Geschichten:Im Wald von Kroandal - Die Geschichten des Legendensängers
In den Tiefen des Waldes von Kroandal, Baronie Bärenau, Travia 1047 BF
In den schattigen Tiefen des mystischen Waldes von Kroandal, umgeben von uralten Bäumen und geheimnisvollen Nebelschwaden, wandelte die junge Scholarin. Ihre Augen leuchteten vor Neugier, als sie wieder einmal den kreisrunden Elfenwald in ihrer Heimat Bärenau betrat. Hier, wo die Grenzen zwischen den Welten verschwammen und die Magie in der Luft flirrte, fühlte sie sich wohler als irgendwo sonst.
An ihrer Seite schritt wie sooft ihre Lehrmeisterin, die weise Magierin Madalena vom Berg. Ihr Lehrmeister Hesindian zu Stippwitz hatte leider dringende Aufgaben zu erledigen und konnte die beiden dieses Mal nicht begleiten.
Die Draconiterin war eine Hüterin des alten Wissens, eine Sucherin nach verlorenen Geheimnissen. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Bundes von Kroandal erkundete sie die wiederentdeckte Ruine des alten Hesindetempels.
Lechmin hingegen war noch nicht bereit für solche tiefen Einsichten – zumindest aus Sicht ihrer Lehrmeisterin. Immer wieder hörte sie die Worte Madalenas „Bald, Kleines, bald.“ Sie verbrachte ihre Zeit daher im benachbarten Elfendorf, wo die Luft nach Blüten und Tannen duftete. Dort verbrachte sie ihre Zeit mit Siama Traumsucher, eine Waldelfin und Zauberweberin der Kroandal-Sippe. Siama beschäftigte sich mit Traumdeutung und Sternenkunde, und ihre Augen funkelten wie die Sterne am Nachthimmel. Lechmin, die am Anfang den Elfen nur staunend zusehen konnte, lernte das Isdira immer besser. Vielleicht war es doch nicht so ein großes Übel, die geheimnisvollen Katakomben nicht besuchen zu dürfen.
Die junge Scholarin saß oft bei Siama und lauschte ihren Geschichten von vergangenen Zeiten. Die Zauberweberin erzählte von den alten Elfenmysterien und von den Geheimnissen der Natur. Lechmin bewunderte die Zauberkünste der Elfe, die so viel einfühlsamer und freier waren als die strengen Regeln, denen die Magier folgten.
Siama unterrichtete auch die jüngeren Elfenjungen und -mädchen im Dorf. Sie lehrte sie, Pflanzen wachsen zu lassen, indem sie sanft mit den Fingerspitzen über die Erde strichen. Sie zeigte ihnen, wie man die Gedanken der Tiere las, indem man sich mit ihnen verband und ihre Empfindungen spürte. Lechmin saß oft im Kreis der elfischen Kinder und lauschte, während Siama ihre Weisheit teilte.
Sie war schon mindestens einen Mond in dem Elfendorf, während Madalena in den alten Ruinen nach Wissen suchte. Da kehrte ein wandernder Elf in das Dorf zurück. Sein Name war Elestir, und er trug den Beinamen “Hört-die-Lieder-der-Ferne”. Er war ein reisender Legendensänger, der in seinen Liedern vom weiten Deresrund berichtete. Seine Stimme war wie der Klang des Windes, der über die Berge strich, und seine Augen glänzten von den Geschichten, die er erlebt hatte.
Elestir erzählte von fernen Ländern, fremden Welten, die den Himmel durchbrachen, und von verzauberten Wäldern, in denen die Zeit stillzustehen schien und die von Feenwesen bewohnt wurden. Wieviel davon der Wahrheit entsprach, oder in welchem Umfang der junge Elf das Erlebte mit blumigen Worten und Fantasie ausschmückte, wusste keiner. Aber allesamt lauschten sie seinen Geschichten gebannt und freuten sich, wenn er mal wieder den Weg nach Hause gefunden hatte.
Lechmin lauschte ebenfalls gebannt und spürte, wie ihre eigene Fantasie erwachte. Vielleicht, dachte sie, konnte sie eines Tages selbst solche Geschichten erzählen – vielleicht würde Elestir es ihr erlauben ihn auf seinen Reisen zu begleiten, wenn sie denn erwachsen und eine Magierin wäre.