Geschichten:Jäger und Beute - Dunkles Licht
Wehrturm Hardenfels, Baronie Zackenberg, in der Nacht zum 1. Praios 1046 BF
Ich stand im Hof meines Wehrturms. Die Luft war heiß wie in einem zwergischen Hochofen. Der Himmel über mir war dunkel und bedeckt von Wolken, die sich zu grotesken Formen türmten und in sich zusammenbrachen. Die Praiosscheibe war wie verschluckt und doch wuchsen die Schatten lang und bedrohlich. Sie schienen nach mir zu greifen, drohten mich zu fesseln und im Dunkeln zu halten.
Doch mit einem beherzten Sprung stieß ich mich vom Boden ab, gerade noch rechtzeitig Richtung Himmel. Denn dort, wo zuvor noch fester Grund war, klaffte nun ein endloses schwarzes Loch, das wie ein Maul auf mich wirkte, was alles zu verschlucken drohte.
Ich landete auf dem flachen Dach meines Turms und blickte in den Hof herab. Die Schatten schlängelten sich am Mauerwerk entlang in die Höhe. Suchten mich und wollten mich fassen. Mein Blick in den Abgrund ließ mich wanken, das schwarze Maul schien mich zu sich zu rufen. Versprach Ruhe für den Rastlosen, ein sättigendes Mahl für den ewig Hungrigen. Doch es strahlte auch Bedrohlichkeit aus! Nicht offen, sondern verdeckt, subtil. Beinahe hätte ich es übersehen!
Der Schweiß, der mir herabrann, verwandelte sich in Blut. Meine Kleidung und Haare färbten sich erst dunkel Rot, dann jedoch purpurn und ich wusste, dass ich dem Schlund nicht entkommen konnte. Zu tief befand ich mich bereits in seinem Sog! Die Versprechen, die mir gemacht wurden, waren trügerisch, hatten mich verführt und geblendet! Alles hatte seinen Preis und das “Geschenk“, das ER mir gemacht hatte war teuer. Es ging um nichts weniger als um meine eigene kostbare Seele!
Die Schatten, welche die Form von Fangarmen angenommen hatten, umschlossen nun meine Beine, begannen an mir zu ziehen und brachten mich zum Wanken. Ich strauchelte, am Rande des Abgrunds! Ich sammelte meine Kräfte, griff nach den Schatten doch bekam sie nicht zu fassen. Nein, viel schlimmer! Nun legten sie sich auch um meine Handgelenke! Ich konnte mich nicht mehr befreien. Ich stand allein, gegen einen Feind, der sein Unrecht einforderte und mächtiger war, als alles was ich kannte!
Doch plötzlich brach die Wolkendecke auf! Licht durchstieß den dunklen Himmel, ließ die Schatten verschwinden und kühlte die Umgebung merklich ab. Zu meiner Verwunderung wurde es jedoch nicht heller, sondern dunkler?! Mein Blick richtete sich gen Himmel und da erkannte ich, dass es nicht die Praiosscheibe war, das da durch die Wolken brach, sondern das Madamal, das sich nun in einen großen Vogel verwandelte.
Es war selbst mir, mit meinen Augen die in der Nacht hervorragend sehen konnten, unmöglich zu sagen, was für eine Art von Vogel da auf mich zukam, doch ehe ich mich versah, befand ich mich auf seinem Rücken. Das Tier stieg immer höher in die Lüfte, durchstieß die bereits durchlöcherte Wolkendecke und flog Richtung Raschtulswall, wo es sich vor einer Burg in Rauch auflöste. Ich erkannte, dass es sich dabei um ein Kloster handeln musste, mehr jedoch nicht, denn kurz bevor ich auf dem Boden aufschlug, schreckte ich aus seinem Schlaf hoch.
Mit einem Blick zu den verhangenen Fenstern stellte Wolfhelm fest, dass der erste Tag des neuen Jahres angebrochen sein musste. Zumindest schien es hell durch den Spalt zwischen den schweren Vorhängen, die sein Arbeitszimmer abdunkelten. Er wusste was auf ihn wartete. Ihm wurde ein Ausweg gezeigt, dem er nun folgen musste, wollte er nicht in den unheilvollen Schlund fallen.
Mühelos erhob er sich aus seinem Stuhl, in dem er öfters schlief als in dem Bett, das er sich mit seiner Frau teilte. Wehmut kam in ihm hoch, als er an sie denken musste. Er hatte sich im letzten Jahr sehr von ihr entfernt, vielleicht würde dies nun endlich ein Ende haben? Er war es leid Leute, die ihm viel bedeuteten, zu verlieren und von sich zu stoßen.