Geschichten:Hochzeit in Waldstein – Vereinigung
Irgendwo im Reichsforst, Ende Travia 1042 BF:
Es musste schon weit nach Mitternacht gewesen sein als Gisborn und Isida scheinbar ohne Ziel durch den nächtlichen Forst streiften. Doch sie hatten ein Ziel. Ihr gemeinsamer Bund musste nun auch vor dem Land vollzogen werden. Eine innere Stimme schien Gisborn zu lenken, zumindest spürte er in welche Richtung sie zu gehen hatten.
Die meisten Kreaturen des verwunschenen Forstes hatten sich zur Ruhe gebettet. Aber nicht alle! In der Ferne hörten sie das Heulen eines Wolfsrudels. Ein Uhu beobachtete die nächtlichen Eindringlinge regungslos.
Isida stockte einen Moment."Still, horch!"
"Das ist nur ein Kauz", versuchte Gisborn zu beruhigen.
"Der Kautz, der traurige Wächter des Forstes, war es also der schrie, um uns gräßlich gute Nacht zu wünschen.“
"Beachte ihn nicht weiter!"
So zogen die beiden weiter, einem undefinierbaren Gefühl oder Drang folgend, durch den dunklen Forst. Das Licht des vollen Madamals versuchte sich durch das dichte Blättergewirr des Waldes zu kämpfen. Schließlich gelangten sie an eine Lichtung, hinter der sich ein Felsvorsprung aufbaute. Unzählige Glühwürmchen tanzten im Mondschein. Seltsam anmutende Pflanzen, die Gisborn noch nie zuvor gesehen hatte, reckten ihre Hälse zum matt leuchtenden Madamal, das sich glänzend in einem kleinen Waldsee spiegelte.
"Welch wundersamer Ort", murmelte Isida kaum hörbar, "so geheimnisvoll furchteinfloßend und anziehend zugleich."
"Wunderschön!", Gisborns Stimme klang seltsam entrückt. "Wir müssen dem Wasser folgen."
Vor dem kleinen See blieben ie beiden stehen. Vereinzelt bedeckten blühende Seerosenteppiche das dunkle Gewässer. Gisborn begann sich zu entkleiden und auch Isida tat es ihm gleich. So standen sie da, Hand in Hand so wie das Land sie schuf. Mit Bedacht tauchten sie ihre Zehenspitzen in das Wasser. Es fühlte sich angenehm sanft auf der Haut an. Mit jeden Schritt glitten ihre Körper tiefer in das Nass, bis sie vollständig in der unergründlichen Dunkelheit des Wasser verschwunden waren. Stille.
Gisborn war der erste, der aus dem Wasser wieder auftauchte und sich in einer einer Art natürlichen Basin wiederfand. Isida folgte nur wenige Augenblicke später. Beide befanden sich in einer Höhle. Am Rand des Bassins waren faustgroße Kristalle eingelassen, die zu leuchten begannen. Die Felswände waren geschmückt mit bizarren Kristallformationen, die im Lichte der Leuchtquellen in den Farben des Regenbogens glänzten.
Die beiden frisch Vermählten schritten vorsichtig einen mit weichen Moos bewachsenen Pfad entlang. Die nach und nach zu leuchten begannenden Kristalle zeigten ihnen den Weg zu einem Durchgang am anderen Ende der Kaverne. Zwei steinerne Statuen mit verästelten Kronen auf ihren Häuptern flankierten den Eingang. Die Statuen mussten schon uralt gewesen sein, denn viele Details fielen wohl Satinav zum Opfer. So konnte Isida nicht mehr erkennen, ob die Dargestellten männlich oder weiblich waren. Oder waren sie gar bewusst geschlechtslos?
Hinter dem Eingang offenbarte sich ein riesiger Felsendom. Das natürlich gewachsene Gewölbe war netzartig von fluoreszierenden Flechten und Ranken bewachsen, die ein atemberaubend schönes, in unzählig bunten Farben leuchtendes Muster auf die Felsendecke zauberten. Am höchsten Punkt des Felsendoms befand sich eine kreisrunde Öffnung durch die das nächtliche Mondlicht strahlte.
Das Mondlicht erhellte ein ebenfalls kreisrundes Wasserbecken, in dessen Mitten eine dreiköpfige Frauenstatue das rauschende Nass in alle Richtungen verteilte. Am Rande des Beckens stand eine androgyne, männliche Statue mit verästelter Krone und Schwalbensymbolen, neben einer weibliche Statue ebenfalls mit Krone, sowie mit verbundenen Augen, Schwert und Füllhorn in den Händen.
Gisborn nahm sanft Isidas Hand und führte sie über den weichen Moosuntergrund in Richtung des Brunnenbeckens. Vertrauensvoll blickte er ihr tief in die Augen.
"Bis hierher bis du den Weg mit mir gegangen, ohne Klagen und ohne Fragen zu stellen." Liebevoll strich er seiner Gefährtin über die Wange. "Noch gibt es ein zurück. Sind wir erstmal vor dem Land eins, sind unsere Schicksale auf ewig miteinander verwoben."
