Geschichten:In Waldstein nichts Neues Teil 14
Am Abend des 19. Efferd, dem Tag nach dem blutigen Attentat erreichte eine kleine berittene Gruppe bestehend aus Gräfin Allechandriel und drei Wachen, Comtessa Simiona und ihren beiden Leibwächtern sowie Junker Leomar die Stadt Hirschfurt im Süden Waldsteins. Ohne zu zögern hielt die Gräfin auf das Magistratsgebäude zu. Sie wollte in der Sache endlich Klarheit haben und deshalb Waldsteins Grafschaftsrat, der zuvor von Junker Leomar belastet worden war, der Drahtzieher des Anschlages gewesen zu sein, einen Besuch abstatten. Wilde Entschlossenheit stand auf ihrem Gesicht geschrieben. Kaum hatten sie das große Gebäude erreicht, sprang sie von ihrem Schimmel herunter und lief die Stufen hoch. Leomar und Simiona hatten arge Mühe, mit der behänden Elfe Schritt zu halten, während sich die anderen um die Pferde kümmerten.
„Wo ist er?“ fuhr Allechandriel einen ihr zufällig über den Weg laufenden Schreiberling an.
„Wie? Wer? Aber…“
„Der Grafschaftsrat! Lubomir von Storchenhain, wo finde ich diesen Mann?“ Selbst für jemanden, der sie nicht kannte, war ihre unterdrückte Wut nicht zu übersehen.
„Ich… die Amtsstube seiner Wohlgeboren ist die letzte Tür auf der rechten Seite im zweiten Obergeschoss.“ antwortete der junge Mann mit zittriger Stimme. Die Gräfin wandte sich um und lief raschen Schrittes auf das Treppenhaus zu.
„Aber Wohlgeboren Lubomir hat sich…“
Die Elfe, die schon losgestürmt war, hielt noch einen Moment inne. „Was hat er?“
„Er hat sich in den letzten paar Stunden nicht mehr gemeldet. Ich hab bereits mehrmals versucht, ihn zu erreichen, doch…“
„Aber er ist nicht krank oder so was?“
„Nein, nein, heute Morgen ist er ganz normal zum Dienst gekommen und hat sich an die Arbeit gemacht.“
„Seltsam das Ganze.“ stellte Allechandriel fest.
„Vielleischt gar nischt so seltsam, wie es zunächst scheint“, ergänzte Simiona. „Möglischerweise `at i`n jemand von unserem Kommen in Kenntnis gesetzt. Und er `at dementspreschende Vorbereitungen getroffen! Diese Möglischkeit sollten wir nischt ignorieren.“
Allechandriel blickte sie einen Moment nachdenklich an. Dann liefen die drei die Treppen hinauf. Die Elfe erreichte die Türe als Erste. Wild hämmerte sie gegen die Türe. „Von Storchenhein, aufmachen! Ich hab mit dir... mit Euch zu reden!“ rief sie, doch es kam keine Antwort.
„Vielleischt ist er gar nischt da?“ gab Simiona zu bedenken. „Das werden wir gleich sehen“, antwortete die Elfe und öffnete die Tür.
Drinnen bot sich ihnen eine Überraschung dar. Der alte Ritter lag mit verrenktem Hals auf dem Boden seiner Amtsstube, eine geborstene Phiole neben sich. Allechandriel drehte ihn auf den Rücken und beugte sich über ihn um seine Atmung zu überprüfen. „Er ist tot“, stellte sie fest.
„So blau, wie er angelaufen ist, scheint er vergiftet worden zu sein. Widerlisch so was.“ Simiona wandte sich angeekelt ab. Auch Junker Leomar war geschockt und stand sprachlos daneben.
„Es sieht so aus, als hätte er sich selbst vergiftet!“ bemerkte die Gräfin mit einem kühlen Blick auf das zerbrochene Fläschchen.
„Nun, das bestätigt nur unsere T`eorie, meint i`r nischt auch?“ Simiona ging zum Schreibtisch herüber. „Nanu? `ier liegt ein Brief. Keine Adresse, kein Absender. Vielleischt ein `inweis? Möglischerweise `at man i`n damit benachrischtigt. Wir sollten auf jeden Fall einmal nachse`en.“
Allechandriel sah auf. „Worauf wartest Du? Mach ihn auf.“
Simiona öffnete den Brief und las vor.
Mit diesem Abschiedsbrief bekenne ich mich schuldig, einen Mordanschlag auf Gräfin Allechandriel Quellentanz in Auftrag gegeben zu haben. Ich tat dies, um für mich und mein Haus mehr Macht und Einfluss zu gewinnen. Leider wurden meine Pläne vereitelt, und meine Absichten nun offenbar. Da auf Hochverrat ohnehin nur ein Urteil gesprochen werden kann entziehe ich mich der raul’schen Justiz und nehme dieses Gift zu mir, welches meinem Leben in Kürze ein Ende bereiten wird.
Mögen mir die Zwölfe verzeihen!
Mit einem zufriedenen Lächeln faltete Simiona den Brief wieder zusammen und übergab ihn Allechandriel. „Na bitte! Da `abt I`r den Beweis, den I`r wolltet.“
Allechandriel Quellentanz schüttelte traurig den Kopf. „Wie kann sich ein Mensch, dem meine Base vertraut hat, nur so etwas Barbarisches ausdenken? Was hat er damit nur bezweckt? Er hatte es doch gut mit seiner Position hier in Waldstein. Warum wollte er mich aus dem Weg räumen? Was hätte es ihm nur genützt?“ Die Elfe verstand gar nichts mehr.
Simiona trat an sie heran und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Mansche Menschen greifen eben zu schrecklichen Mitteln, wenn sie skrupellos und machtgierig genug sind und sisch davon Vorteile verspreschen. Ich rate Euch, achtet stets darauf nur solsche Menschen in Eure Nä`e zu lassen, denen I`r auch vertrauen könnt, Gräfin… Allechandriel.“ Diese nahm ihre Hand und lächelte sie einen Moment lang traurig an. Dann verließen sie das Zimmer des Grafschaftsrates.
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