dachte da eher an sowas wie einen ziemlich wichtigen Passierschein A38 mit dem Waren aus und in die Stadt gekennzeichnet werden müssen, damit es keine Missverständnisse gibt. Selbstverständlich wollen wir der der Stadt damit nur entgegenkommen. Natürlich wird man diese Scheine nur über Stellen in meinem Amt und in der Perrinmarsch ohne großen bürokratischen Aufwand bekommen. Besser: Mit ganz wenig Aufwand, werter Oberst.“, dem Seneschall entrann sowas wie ein Lachen, dann sprach er weiter. „Natürlich ist mir bewusst, dass die Stadt nicht zu isolieren ist, was auch schlecht für die gesamte Mark wäre, also nicht in unserem Sinne wäre, aber irgendetwas müssen wir diesen Dreistigkeiten doch entgegensetzen, denn den Städtern ist leider nur allzu bewusst, dass eine Stadt nur mit genügend Hinterland sehr gut bestehen kann, deshalb wollen sie ja die Marsch.“, Zordan setzte kurz aus. Mit einer eleganten Bewegung setzte er sein Glas und an und leerte es mit einem großen Schluck. „Ich bin Seneschall Perricums seit 24 Götterläufen und habe einigen Einfluss, ich kann nicht zulassen, dass das hier so entgleitet. Ich denke, wir können die Stadt zu einem Vergleich zwingen, wenn wir jetzt hart bleiben. Tut Ihr das Eure, ich das meine und wie ich hörte, tun die Flottenadmiralität und der Heermeister das ihre. Zusammen können wir diese Stadt bändigen und das Beste daraus machen. Ich mache mir keine Illusionen, dies wird kein voller Erfolg für uns werden, die Stadt ist mächtig, aber wir können so noch zumindest einen Teilerfolg für uns verbuchen. Aber das Ding muss schnell vom Tisch, Haffax steht vor der Tür. Und deshalb will ich Euch noch um eine Eskorte markgräflicher Soldaten ersuchen, mit der ich zur Landvögtin reisen werde. Natürlich könnte ich auch Gardisten aus dem Lehen meines Enkels anfordern, aber die Städter sollen ruhig sehen, wer ihnen geeint gegenüber steht.“
"Selbstverständlich gebe ich euch eine angemessene Eskorte mit, erwiderte der Oberst. Ein halbes Dutzend erfahrener und verlässlicher Soldaten wird Euch zur Verfügung stehen, sobald ihr bereit zum Aufbruch seid. Und ich denke nicht, dass der Rat und seine Lakaien so töricht sein werden, gegen euch und eure Bedeckung vorzugehen"
Beide Männer leerten noch jeweils einen weiteren Weinpokal bevor man sich kurz und knapp verabschiedete. Der vom Rat hingeworfene Fehdehandschuh war aufgenommen worden.
Garetien-, Greifenfurt- und Perricum-Con 2012
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