"Mein Geliebter", Isidas Augen funkelten, "das alte Volk des Mittwalds nennt dich 'Der der eins ist mit dem Land'. Ich würde dir überall hin folgen nur um eins mit dir zu sein."
"So sei es!" Gisborn führte Isida in das Brunnenbecken. Das Wasser war überraschend warm und kribbelte angenehm auf der Haut. Als beide im heiligen Quell standen, sonderten die Flechten und Ranken bunt leuchtende Sporen ab, die sogleich die Höhle in ein Meer aus bunten Lichtern tauchten. Gisborn und Isida fühlten sich wie in einem Traum. Ihre Sinne überschlugen sich. Jede Berührung, jeder Windhauch glich einer inneren Explosion. So verloren sich beide im Rauch und vereinigten sich vor und mit dem Land.
Nackt und orientierungslos lief sie durch den Wald. Sie hatte Angst, war wie von Sinnen. Das Heulen der Wölfe kam immer näher. Ein Waldkautz schrie, als versuchte er sie vor dem bevorstehenden Tod zu warnen. War er der Tod verkündende Gesandte der Schwarzen Kriegerin?
'Nein, nicht heute!', flüsterte Isida zu sich selber. Die dunkle Nartara hatte von dem Segen der Schwarzen Kriegerin gesprochen, der über Gisborn und ihr liegen würde. Doch wo war ihr Gemahl?
Wenige Schritte von ihr entfernt blinkten Glühwürmchen auf und entfalten ihr warmes Leuchten. Isida folgte den leuchtenden Tierchen. Diese führten sie wieder zu dem kleinen Waldsee. Die Wasseroberfläche war dieses Mal seltsam unruhig. Unterhalb der Wasseroberfläche sah sie eine Gestalt.
"Gisborn?"
Doch die nackte Gestalt, die vor ihr aus dem Wasser auftauchte war nicht Gisborn. Das Gewässer entließ einen makellos schönen Frauenkörper. Sinnliche blaue Augen tauchten tief in die Isidas.
"Yera? Du hier?" Isida erkannte ihre vertraute Freundin.
Doch Yera legte nur ihren Zeigefinger auf Isidas Lippen. Keine Fragen, keine Antworten. Sich nur in dem Moment verlieren. Beide Frauen gaben ihrem inneren Feuer nach und ließen sich von ihren Gefühlen leiten.
Gisborn erwachte auf einem Moosbett unweit des Brunnens mit der dreigestaltigen Frauenstatue. Seine Sinne spielten noch verrückt und es war ihm als drehte sich alles um ihn herum. Das wabernde Licht der fluoreszierenden Flechten und Ranken, die seltsam leuchtenden Sporen die sanft durch den Felsendom umher glitten, all das entbrannte in ihm wieder diese vorher nicht gekannte Leidenschaft. Er sah sich um, doch von Isida keine Spur. Unbekleidet wie er war, bewegte er sich langsam auf dem im Mondschein hell leuchtenden Brunnen zu. Vom Grund des Beckens tauchte eine Person an die Wasseroberfläche, doch zu Gisborns Überraschung es war nicht Isida.
Es waren die bernsteinfabenden Augen von Iserion in denen sich Gisborn voller Leidenschaft verlor.
"In meinen Träumen bist du mir unzählige Male erschienen." Gisborns Stimme erzitterte. "Ist auch dies nur ein Traum?"
"Traum und Wirklichkeit sind eins."
Zaghafte Berührungen wurden zu innigen Umarmungen, verstohlene Küsse zu leidenschaftlichen Liebkosungen. Noch nie gekanntes Feuer brach sich seinen Weg und die Körper wie auch die Seelen der beiden Männer vereinigten sich.
Erschöpft, aber noch durchflossen von Begierde und Leidenschaft tauchte Isida aus dem Wasser. Sie befand sich nun wieder in der Höhle vor dem Felsendom. Wie in Trance hob sie vereinzelte Flechten und abgefallene Ranken vom Boden auf und fügte sie zusammen. Wie von fremder Hand geführt, erreichte sie wieder das Wasserbecken im Zentrum der natürlichen Halle. Im Becken der dreigestaltigen Frauenstatue sah sie Gisborn und Iserion beim Liebesspiel. Doch kein Gram bemächtigte sich ihr, keine Scham durchfloss den beiden Männern. Gisborn streckte einladend seine Hand in Richtung seiner Gemahlin.
"Die Drei-Eine erwartet dich bereits." Güte lag in der Stimme Gisborns. "Lass uns zusammenfügen was zusammen gehört und uns ihr mit unseren Körpern und unseren Seelen hingeben."
"Das Land schenkt dir, Der-eins-ist-mit-dem-Land, eine neue Zier. Als Zeichen für die alten Bund und die neue Zeitenwende." Gemächlich glitt Isida zu den beiden Männern ins Nass und setzte Gisborn die verästelte Krone auf, in deren Mitte sich ein hell leuchtender Kristall befand.
"So folgen wir unserer Bestimmung und dienen dem Land!" Iserion nahm Gisborn und Isida an die Hand.
Die Drei versammelten sich um die dreigestaltige Statue der Drei-Einen und begannen ihren Reigen. In einer ihnen unbekannten Sprache besangen sie sich in tranceartiger Extase.