Geschichten:In den Zimmern der Villa Ox - Wie bei den Rotpüscheln
Im Kaminzimmer der Villa Ox, Kaiserstadt Gareth, Hesinde 1042 BF
Es war schon spät der in der Nacht. Der nächste Tag schon angebrochen. Wolfaran schritt aufgekratzt durch das Kaminzimmer, während seine Frau in den Wehen lag.
Neben ihm saß sein Vater Leobrecht, der bei einem guten Schlucke Wein, den neuesten Garether und Märker Herold bestimmt schon zum dritten Mal in aller Ausführlichkeit las.
„Setz Dich Junge.“ Der Reichsvogt füllte einen weiteren Becher Rotwein und reichte diesen an seinen Sohn weiter. Aus dem Nachbarzimmer hörten sie die Schreie Iraldas, die bereits seit Stunden darum kämpfte dem kleinen Ochs‘ das Licht der Welt zu zeigen. Wolfaran nahm daraufhin einen großen Schluck und leerte den Pokal in einem Rutsch. „Bitte noch einen, jetzt ist schon nach Mitternacht. Herzlichen Tsatag. Du wirst Dir Deinen Geburtstag ab jetzt mit Deinen Enkeln teilen müssen."
Beim nächsten Rebensaft ließ er sich ein wenig mehr Zeit und setzte sich neben seinen Vater. „Bei Deiner Geburt habe ich fast einen ganzen Tag vor dem Zimmer Deiner Mutter verbracht. Du hattest damals keine Eile auf die Welt zu kommen. Ohja, sie war damals noch so blutjung. Gerade siebzehn Lenzen alt.“ Resümierte der alte Ochse und schwelgte dabei in Erinnerungen.
„Ich war ja schon ein paar Mal dabei, als unser Nachwuchs geboren wurde, doch ist es immer wieder aufregend und anstrengend. Aber ich will mich nicht beklagen. Iraldas Aufgabe wiegt hier schwerer als meine.“
„Ja sicher, die Strapazen für die Frau sind schlimmer. Doch wer seine Frau liebt, der leidet mit. Wenn auch nicht mit körperlichen Schmerzen“
„Apropos Frau. Warum sehen wir Ochsen nur tatenlos bei der Fehde zu? Wann gedenkst Du Dich an Mutters Seite zu stellen?“ Wolfarans Blick hielt inne und er wartete auf eine Antwort seines Vaters.
„Oh Wolfaran, wenn es nach mir ginge hätte ich Karoscha und ihre Schlägelschwinger schon längst in Wasserburg einfallen lassen. Ich respektiere jedoch den Wunsch Deiner Mutter, in der Fehde passiv zu bleiben. Glaub mir, das fällt mir äußerst schwer.“
„Und ich dachte schon, du wolltest nicht, sie ist doch Deine Frau und meine Mutter…“ Wolfaran wurde jäh unterbrochen, als ein lautes Babygeschrei seine Ohren erreichte. „Gratulation, Vater.“ Hob Leobrecht sein Glas beglückwünschend in die Richtung seines Sohnes, der mit seinem gehobenen Glas die besten Wünsche annahm.
„Mädchen oder Junge, jetzt bin ich gespannt.“ Der Kanzleirat war durchaus aufgeregt.
„Hauptsache gesund und munter, die Hebamme wird uns das Neugeborene bestimmt gleich zeigen. Ich bin gespannt, ob ihre Erwartungen richtig waren und wir noch weiteres Geschrei zu hören bekommen.“
Während die beiden auf glühenden Kohlen auf den Neuankömmling warteten, hörten sie erneut die Schmerzensschreie Iraldas. „Aha, also Zwillinge.“ Wolfaran wollte auf der Stelle aufstehen und in Richtung des Schlafgemachs seiner Frau gehen, als ein erneuter Schrei eines Säuglings ertönte.
Leobrecht schüttelte sehr gut gelaunt sein Haupt. „Glückwunsch zum Zweiten. Das ist ja wie bei den Rotpüscheln.“ Darauf nahm auch der Reichsvogt erst mal einen ganz, ganz tiefen Schluck aus seinem Rotweinglas.
Die Tür öffnete sich und die Amme schritt durch den Türrahmen. Auf dem Arm zwei kleine Bündel, zwei propere Mädchen. „Beide Kinder sind wohlauf und putzmunter.“ Wolfaran nahm sie freudig entgegen und schritt zu seinem Vater, um ihm seine Enkel zu zeigen.
„Na dann muss ich morgen Anaxios schon mal darauf vorbereiten, dass er beginnt das Geld abzuzählen. Deine Frau ist wahrlich ausgefuchst, wie der Rest ihrer Stippwitzer Vorfahren. Hat das Kleingedruckte im Vertrag wirklich genau gelesen.“ Der Reichsvogt wusste, dass dem Haus Ochs jetzt eine horrende Zahlung an das Haus Stippwitz drohte. Zu ihrem ersten Geburtstag erwartete der alte Krämer aus dem Kosch jetzt seinen Anteil.
„Damit hat Tante Giselda sicher nicht gerechnet, als sie diesen Vertrag abgeschlossen hat.“ Feixte Wolfaran, noch überschwänglich und voll von Glücksgefühlen.
„Gerechnet vielleicht nicht, aber sicher gehofft, Deiner Frau einen Anreiz geschaffen zu haben, das Haus Ochs vor dem Aussterben zu retten und sich selber vom Schuldenberg zu befreien – und du weißt, ohne Euch wären wir nicht so vielzählig. Es ist schon spät, oder sollte ich besser früh sagen. Du solltest jetzt zu Deiner Frau gehen, sie erwartet Dich sicher. Ich werde noch versuchen ein wenig zu schlafen.“
Das Oberhaupt des Hauses war sichtlich erfreut, die Zukunft der Ochsen war gesichert. Wie unwirklich es ihm vorkam, vor knapp über zehn Götterläufen, als Tabur starb, bestand der garetische Zweig noch auch Giselda, Anaxios und ihm…. Und jetzt: anerkannte Kinder, neugeborene Enkelkinder, Nichten und Neffen. Unglaublich, wie schnell sich das Blatt zum Guten wenden kann.