Geschichten:Im Kressenburger Forst – Durchs Land

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Die Gruppe marschierte über den Knüppeldamm zurück zum Gut Praiostann, wo sie kurz vor Sonnenuntergang endlich eintrafen und von Ardos unruhigen Knappen bereits erwartet wurden. Der junge Hirschfurten hatte es sich nicht nehmen lassen, den ganzen Tag an der Waldgrenze Wache zu halten.

Am nächsten Morgen bestiegen die Adligen ihre ausgeruhten Pferde und folgten dem Karrenweg zurück nach Hexenfeuer. Statt gen Praios in Richtung der Kressenburg, folgten sie nun dem Elfenpfad westwärts. Nach wenigen Meilen erreichten sie den Weiler Perainehof, wo eine Furt über den schnell fließenden Kressenbronn führte und ein Weg nach Südwesten abzweigte. Ein halbes Stundenglas später, tauchte der Gutshof von Immingen auf einem Hügel vor den Reitern auf und eine Bodenwelle weiter konnten sie auch die Hütten des dazugehörigen Weilers erkennen, die in der Senke unterhalb des Rittergutes standen. Ringsum auf den flachen Hügeln lagen Felder, auf denen das Korn kurz vor der Reife stand. Auf der entgegengesetzten Seite des Dorfes konnte man eingezäunte Weiden erkennen, auf denen Kühe und Schafe grasten. Der Karrenweg, dem sie gefolgt waren, schlängelte sich dort entlang und verschwand etwa eine Meile hinter dem Weiler in einer grünen Wand aus Bäumen. Es war bereits früher Nachmittag und die Praiosscheibe befand sich direkt vor ihnen im Südwesten.

„Das ist das Gut der Ritter von Immingen. Ihre Familie lebt hier am Rande des Reichsforstes, solange sie sich erinnern können. Es heißt, sie wären bereits zu Zeiten Kaiser Rauls hier ansässig gewesen.“ Ardo hatte die Gruppe kurz auf dem letzten Hügel vor dem Weiler halten lassen, um ihnen von Land und Leuten zu erzählen. „Der Gutshof, den Ritter Arnulf von Immingen derzeit bewohnt, war bis vor wenigen Götterläufen ein Hort der Draconiter. Doch die Ordensmitglieder verließen die Gegend, als sie ihre Aufgabe, wegen der es sie hierher verschlagen hatte, für erledigt betrachteten. Es heißt, im nahen Forst gab es einen Sphärenriss, durch den das namenlose Böse auf Dere gelangen wollte. Der Orden hat ihn verschlossen und viele Götterläufe Wacht gehalten, bis sicher war, dass keine Gefahr mehr davon ausging. Der Ritter hat den Draconitern als Dank für ihre Dienste seinen jüngsten Sohn anvertraut, damit er von ihnen ausgebildet würde und die guten Taten des Ordens an andere Stelle auf Dere fortführen könne.“

Der Baron deutete nun weiter auf die Baumlinie hinter den Häusern. „Dort hinten hat uns der Reichsforst wieder. Der Weg führt zum Dorf Sturmhöhe, wo ich eine Zinnmine betreibe. Der Pfad führt zwar durch dichten Wald, wird jedoch gut in Schuss gehalten, da die schweren Erzkarren hier entlang müssen. Wir sollten also noch vor der Dunkelheit dort eintreffen und morgen früh ist es nur noch ein kurzer Weg nach Korbronn. Wir könnten natürlich auch schon heute Abend nach Korbronn weiterreiten. Aber der Weiler besteht nur aus ein paar Waldbauernkaten und im Dunkeln würden wir den Pfad zur Quelle dann vermutlich sowieso verfehlen.“

Ealdur von Siandes ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen. Die dunklen Augen des Magiers schienen jeden Grashalm, jedes Blatt zu mustern. Er spürte die Kraft des Landes, sie war stark, ungezähmt und doch den Lebewesen zugewandt. Das junge Mädchen im Moor hatte ihn fasziniert, gerne wäre er noch geblieben. Sie müsste so viel Wissen über dieses Land besitzen. Den indirekten Schulterschluss zwischen Baron Ardo und der Hexe vom Orkenmoor empfand er als Beginn einer neuen Ära. Wenn selbst praiosfromme Herrscher wie Ardo sich in den Dienste ihres Landes stellten und es erhörten, war der Weg zur gerechten Herrschaft nicht mehr weit. So glaubte es der verträumte Idealist mit der zierlichen Gestalt und der blassen Haut zumindest.

