Geschichten:Im Herzen des Chaos Teil 5
Das kehlige, schwere Husten erfüllte den geheizten Raum. Während das Feuer im Kamin aufloderte, richtete sich Bernhelm von Wetterfels mühsam auf seiner Lagerstatt auf.
„Ihr müsst Euch schonen“, sprach das alte Kräuterweib auf ihn ein. „Ihr seid krank und vom Fieber gezeichnet.“
„Dann hör endlich auf zu jammern und hilf mir,“ schnaufte der Pfalzgraf völlig außer Atem. Auch nur die kleinste Anstrengung brachte ihn an den Rande der Erschöpfung.
Die Heilkundige wechselte geduldig unter dem ständigen Murren und Klagen Bernhelms die Verbände. „Eure Wunden heilen gut, nicht eine hat sich entzündet,“ murmelte die gebeugte Frau leise.
„Warum geht es mir dann so elend, frage ich dich, Weib?“ Bernhelm schaffte es zynisch zu lächeln und tastete vorsichtig nach dem Weinpokal. Er nahm einen tiefen Schluck und prustete heftig. „Bei den Göttern, wer hat mir denn da Pferdepisse in den Kelch gegeben?“ Er wollte aufbrausen und nach dem Pagen schreien, doch die Kraft verließ ihn und er sackte auf sein Bett zurück. Alles drehte sich vor seinen Augen und er schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
„Mein Herr“, gab die alte zu bedenken, „in Eurem Kelch befindet sich Kräutertee aus Alraune und Tarnelenblatt, damit ihr ruhig schlafen könnt.“
Bernhelm schüttelte verzweifelt das schwere Haupt. „Oger, Orken und Untote, sowie einen Kaiser und eine Hand voll Reichsbehüter habe ich überlebt und nun das – vergiftet von Pferdepisse...“
„Ihr seid doch kein Balg mehr mein Herr“, fauchte die Alte ungewöhnlich harsch, „jetzt trinkt Euren Tee und Ihr werdet sehen, dass Ihr heute Nacht besser schlafen werdet.“ Mit Todesverachtung warf der Pfalzgraf noch einmal einen Blick in den Becher und trank dann voller Abscheu erneut.
Nach leisem Klopfen betrat der Junker von Firunshöh den Raum. Er verneigte sich und sprach: „Heute morgen sind noch einmal zwei Dutzend Leute aus dem Süden gekommen. Das Lager vor den Mauern wächst allmählich. Noch haben wir Vorräte, aber...“
„Ich weiß“, brummte Bernhelm missmutig. „Was wir nicht haben, müssen wir uns eben holen. Haltet weiter Ausschau nach kräftigen Burschen und Maiden, die wir vielleicht in unsere Pfalzgarde aufnehmen können – bald schon wird nur das Gesetz des Schwertes noch gelten.“
Vor der Tür war ein Tumult und Geschrei zu hören und im nächsten Moment platze die kleine Ariescha in den Raum. Eine Wache stolperte hintendrein, bemüht das kleine Wiesel nicht entwischen zu lassen, doch die groben Pranken des Soldaten waren zu langsam.
„Junge Dame!“ erklang die erzürnte Stimme des Junkers von Firunshöh. „Mir scheint einmal mehr, dass es in der Edelgrafschaft Perricum keine vernünftige Erziehungen für kleine Edelfräuleins wie Euch gibt! Euer Benehmen ist und bleibt unverzeihlich.“
Ariescha hielt betroffen inne und für einen Moment glaubte Vicarius dass sie ihm endlich einmal zugehört hatte. Doch dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und streckte ihm ihre kleine rite Zunge so weit wie es nur ging heraus.
Die Wache packte das Mädchen am Kragen und hob sie wild zappelnd hoch.
Bernhelm lächelte und schloss die Augen. „Es tut gut zu sehen, dass doch noch etwas leben in diesen Mauern hier steckt.“ Er bedeutete dem Wächter das Mädchen nach draußen zu bringen.
Die Tür wurde leise geschlossen, nachdem auch die alte Heilerin sich verabschiedet hatte.
„In einem habt Ihr Recht, Junker: die Kleine braucht eine vernünftige garetische Erziehung. Seht, ob ihr jemanden auftreiben könnt, der sie in der Kunst der höfischen Etikette und all dem Kram unterweist, Ihr versteht schon.“ Vicarius bemerkte, dass seinem Herrn immer wieder die Augen zu fielen und er verneigte sich, um zu gehen.
„Und sorgt dafür, dass sie Unterricht mit dem Schwert erhält.“ Der Junker von Firunshöh blickte den Grafen aus ungläubigen Augen an. „Verzeiht aber, Ihr wollt diesem kleinen Lindwurm eine scharfe Waffe in die Hand geben? Sie wird wahrscheinlich als erstes ihre Zofe erschlagen! Die arme Gunella ist jetzt schon dem Noionitenkloster nahe!“
Bernhelm winkte ermattet ab.
„Genug des Gejammers. Nein, zuerst wird sie wie jeder, der den Umgang mit der Klinge lernt mit einem Holzschwert üben, verstanden? Unser Konflikt mit den Pulethanern ruht. Das Chaos in dessen Herzen wir uns befinden bringt alles zum Stehen. Ich hörte Gerüchte, dass es auch in Perricum drunter und drüber geht. Wer weiß, ob die Pulethaner überhaupt noch existieren? Vielleicht sind sie bei Wehrheim gefallen, oder dem Wahn anheim gefallen, wie Graf Danos – sofern man dem Gewäsch der Leute glauben schenken kann. Wie auch immer, die Zeiten werden nun hart und gnadenlos. Es kann nicht schaden, wenn unser kleiner Wildfang sich zu wehren weiß. Es wäre doch Verschwendung, wenn man sie wie einen Hofpudel dressieren wollte – die Wildheit liegt in ihrem Blut und das ist gut so.“
„Wie ihr befehlt, mein Herr.“
Bernhelm von Wetterfels bettete seinen schweren Kopf auf dem breiten Kissen und seufzte leise, bevor Borons Schwärze ihn umfing.
ENDE