Geschichten:Im Namen der gütigen Mutter – Blick aufs Wesen
Burg Zweifelfels, Mitte Firun 1035 BF
Alderan hatte den offiziellen Teil gut gemeistert und von den Damen recht angetan. An nur einem Nachmittag konnte er jedoch nur einen Blick auf die äußere Fassade der Damen blicken und da sie etwas von ihm wollten, konnte er daraus kaum Schlüsse ziehen.
Es war Zeit sich seinen versteckten Talenten zu widmen. In seinem Zimmer angekommen, um sich zur Nachtruhe zu Betten, zeigte er sein zweites Gesicht.
Ein erdfarbener Mantel, ein kohlenähnliches Gewand zog er aus seiner Reisetruhe. Aus dem Edelmann wurde in kürzester Zeit der Streuner, der ihm jahrelang in den Gassen Gareths das Leben rettete.
Phexgeschwind schwang er sich über den Fenstersims auf das Dach. Unerkannt von Freund und Feind schlich er über die Dachschindeln – leise wie eine Katze. Zuerst versuchte er einen Blick in das Fenster der jungen Grimhild zu erhaschen, war er von ihr am Meisten angetan.
Bildschön mit ebenholzglatter Haut saß sie vor einem Spiegel und ließ sich von einer Dienerin ihr Haar kämmen. Alderan setzte sich auf das gegenüberliegende Dach und beobachtete das Zimmer der edlen Dame – eine Schönheit würde sie werden, mit Sicherheit. Doch sie war auch sehr jung und er müsste warten ehe er sie ehelichen könnte. Das würde bedeuten, dass auch der Nachwuchs warten müsste. Keine günstige Konstellation, aber ein wenig mehr Freiheit für ihn.
Sein grübelnder Blick wurde jedoch jäh aus seinen Träumen gerissen. Wie eine Furie sprang die Edeldame urplötzlich auf, riss der Dienerin die Bürste aus dem Haar und schmiss diese gegen den Spiegel. Mit einem Knall schepperte dieser zu Boden. Wenn Alderan es richtig deutete hatte die Magd wohl einmal zu viel geziept – aber deshalb ein solcher Wutausbruch? Die Dienerin schien sich geschnitten zu habe – sie tat ihm leid. Er beschloss sich einer anderen Kandidatin zu widmen. Grimhild schien noch in ihrer Jugend zu stecken und auf Zickenkriege innerhalb seiner Burg konnte er verzichten.
Sein Weg führte an das Zimmer der Rondrageweihten – Roana ein schöner Name. Der Sand sickerte durchs Stundenglas – nichts geschah, zumindest nichts Interessantes. Ein rondragefälliges Gebet, polieren der Waffen. Alles in allem war es Alderan ein Graus. Ja er war Ritter, ehrenhalber, da seine einstige Ritterin Maline von Natzungen noch während seiner Knappschaft starb. Er konnte sicher auch einen aufrechten Ritter spielen, gewiss war er ein guter Schauspieler, aber seine Seele war ein Streuner. Phex und Rondra passten nicht wirklich zueinander.
Vertieft in seine Gedanken schlich er weiter, weiter zu Nummer drei, der Ritterin Yselde. Die Diener bereiten gerade ein Badezuber in ihrem Zimmer zu. Schmunzelnd freute er sich auf den Anblick, als die Dame bevor sie sich entblößte die Vorhänge zuzog. Auf leisen Pfoten kletterte er auf den Fenstersims, öffnete das Butzenglasfenster und schob mit zwei Fingern die Gardine beiseite. Sein Atem stockte, denn er sah die schweren Brandwunden die ihren Oberkörper überzogen. Die Kriegszeiten hatten sie schwer getroffen.
Nachdenklich zog er sich zurück. Wenn sollte er auswählen? Die Schöne mit dem reizbarem Charakter? Die Langweilige mit der Portion Ehre? Oder die schüchterne Hässliche?
