Geschichten:Im Zeichen der Alveransleuin - Donner und Sturm
Am Wall der Baronie Wasserburg, Travia 1044 BF
Dorian von Hengisford hatte diesen Tag für die nächste Prüfung erwählt. Die Donnernde tobte. Es donnerte und blitzte als er mit Korhilda die Anhöhen am Rande des Walls betrat. Ein paar Schaulustige folgten ihnen.
Da stand sie nun, allein in der Höhe mitten im tobenden Sturm.
Gebannt schauten die Anwesenden dem Schauspiel zu. Ihr Sohn zitterte innerlich vor Angst.
Blitze zuckten und der Donner trieb den Sturm voran. Sturm und Donner tobten. Blitze zuckten. Ein heller Lichtbogen löste sich aus den schwarzen Wolken und stürzte hinab.
Mit voller Wucht fuhr der Funkenschlag in Korhildas Leib und schmiss sie regelrecht zu Boden. Regungslos blieb sie liegen. Minutenlang.
Allen Anwesenden stockte der Atem.
Völlig benommen wurde Korhilda von dem prasselnden Regen wachgeküsst. Sie lag auf dem Boden und blickte in den tiefschwarzen Himmel. Ihr Oberkörper brannte, als wäre heißes Feuer über sie ergossen worden. Sie spürte weder Arme noch Beine.
Tief atmete sie durch. Langsam spürte sie ein Kribbeln in der rechten Hand. Nach und nach konnte sie nicht nur die Fingerspitzen, sondern auch die Hand und den Arm bewegen. Auch in ihren Füßen kehrte das Gefühl zurück. Von Schmerz geplagt richtete sie sich auf.
Klapprig wie ein alter Greis richtete sie sich auf. Ein Raunen ging durch die Anwesenden.
Korhilda taumelte in Richtung des Rondrageweihten und blieb vor ihm stehen. "Heute nicht"
Er blickte zu ihr. "Heute nicht. Der Zorn der göttlichen Leuin ist gestillt. Eure Buße ist getan."
Korhilda lag seit Tagen in ihrem Bett. Die Baronin war zu müde um aufzustehen. Sie konnte sich kaum an den Tag auf den Anhöhen am Wall erinnern. Große Gedächtnislücken verhinderten ihre Erinnerung an den Tag der Prüfung.
Sie wusste auch nicht mehr, wie sie es hier nach Schloss Rossgarten geschafft hatte. Auch die Erinnerungen an die letzten Tagen waren mehr als schwammig. Der Blitz, der sie durchfuhr, hatte wirklich durchschlagende Wirkung.
Die Alveransleuin, die Herrin über Donner und Sturm hatte ihre Buße akzeptiert. Sie schwor sich nie wieder so zu freveln, wie in der Wasserburger Fehde. Das Brennen in ihrem Oberkörper ließ langsam nach.
Neben ihrem Bett saß Maia, die Tsageweihte der Schlosskapelle. Sie wechselte die Verbände an der linken Hand.
Korhilda schloss die Augen um sich noch auszuruhen. Linke Hand dachte sie, warum linke Hand. Ihre Augen öffneten sich schlagartig und sie blickte auf ihren Stumpf. An diesem wuchs eine Hand nach. Im Moment noch so klein wie die Hand eines Kleinkindes.
Maia lächelte sanft und salbte dabei die Hand mit Pflanzenkernöl. Nachdem sie den Verband neu angelegt hatte, malte aus einem Gemisch aus Asche und Pflanzensaft das Zeichen Tsas auf die alte Verwundung.
"Maia, Maia..." stammelte die Sturmfelserin. Sie konnte ihre Gefühle nicht in Worte fassen.
"Genug des Leides, genug der Selbstgeißelung. Es ist Zeit für den Neuanfang. Euer Blick sollte sich nach vorne richten und nicht zurück. Ruht Euch aus, ich komme morgen wieder."