Rhena von Plöch hatte Schwierigkeiten ihr Unbehagen zu unterdrücken. Was waren das für Zeiten in den sie lebten. Viele Götterläufe, gar Jahrzwölfte, lebte sie als Hausritterin auf Burg Falkenwind ein ruhiges, beschauliches Leben. Sicherlich, die Familie Falkenwind war keine gewöhnliche Familie. Ihr Feenpakt machte sie zu etwas Besonderem, aber dennoch, das was durch das Aufbegehren des Landes und die Große Fehde an die Oberfläche gesprudelt war, ängstigte die gestandene Ritterin.

Ardo setzte sein Pferd erneut in Trab und die Waldsteiner folgten ihm. Die Bauern auf den Weiden und Wiesen ringsherum blickten kurz von ihrer Arbeit auf, doch als sie sahen, dass die hohen Herrschaften nur auf der Durchreise waren, wandten sie sich bald wieder ihrer Arbeit zu. Der Weg durch den Wald erwies sich wie vom Keilholtzer vorhergesagt als erstaunlich gut und sie kamen gut voran. Trotzdem wurde es unter dem dichten grünen Blätterdach schnell dunkel und kühl. Auf der letzten Meile bog der Pfad nach Süden ab und wurde merklich steiler. Jäh lichtete sich das Laub vor ihnen und sie fanden sich vor einer hölzernen Palisade wieder, die nur von einem Tor unterbrochen war, auf das der Pfad zuhielt. Der Wald war auf etwa hundert Schritt rund um das Dorf gerodet und die Wache am Tor rief sie sofort an, als er die Gruppe aus dem Wald kommen sah. Der Wachmann am Tor trug den Wappenrock der Baronie und verbeugte sich eilig, als er seinen Herrn an der Spitze des Zuges auf sich zureiten sah.

„Willkommen in Sturmhöhe“, sprach Ardo zu seinen Gefährten als sie auf dem kleinen Platz direkt hinter dem Tor anhielten und, auf sein Zeichen hin, abstiegen. Aus einigen Hütten wurden neugierig Köpfe gesteckt und die Waldsteiner bemerkten erstaunlich viele Zwerge unter den Einwohnern. „Weiter hinten am Berg befindet sich der Eingang zum Stollen, wo seit Jahrhunderten Zinnerz gewonnen wird. Gut die Hälfte der Leute hier sind Hügelzwerge, die sich vor etwa zweihundertfünfzig Götterläufen unter Baron Gertfried in den Kressenburger Landen angesiedelt haben.“ Der Baron zeigte auf die vielen Hütten aus deren Rauchfängen sich dichte schwarze Rauchschwaden erhoben. „Das Erz wird hier vor Ort verhüttet und als Barren nach Kressenburg gebracht, wo es meine Schmiede weiterverarbeiten.“

Während er noch sprach, trat ein großer breitschultriger Mann um die fünfzig aus dem einzigen zweistöckigen Haus im Ort, das an dem Tor gegenüberliegenden Rand des Dorfplatzes stand. Mit langen Schritten kam er auf die Reisegruppe zu.

„Rondger Kieselholmer, herrschaftlicher Vorarbeiter der Mine, zu euren Diensten. Wie kann ich den Herrschaften helfen?“ Dann sah er Ardo zwischen den Pferden hervortreten und erkannte seinen Baron. „Euer Hochgeboren, welch überraschende Ehre. Was führt Euch zu uns? Hättet Ihr Euch angekündigt, hätten wir etwas vorbereiten können.“

„Es ist alles in Ordnung Herr Kieselholmer. Wir konnten uns nicht ankündigen, da ich bis gestern Abend selbst noch nicht wusste, dass wir herkommen würden. Bitte macht auch keine großen Umstände. Alles was wir brauchen ist ein Lager für die Nacht, etwas gegen den Hunger nach einem Tag im Sattel und Futter für die Pferde.“

