Geschichten:Hungrige Mäuler - Prequel 2

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Junkertum Perainfeld in der Grafschaft Eslamsgrund. Anfang Praios, 1032 BF

Ächzend schob sich eine Hand zwischen den Heuballen hervor und kämpfte sich einen Weg ins Freie. Es dauerte eine lange Weile bis der Arm unbeholfen einen engverschnürrten Packen Stroh bei Seite wuchten konnte, so dass ein schläfriger Mann zum Vorschein kam, immer noch halb verschüttet von mehreren Ballen Stroh. Den einen Arm nun frei, konnte sich der alte Burian Stück für Stück von der stechenden Last befreien. Als er wankend wieder zum Stehen kam, sah er sich mit glasigen Blick verwundert um; wie war er nur in diese Lage gekommen? Langsam lüftete sich der stark nach Gebranntem riechende Schleier von der Erinnerung, als er die leere Tonflasche nahe seiner Liegestätte erkannte. Wie fast jeden Abend hatte er seine Trauer über den Verlust seiner Familie an diese feigen Ferkina-Barbaren versucht im Schnaps zu ertränken, und irgendwie muss er dann in die Scheune geraten sein, und von diesen ehemals aufgestapelten Heuballen attackiert worden sein.
Mit zerzaustem Haar, in dem noch einige Strohhalme steckten, taumelte Burian ins Freie.

Doch er musste vorsichtig sein. Dieser Schinder von einem Ritter hatte kein Verständnis für seine Trauer, geschweige denn über seine Sauferei. Nicht nur einmal hat er zur Ermahnung aller den alten Burian grün und blau geprügelt, welcher, dessen Trunkenheit sei Dank, nur einen Bruchteil des Schmerzes zu spüren bekam.

Vorsichtig kauerte er sich hinter einigen Fässern neben der Scheune und betrachtete den nur vom Mondlicht erhellten Dorfplatz. Zu Burians Erleichterung war alles ruhig. Schwankend und stolpernd huschte er über den Platz, seine Kate anpeilend. Er bemerkte gar nicht, dass worüber er stolperte liegengelassenes Werkzeug und andere Utensilien waren, die wohl in der Eile fallen gelassen wurden. Nüchtern bei Tageslicht würde ihn das verwundern, doch nun war er einfach nur froh zur Hälfte den Platz unbemerkt durchquert zu haben. Er war gerade an der Kate von Rumpo angelangt und drückte sich in den Schatten des Vordaches. Der Rumpo war immer so ein lauter Schnarcher, dass sogar im volltrunkenen Zustand Burian sich an dessen Sägekonzerte erinnern konnte.

Glucksend hielt der Alte die Luft an und horchte in die Nacht. Doch es kam kein Laut. Erst jetzt bemerkte Burian die gespenstische Stille, die über das Dorf herein gebrochen war. Auch aus den anderen Katen war kein Schlafgeräusch zu hören. Die Tür zu Rumpos Hütte war nicht geschlossen.
Langsam öffnete Burian die Tür und linste in die Stube. „Rumpo?“ auch wenn die Frage leise war, erschrak der Alte vor seiner eigenen Stimme, welche die Stille zerriss. Niemand antwortete.

Verstört taumelte er auf den mondbeschienenen Platz und schaute sich in alle Richtungen um. Das Dorf wirkte verlassen, die Tiere waren aus ihren Gattern getrieben, keine Karren standen mehr vor den Hütten und die verstreuten Habseligkeiten machten den Eindruck als seien alle eiligst aufgebrochen…alle bis auf Burian, der immer noch nicht begreifen konnte, was hier vor sich ging.

Die schweren Schritte hinter ihm bemerkte er erst, als es schon zu spät war um sich zu verstecken. Eine breite Gestalt warf einen großen Schatten auf ihn und Burian machte sich schon mal auf Prügel des Ritters gefasst, der ihn offenbar wieder volltrunken erwischt hatte. Mit gesenktem Kopf drehte er sich um, und blickte langsam an der massigen Gestalt hoch. Zuerst wunderte er sich, dass sein Herr in einem felligen Lendenschurz gekleidet war, bis Burian seinen Blick weiter den fleischigen Massen hinauf bewegte. Eine mit scharfen Zähnen bewehrte wulstige Fratze stierte hungrig auf ihn herab, und aus einem wunderlichen Gedanken heraus, musste Burian plötzlich an seine Großmutter denken. Der Gedanke verflog schnell wieder, als eine fette Pranke sich um seinen Hals schloss und ihn in die Luft hob. Nach Luft keuchend fragte er sich, ob dieses feiste Ungetüm ihn nun lebendig fressen würde, doch zu Burians Erleichterung legte sich die boronische Schwärze über seine Sinne, bevor sein Schädel puppengleich von seinem Kopf gerissen wurde.



