Geschichten:In einer Hand - Treue mit Treue vergelten

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Stadt Vierok, Gutshof des Barons, Anfang Ingerimm 1035 BF


Pamm. Pamm. Pamm. Der Klang des Schmieds, der vor wenigen Monden in das kleine Gut nebenan gezogen war, verstärkte die wummernden Kopfschmerzen Irians von Vierok.

Mit allen Mitteln hatte er verhindern wollen, dass der Stadtrat von Vierok diesem jungen Handwerker mit seinem aufgebretzelten Mannsweib und seinen sieben plärrenden Kindern den Hof verpachtete, wo der alte Gelehrte Herdin von Stippwitz, ein einstiger Hof- und Ministerialbeamten aus Gareth, sich hier in Vierok zur Ruhe gesetzt hatte. Mit dem war ein gutes Auskommen gewesen, ab und zu hatte Irian ihn zu sich eingeladen und seinem Nachbarn ein Becher Wein ausgegeben, vor allem aber war Herdin ruhig gewesen. Nicht wie dieses kreischende Daimonenpack, die direkt aus den verfluchten Niederhöllen zu stammen schienen.

Irian ärgerte sich maßlos und ging mürrisch seine spärlichen Korrespondenzen durch. Seitdem bekannt war, dass alle Hochadligen, also auch er, auf diesem unnötigen Adelstreffen zu erscheinen hatten, flatterte immer wieder eine Bittschrift von irgendwelchen Schnöseln in sein Arbeitszimmer. Unterstützung für Marschall Keres ... Pah! Verwöhnter Garether Stadtritter, arroganter Hauptstädter. Das Schreiben landete zerknüllt in der Ecke. Unterstützung für den Elfenpfad ... So eine unnütze Veranstaltung, eine Handelsstraße zu den Greifenfurtern zu bauen, die bedroht waren, jederzeit vom Ork gefressen zu werden. Die Bittschrift landete auf dem hohen Haufen zerknüllten Papiers.

Leise klopfte es an der Tür und seine Tochter Malevinde betrat das Arbeitszimmer ihres Vaters. Obwohl es eigentlich sie war, in deren Händen bereits seit Jahren die Amtsgeschäfte der Baronie lagen, hatte ihr Vater es sich in seinen sturen Kopf gesetzt, wenn er schon selbst in das verfluchte Grambusch musste, sich selber mit den Themen auseinander zu setzen, denen er seine Stimme verweigern würde. »Was’n?«, grummelte er seiner Tochter zu und warf verächtlich eine Bittschrift zur Unterstützung des Eslamsgrunder Schuldenerlasses in die Ecke.

»Vater, Ihr habt Besuch, der Euch sprechen wollt. Eure Junkerin Waltrude von Borstenfeld aus dem Junkertum Borstenfeld bittet um ein Gespräch mit Euch.«

»Willichnichsehen. Sollabhaun«, brummelte er fast unverständlich vor sich hin. Verächtlich schnaubte er auf, als er las, dass der Greifenfurter Adel den Reichsverräter Answin von Rabenmund nun auch noch heiliggesprochen haben wollte. Für so etwas hatten er und sein Vetter Berdin nicht standhaft an der Seite vom jungen Brin gestanden und den aufrührerischen Adel besiegt. »So eine stinkende Orkscheiße habe ich wirklich lange nicht mehr gelesen. Die gehören doch alle aufs Schafott.« Die Bittschrift zerriss er in kleine Schnipselchen und schleuderte sie zu den anderen.

Malevinde schüttelte ihren Kopf und reagierte nicht auf diesen ihr unverständlichen Ausbruch. Sie versuchte es erneut: »Vater, ich würde Euch allerdings empfehlen, die Junkerin anzuhören. Sie sagte, sie wolle etwas sehr Wichtiges mit Euch besprechen. Und sie sah aus, als ob sie das ernst meinte.«

»Na gut«, seufzte Irian schwer auf. »Hol’se rein.« Mit einem Wisch fegte er den Rest der Bittschriften ungelesen in die Ecke.

Wenige Minuten später führte Malevinde den Gast ihres Vaters in das Arbeitszimmer und zog sich in einen Winkel des Raumes zurück. Irian machte keinerlei Anstalten, seinen Gast zu begrüßen, noch einen Platz anzubieten. Der resoluten Junkerin schien dies allerdings wenig auszumachen, und offenbar hatte sie auch nichts anderes von ihrem Baron erwartet.