„Natürlich, Euer Hochgeboren. Bitte tretet ein, mein Haus ist Euer Haus.“ Damit machte Rondger eine einladende Geste in Richtung des großen Gebäudes am Rand des Platzes. Eine Magd und ein Knecht kamen auf sein Zeichen hin herbeigeeilt und brachten zusammen mit den Knappen die Pferde in die Stallungen hinter dem Haus. In der Stube des Hauses erwartete sie die Frau des Vorarbeiters, die er den Gästen als Marbolieb vorstellte, und die kurz darauf aufgeregt in Richtung der Küche verschwand, um den hohen Gästen ein Abendessen zu bereiten.

Das Haus hatte ein Gästezimmer, zuvor die Schlafstube der Kinder, bevor diese alle das Haus verlassen hatten, um in Kressenburg in die Lehre zu gehen, wie Marbolieb den Herrschaften etwas wehmütig erzählte. Auch die Schlafstube der Gastgeber wurde mit zusätzlichen Decken und Fellen ausgestattet, um weitere Schlafplätze zu schaffen. Die Gastgeber richteten sich derweil in der Küche auf den Schlafstätten des Gesindes ein, während der Knecht und die Magd sich zu Firnward und den Knappen in das Stroh im Stall gesellten.

Siglinde von Hagenbronn nickte der Gastgeberin dankend. Diese Reise hatte die Hauptfrau der Ulmenhainer Grenzwächter in vielerlei Hinsicht überrascht. Im nördlichen Waldstein herrschte kein gutes Bild von den Greifenfurtern vor – besonders im Niederadel. Doch Baron Ardo war so anders als sie es erwartet, gar erhofft hatte. Sie wollte ihn hassen, dafür dass er ihren Bruder hinrichten ließ, aber sie konnte es nicht. Womöglich konnte sie diese Reise nutzen um endlich ihren Seelenfrieden zu finden und mit der Trauer um ihren Bruder und den Ärger über seine Verfehlungen abzuschließen.

Ihr Blick fiel auf Howarth von Birkentau und ein frostiges Lächeln zeigte sich für einen Augenblick. „So viele Götterläufe im unermesslichen Wohlstand der Goldenen Au verbracht und nun findet Ihr Euch hier wieder, im Haus eines Minenvorarbeiters.“


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Nach einem einfachen, aber reichlichen Frühstück, brachen die Reichsforster unter Ardos Führung wieder auf. Sie ritten etwa eine Meile auf dem Waldweg zurück gen Firun, bevor sie auf einen kleinen unscheinbaren Pfad nach Westen abbogen, an dem sie in der abendlichen Dämmerung des Vortages unbemerkt vorbeigeritten waren. Hier mussten die im Schritt reiten und schließlich absteigen, um die Pferde am Zügel zu führen, denn es wurde wegen der vielen niedrigen Äste, die über den Weg ragten, einfach zu mühselig zum Reiten. Noch bevor sie ihn sahen, hörten sie einen kleinen Bach, an dessen Ufer sie der Pfad flussaufwärts immer tiefer in den Wald führte. Nachdem sie etwa eine Stunde dem Bachlauf gefolgt waren, hob Ardo die Hand und ließ die Gruppe anhalten. Sie traten auf eine winzige Lichtung, auf der ein einfacher kleiner aus Ästen und Zweigen errichteter Wegschrein stand. An mehreren Stellen war grob das Symbol des Herrn Firun ins Holz geritzt.

„Hier ist es. Hier fließt der Rote Korbronn in den Weißen Korbronn. Die Quelle soll von hier aus etwa eine Meile Firunwärts im Wald liegen.“ Der Baron deutete auf den Bach. Tatsächlich konnte man im Sonnenlicht, dass hier dank der kleinen Lichtung auf das Wasser fiel, erkennen, wie von Norden kommend ein kleiner Waldbach sein Wasser mit dem aus Westen kommenden größeren Gewässer vereinigte. Und wenn man genau hinsah, so konnte man beim Waldbach auch wirklich eine leichte rötliche Färbung ausmachen. „Firnward, Firnwulf, Phexian, ihr bleibt mit den Pferden hier. Es führt kein Pfad zur Quelle und wir müssen durch das Unterholz.“