Eilig rumpelten die Karren über den Weg. Ein ganzes Dorf war in Bewegung auf der Flucht vor den Ogern.

Noch in der selben Nacht hatte Halgan von Rond mit seinem Bruder die Lage ausgekundschaftet, und wenigstens ein halbes Dutzend Oger entdeckt, die einen außerhalb liegenden Weiler verwüsteten. Nachdem sie ihr schauriges Schauspiel beendet hatten, machten sie sich auf und marschierten in Richtung Rond. Im schnellsten Galopp ritten die Brüder zurück ins Dorf und ordneten eine sofortige Evakuierung an. Reiter wurden in verschiedenen Richtungen ausgesandt um umliegende Gehöfte und Dörfer zu warnen. Glücklicherweise ging alles recht schnell von statten, denn die Dörfler schienen die Oger mehr zu fürchten als Halgans Rute. Also war das Nötigste in Difarstempo auf den Karren verladen, und man verließ das Dorf in entgegengesetzter Richtung, woher die Oger kamen.

Halgan konnte es nicht leiden davon zu laufen, aber selbst er musste sich vor so einer Übermacht eingestehen, dass es in ein heilloses Blutbad geendet hätte. Das war im Grunde auch alles nur Schuld von diesem Falkenstein. Alle Anfragen von Halgan bezüglich mehr Wachen, einer Palisade oder wenigstens einem Wachturms wurden aufgrund der klammen Kassen abgelehnt. Dabei war Rond eines der Grenzdörfer zum Raschtullswall. Räuber und Wildtiere waren da nicht die einzige Gefahr, wie die Vergangenheit gezeigt hatte. Aber alle Argumente waren vergebens. Natürlich hatte man von einer prächtigen Burg aus leicht reden.

„Wohin soll es nun gehen, Bruder?“ riss Angrist den alten Ritter aus den Gedanken.
Der Ritter schnaubte unschlüssig. „Wenn ich das wüsste. Vielleicht weiter gen Norden nach Perainfeld. Oder direkt nach Falkenstein, da ist es bestimmt sicher, und man könnte ordentliche Schritte gegen diese Monster planen. Der Weg führt uns aber zu nah an ihnen vorbei und wir sind nicht schnell genug.“
„Wie sind soviele Oger eigentlich unbemerkt durch die halbe Baronie gekommen…und vor allem warum?“ wunderte sich Angrist.
„Was weiß ich…ach, hätte ich jetzt ein halbes Banner Reiter, wäre die Frage auch unwichtig.“ Brummte der alte Ritter unzufrieden.
Bald kam einer der Späher angaloppiert und grüßte die Brüder angemessen, nachdem er sein Pferd schnaubend zu stehen gebracht hatte.
„Sprich schon, was hast du gesehen?“ forderte Halgan den abgehetzten Späher auf.
„Die Oger haben Rond erreicht und verwüsten das Dorf gerade.“ Keuchte der Reiter. „Außerdem hatten wir Burian vergessen. Die Oger haben ihn…gefressen“ der Späher schluckte bei der Erinnerung verängstigt.
„Dieser besoffene Trottel…“ knurrte der Ritter verärgert, schien aber wohl nicht weiter betroffen über den Verlust.
„Und als sie da fertig waren, haben sich wieder alle in Bewegung gesetzt und sind weiter marschiert.“
„Mhm…wohin?“ hakte Halgan ungeduldig nach.
Der Späher schaute etwas unsicher aus dem Augenwinkel zu Angrist, welcher interessiert zuhörte. „Nach…ähm…Westen. Sehr zielgerichtet in Richtung Westen.“
Erschrocken richtete sich Angrist auf seinem Pferd auf. „Falkenhof…“ keuchte er leise und wendete sein Pferd.
Mit verzogenem Mundwinkel schaute Halgan seinem jüngeren Bruder hinterher, wie dieser davon preschte.



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Texte der Hauptreihe:
K1. Teil 1
K2. Teil 2
K3. Teil 3
K4. Teil 4
K5. Teil 5
K6. Teil 6
K7. Teil 7
K8. Teil 8
8. Pra 1032 BF
Prequel 2
Prequel 1


Kapitel 1

Teil 1
Autor: Nellkir