Geschichten:Hirsch, Krähe, Katze – Die Katze bei Nacht
Goldlinden, 3. Peraine 1043
„Herr von Keilholtz?“, fragte Meara leise in die Nacht hinein. Erst war da nur Stille, dann jedoch ein leises Rascheln. Da fuhr sie fort: „Wie ist das passiert?“
„Sie ist an der Gaulsfurt gefallen“, erwiderte er ihr leise, „Gemeinsam sind wir in die Schlacht hinein geritten. Ich kam heraus, sie nicht...“
Einen Moment herrschte Stille.
„Das... das... das tut mir sehr leid“, erwiderte die Rían mitfühlend, „Deswegen sagtet Ihr, dass Ihr mich versteht, weil... weil Ihr mich versteht.“ Sie hielt einen Moment inne. Dann seufzte sie. „Irgendwie ist es beruhigend zu wissen, das man selbst nicht die einzige Person ist, die so empfindet, auch wenn es den Schmerz in keinster Weise lindert...“
Wieder kehrte Ruhe ein.
„Wie ist das passiert?“, wiederholte sie ihre vorherige Frage, „Das, mit Eurem Gesicht.“
„Ich dachte schon, Ihr fragt nie.“
„Meine Tränen und mein Kummer haben mir meinen Blick verschleiert“, versuchte sie kehlig zu erklären, „Und so ist mir erst vorhin aufgefallen...“
„Ich weiß, Ihr habt mich angestarrt. Aber da seid Ihr nicht die erste...“
„Verzeiht“, bat sie reumütig, „Es liegt mir fern Euch zu kränken! Es ist nur so, dass ich... ich so etwas nicht erwartet hatte. Mitten in der Nacht habt Ihr mich aus den Fängen dieser alten Hexe befreit. Ein tugendhafter, mutiger, ja gar tollkühner Mann, der sein eigenes Wohl zurückgestellt hat um die Gattin seines Kampfgefährten aus den Händen dessen Familie zu entreißen. Ein Mann mit warmen Händen und einer markanten, aber vertrauensvollen Stimme und so voller Tatkraft und Mitgefühl. Und wenn Ihr mich nun fragt, ob ich erwartet habe, dass das die eine Seite des Gesichtes meines Retters entstellt ist, dann sage ich Euch: Nein, erwartet habe ich das nicht. Aber einem Mann, der all das für eine vollkommen Fremde getan hat, nur weil er mit ihrem Mann zusammen gekämpft hat, tut so etwas keinen Abbruch. Ich fürchte mich nicht vor Euch. Auf eine merkwürdige Art und Weise, seid Ihr mir irgendwie vertraut. Vielleicht weil Ihr meinen Gatten kanntet.“ Sie hielt einen Moment inne. „Für mich seid Ihr nicht entstellt, sondern gezeichnet. Und dieses Zeichen hat gewiss auch eine Geschichte.“
„Eine Flammenlanze, in der Schlacht der drei Kaser. Der Schmerz streckte mich sofort nieder. Ich erwachte erst sehr viel später wieder und musste leidvoll erkennen, dass wir nicht nur die Schlacht verloren hatten, sondern ich auch meinen Vater, an dessen Seite ich als Knappe in den Kampf geritten war.“
Von solchen Dingen verstand Meara recht wenig: „Das klingt... schrecklich! Fürchterlich! Die Schlacht verloren und dann noch den Vater! Unfassbar. Es klingt aber, als hättet Ihr noch wesentlich mehr verlieren können..“
„Das hätte ich wohl...“
„Dann will ich den Göttern danken, dass sie ihre schützende Hand über Euch gehalten haben und Euch Euer Leben ließen.“
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