Geschichten:Im Schatten der Ulme - Vom Berg auf die Höh
Stadt Mardershöh, Königlich Mardershöh, 2. Efferd 1046 BF
Der junge Adlige blickte aus dem Fenster seines Fremdenzimmers, welches er sich in der Praiosblume genommen hatte. Trotz des Regens, der sie begleitete seit sie die Grenze der Markgrafschaft übertraten, hatte man von hier einen guten Blick auf die Burg des Kronvogts. Nachdenklich blickte er durch den Regen zur Burg und erinnerte sich daran, dass er vor nicht ganz einem Götterlauf das erste Mal in der Kronvogtei weilte. Damals hatte er jedoch einen weitaus weniger heiklen Auftrag erhalten. Er stocke und musste schmunzeln, das stimmte genaugenommen nicht. Immerhin führte ihn dieser Auftrag direkt zu einem wahrlich unangenehmen Erlebnis.
Salix von Hardenstatt fuhr sich mit der Rechten nachdenklich über den Mund. Ein verschwundener Kronvogt so kurz vor der offiziellen Bestellung des großfürstlichen Hofs war zumindest einen genaueren Blick wert. Der Perricumer gluckste erheitert auf, welch Glück es doch war, dass sich die Mardershöh ein königliches Lehn war. Immerhin hatte sein Bruder scheinbar viel Arbeit darin gesteckt, den Namen Hardenstatt im Schlund unbeliebt zu machen. Andererseits, wäre es kein königliches Lehn, würde Salix dann überhaupt auf den Plan gerufen werden?
Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken und ließ ihn aufblicken. Lingmar war zurückgekehrt. „Ah, da bist du ja. Dann berichte mal, was du herausgefunden hast“. Begrüßungsfloskeln hatten die beiden schon lange überwunden, zumindest wenn sie unter sich waren. Das ersparte Zeit und man konnte sich direkt mit den wichtigen Dingen beschäftigen.
„Der Herr Kronvogt ist bereits seit den Namenlosen Tagen verschwunden. Das letzte Mal, als man ihn sah war er drauf und dran in den Wall aufzubrechen. Eine Jagd oder so, nichts Außergewöhnliches gilt seine Hochgeboren doch als begeisterter Jäger.“, stellte Lingmar fest, während er sich seines nassen Umhangs entledigte und diesen nahe des Kamins aufhing.
Salix nickte knapp und bedeutete Lingmar sich auf einen der Sessel vor dem Kamin zu setzen. „Keine seltsamen Vorkommnisse, davor oder danach?“, wollte er wissen.
Der Junge schüttelte den Kopf, „nur das Übliche, durchreisende Händler, Abenteurergruppen, die ebenfalls in den Wall aufbrachen oder nur auf der Durchreise waren. Wie gesagt, nichts Ungewöhnliches für die Gegend hier.“, er zuckte mit den Schultern und goss sich etwas warmen Tee, der auf einem kleinen Beistelltischchen stand, ein.
Abermals nickte der Adlige knapp, wandte sich dann jedoch ab und blickte nachdenklich zur nahen Burg. Es verschwanden immer mal wieder Leute in den Bergen, selbst erfahrene Bergsteiger konnten Opfer der Unberechenbarkeit werden. Das galt für die Trollzacken und erst recht für den erheblich höheren Raschtullswall. Doch irgendetwas tief in seinem Inneren sagte ihm, dass es hier etwas gab, das entdeckt werden wollte.
„Wir werden noch etwas hierbleiben, uns umschauen und umhören. Morgen statten wir der Burg einen Besuch ab; während ich mich mit dem Adel unterhalte, wirst du beim Gesinde nachfragen. Halte deine Augen und Ohren für alles offen, was dir irgendwie ungereimt vorkommt. Ich weiß nicht genau nach was wir suchen, doch mein Gefühl sagt mir, dass der Kronvogt das Interesse von unleidsamen Persönlichkeiten auf sich gezogen hat.“, Salix griff nach der Brosche, die die Form eines Greifen und eines Fuchs hatte. Damit würden sie in die Burg gelangen, der Rest ergab sich von selbst.