Geschichten:Horasier in Garetien – Sei mein Knappe, oder sei frei!

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Markt Ginsterfeld, 6. Ingerimm 1046 BF:

Rafim wusste schon bei den ersten Worten nicht, wie ihm geschah, beziehungsweise was er da hörte. Das sollte im Grunde genommen das erste Mal sein, dass ihn jemand wirklich ernst nahm und auf seine Bedürfnisse Rücksicht nahm. Denn wenn er sich es so recht überlegte… ob er ins Horasreich als Page wollte: das war nicht seine Entscheidung gewesen. Nicht dass das eine schlechte Entscheidung war, rückblickend betrachtet, aber es war nicht seine Entscheidung. Das auf keinen Fall. Und jetzt? “Sei mein Knappe, oder sei frei!” - damit hätte er nie gerechnet. Jetzt hatte er die Entscheidung. Aber innerlich hatte er diese Entscheidung schon getroffen. Und zwar vor langer Zeit, denn er ging ja davon aus, dass er sechs Jahre als Page und dann als Knappe dem Comto dienen würde - und seitdem er seine mehr oder weniger kreativen “Fluchtversuche” eingestellt hatte, war er ja auch zufrieden damit. Deswegen war er ja auch gerade so entsetzt, als er hörte, dass er aus dem Dienst des Comtos entlassen wurde.

Insofern stand er mit den Worten “Natürlich möchte ich Euch als Knappe dienen” auf, näherte sich dem ebenfalls aufgestandenen Erlan, der seine Arme ausgebreitet hatte und die beiden umarmten sich.

Der Comto schnappte sich den Beutel auf dem Tisch und flüsterte Rafim ins Ohr: “Gut, dass es diese Entscheidung war. Ich hätte sonst die Münzen noch austauschen müssen, da sind jetzt nur Silbertaler und ein paar Dukaten drin gewesen.”

Erlan lachte, als er sich wieder hinsetzte und Rafim stimmte ein. “Ich muss Dir sagen, ich war vor diesem Gespräch ein wenig nervös. Nicht so, wie wenn man eine Audienz beim Horas hat, da zittern selbst bei mir alle Knochen noch, aber ich hatte Angst, dass Du Dir den Beutel schnappst und gehen willst…” - Erlan schaute in diesem Moment sehr ernst, aber als er dann mit “...und ich nicht mehr die Gelegenheit haben würde, die Münzen auszutauschen” den Satz beendete, grinste er schon wieder ein wenig. Da lachten beide wieder und als sie zu Ende gelacht hatten, antwortete Rafim: “Ich danke Euch für dieses großzügige Angebot! Ich habe Euch gerne als Page gedient und ich möchte Euch auch gerne als Knappe dienen - und von Euch und Eurer göttergefälligen Großzügigkeit lernen!”

Erlan grinste ob dieser Antwort, denn ‘göttergefällige Großzügigkeit’ stand jetzt bei Knappen nicht auf den ersten Seiten eines Curriculum, aber damit konnte er gut leben. Außerdem konnte er dadurch endlich Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor auf die Frage, ob und seit wann Rafim denn sein Knappe würde, antworten. Wobei… da überlegte er sich, dass das vielleicht anders ablaufen würde, als sich das Rafims Oheim gedacht hätte. Natürlich könnte er ein Schreiben aufsetzen, aber es würde ja nicht lange dauern, bis man sich treffen würde…

Als die beiden aufstanden und zurück zu den Pferden wollten, umarmte Erlan noch einmal spontan Rafim und sagte ihm: “Danke für diese Entscheidung! Darauf hatte ich gehofft. Ich war mir aber nicht sicher, wie Du antworten würdest.” Rafim war das jetzt schon fast - aber nur fast! - ein wenig zuviel, aber insgeheim genoss er es schon bei den Sirensteens und auch wenn er anfangs lieber sofort als nur einen Tag später fliehen wollte, bereute er es, dass er seinen Schwertvater anfangs so behandelte. Denn dieser hatte sich immer um ihn gekümmert, fast so wie um die eigenen Kinder.

Als sie wieder auf den Pferden saßen, fragte Rafim: “Und wohin führt uns die Reise jetzt?”

Erlan überlegte kurz, grinste, rief: "Dahin, wo uns die Hufe treiben!” und gab seinem Pferd den Wechsel in den schnellen Galopp zu verstehen. Und das Pferd galoppierte los, die weißblonden Haare Erlans wirbelten im Wind mit und weder Rafim noch die sie begleitenden Gardisten hatten jetzt damit gerechnet. Doch Rafim ließ sich das nicht zweimal vormachen und hatte daher direkt danach sein Pferd in den Galopp gebracht, während die Gardisten mit etwas Abstand notgedrungen folgten. Irgendwann holte Rafim dann Erlan ein und rief zu ihm rüber: “Was war das denn?” Der so angesprochene ließ sein Pferd austraben und antwortete: "Dass Du mich einholen konntest? Das war meine Gnade, da ich Dir auch einmal einen Erfolg gönnen wollte. Aber im Ernst: Mir war mal wieder danach so zu reiten und den Wind in den Haaren zu spüren. Immer nur in der Kutsche oder in deren Reisegeschwindigkeit ist ja schon etwas langweilig…”

Rafim wusste gar nicht, wie er darauf reagieren solle, aber da kamen dann schon die Gardisten an. Sie ließen sich nichts anmerken, nur der Secretario Romin blickte etwas ernsthafter zu Erlan und wenn man einer Mimik einen Tadel anmerken sollte, dann dieser. Doch er äußerte sich nicht und als dann alle auf ihren Pferden beisammen standen richtete der Comto das Wort an sie: “Wir reiten nun zurück ins Hotel, morgen früh geht es auf nach Rommilys!

Außer ihre Frohlaucht hat noch andere Vorstellungen…” - und bei diesen Worten sah Comto Sirensteen ein wenig genervt aus.

So ritten sie zurück vom Markt Ginsterfeld in die pulsierende Metropole Gareth - und ins Hotel Garetien, wo der Rest der kleinen, aber feinen Delegation bereits wartete. Als Erlan dort mitteilte, dass man am nächsten Tag frühmorgens abreisen würde, schien man nicht unbedingt traurig darüber zu sein. Er konnte sich schon denken, woran oder an wem das lag…