»Praios und seine Geschwister zum Gruß Hochgeboren«, verneigte sie sich leicht vor Irian, der nur unverständlich als Antwort grunzte. »Ich wollte, wie es sich für eine tugendhafte Ritterin geziemt, Euch vor dem Großen Kabinett aufsuchen, um Euch zu versichern, dass Ihr auf die volle Unterstützung der Familie Borstenfeld zählen könnt, so wie wir Euch bereits in den letzten drei Jahrzehnten unterstützt haben.«

Der gewichtige Baron runzelte seine Stirn. »Wazu soll ich denn Unterstützung brauchen? Ich habe doch kein Anliegen, welches ich auf diesem Großen Kabinett vertreten müsste.«

Waltrude von Borstenfeld lächelte hintersinnig mit ihren gelben Zähnen, was ihrem Gesicht die Züge einer Wölfin gab. »Das ist mir durchaus bekannt, Euer Hochgeboren. Aber wie ich es bereits sagte, es gebührt sich für eine tugendhafte Ritterin, ihrem Lehnsherren die Treue zu versichern, denn wie heißt ja schon schön: Man vergelte stets Treue mit Treue.«

Irian fühlte sich unwohl und spürte instinktiv, dass die Junkerin auf etwas hinaus wollte, was sie nicht offen sagte. Er hatte durchaus das Gefühl, als ob die lässig vor seinem Schreibtisch stehende Ritterin ihm wie ein Raubtier auflauerte und darauf wartete, ihn zu verspeisen. »Worauf wollt Ihr hinaus?«

Die Junkerin machte einen Schritt nach vorne an den Schreibtisch und beugte sich nach vorne. Irian zuckte erschrocken zurück und blickte sie wortlos an. »Was ich sagen will, man hat Euch, einem Bürgerlichen aus Gareth ohne Abstammung und Adel, nach dem Aussterben der Familie Schellenpfort, zu denen einst meine Familie verwandtschaftliche Bände geknüpft hatte und deren Blut daher auch in meinen Adern fließt, auf Grund Eurer Verdienste gegen die Menschfresser diese Baronie übereignet. Nachdem Euer Vetter Berdin, ohne eine Spur im Adel Garetiens zu hinterlassen, vergangen ist, seid Ihr ohne nennenswerte Unterstützer. Die Kaiserkrone kümmert sich nicht darum, wer Ihr seid und wer diese Baronie nach Eurem Tod führt. Es wäre in diesem Fall doch gut sich zu vergewissern, dass die Familie Borstenfeld auch Eurer Erbin nach Eurem bedauernswerten Dahinscheiden eine wertvolle Stütze gegen die Unbillen der Zeitläufte ist, oder meint Ihr nicht?«

Irian lehnte sich mit ängstlicher Miene zurück in der Lehne seines stabilen Eichenstuhles und blickte noch immer wortlos die Junkerin an. Er räusperte sich und wiederholte deutlich und akzentuiert seine Frage: »Worauf wollt Ihr hinaus?«

»Ich will, dass Ihr auf dem Großen Kabinett an Eure Pflicht gegenüber Euren Vasallen denkt und dies in Eure Entscheidung einfließen lasst. Wenn Ihr Euch gegen Eure Vasallen entscheidet, dann wird es kaum ein weiteres friedliches Miteinander geben können. Worüber ich rede, werdet Ihr sehr schnell erfassen, wenn die Zeit gekommen ist.« Mit diesen Worten wandte sich die Junkerin auf der Stelle um und verliess das Arbeitszimmer.

Bleich und etwas verdattert schluckte Irian mehrere Male trocken und schüttelte den Kopf, wie als ob er aus einem Traum erwachen wollte. Seine Tochter, mit geröteten Wangen, trat an den Schreibtisch und sah erschüttert ihren Vater an. »Das ist blanke Erpressung, Vater. Dieses Miststück will Euch erpressen, und wenn Ihr nicht nach ihrer Pfeife tanzt, dann will sie mir mein Erbe wegnehmen.«

Irian nickte bedächtig. »Das können wir nicht zulassen. Ich werde nicht das Erbe meiner Kinder und den Ruf meiner Familie verspielen. Was sollen wir tun?«

Malevinde zuckte ratlos mit den Schultern. »Vielleicht sollten wir beginnen, uns nach Verbündeten umzuschauen? Wir müssen diese Drohung ernst nehmen. Denn Borstenfeld hat recht, unsere Familie nimmt tatsächlich eine verdammt schwache Position im Königreich ein.«

Das laute Hämmern des Nachbarn fiel in die Stille des Arbeitszimmers. Doch weder Irian noch seine Tochter bemerkten den Lärm.