Geschichten:Jadekrieger - Haselhainer Allerlei
Stadt Haselhain, Ende Praios 1042 BF:
Seit dem Nedime, Xanjida und Pernula für Nedimes Onkel Reto am Markgrafenhof ein paar Nachforschungen angestellt hatten, waren sie Feuer und Flamme für diese Art Abenteuer. Sie beknieten ihn, sie doch mit nach Punin zu den Hadrokles-Paligan-Spielen zu nehmen. Reto, der ein großes Herz für die Mädchen hatte, stimmte dann auch zu und trug beim Seneschall das Gesuch der drei vor. Dieser konnte von Reto auch davon überzeugt werden, dass es für die drei markgräflichen Knappinnen durchaus an der Zeit war, die Luft der hohen Reichspolitik zu schnuppern. Natürlich war es von Anfang an Retos Ziel gewesen die Mädchen für diese Sache zu begeistern.
Die drei Knappinen waren außer sich vor Freude und hätten am liebsten unverzüglich ihre Sachen gepackt und nach Punin aufgebrochen. Doch, daraus wurde nichts, standen doch erst mal die Namenlosen Tage und Nedimes Vermählung mit der Erb-Baronet von Herdentor vor der Tür. So trennten sich die Wege der Mädchen erst mal wieder. Nedime reiste mit Xanjida, ihrem Onkel und dessen Sekretär Romelio nach Rashia'Hal um dort die dunklen Tage im Schoße der drei lieblichen Schwestern zu verbringen – und um auf ihre baldige Hochzeit vorbereitet zu werden – während Pernula am markgräflichen Hof verblieb. Nach den Hochzeitsfeierlichkeiten sollte die Gruppe dann den langen Weg über Gareth nach Punin reisen.
Am frühen Morgen war die illustre Personenschar vom Herrensitz in Edlenhof aus aufgebrochen und erreichte nach einer Tagesreise den Handelskontor Feqzaïl in der Stadt Haselhain.
"Was für ein erstaunlich garetisches Städtchen Haselhain doch ist", bemerkte Xanjida überrascht. "Ich dachte diese Lande sind aranisch-tulamidisch geprägt."
"Ui, lass das bloß nicht die hiesigen Nebachoten hören", feixte Nedime, "die sind zwar fern davon sich als Garetier zu bezeichnen, aber sie Aranier zu nennen, würde sie sehr verärgern."
"Oh, wie ich sehe ist Perricum doch ein wenig anders als die Kaisermark." Xanjida lebt erst seit einem Mond am markgräflichen Hof und kannte Perricum noch nicht wirklich gut.
"Es gibt wichtigeres über diese Lande zu wissen." Pernula rümpfte herablassend die Nase.
"Und was?", wollte Xanjida wissen.
"Na, dass der Landadel verbohrt und engstirnig ist – egal ob raulsch oder nebachotisch." Pernula sah sich und ihre Familie, die zum Stadtadel der Reichsstadt Perricum gehörten, dem Landadel überlegen.
"Über allen thront der Perricumer Stadtadel, die Zolipantessa voran", scherzte Nedime und lachte amüsiert.
"Du weißt sehr wohl, dass unser Blut über das dieser Provinz-Trampler steht."
"Du bist echt unverbesserlich, Pernula!", Nedime schüttelte schmunzelnd den Kopf. Sie teilte die Ansichten ihrer Freundin nicht, denn ihr Vater war Almadaner, ihre Mutter stammte aus Aranien und sie selber wuchs in Zentralgaretien auf. Nunmehr lebte sie in Perricum und versuchte Land und Leute zu verstehen. Sie sah sich nicht einem Landstrich oder einem Volk zugehörig – sondern sie war Teil des Reiches Rauls des Großen. Für diese Zugehörigkeit, diese Reichsidee, hatte ihr Haus alle ihre angestammten Lande verloren. Ein größeres Zeichen von Loyalität konnte es in ihren Augen nicht geben.
"Ach du Aimar-Göre", neckte die Zolipantessa Nedime, "tu mal nicht so überheblich. Meine Tante ist immerhin Reichsvögtin von Perricum."
"Mein Onkel ist Reichsvogt der Gerbaldsmark", erwiderte Nedime betont ungerührt.
"Ich stamme aus dem Haus Gareth, Ende der Diskussion!" Xanjida legte keck ihren Kopf zur Seite. Immerhin hatte sie ihr Ziel erreicht, diese nervige Palaver war beendet. In diesem Moment betraten Reto und Nedimes Mutter Yurika den Raum.
"Na meine Täubchen, freut ihr euch schon auf Punin?"
"Aber natürlich, Onkel", rief Nedime begeistert.
"Wunderprächtig, meine Lieben! Meine von der Allweisen geküsste Schwester und ich haben für die lange Reise für euch ein wenig Zerstreuung parat." Reto lächelte vergnügt.
"Oh was ist es", platzte es aus Pernula heraus, "vielleicht ein Gaukler?"
"Oder ein Minnesänger?", worauf Xanjida sehr hoffte.
"Nein, ich kenne meinen Onkel!" Nedime schaute Reto misstrauisch an. "Es ist etwas anderes ... und ich glaube ihr werdet daran weit weniger Spaß haben als bei den vorher genannten Sachen."
"Aber, aber meine Gute, wo denkst du hin." Reto gluckste vor Freude. "Auch daran kann man die höchste Freunde empfinden."
Während Reto sprach, brachten Romelio und Tolmario Schriftrollen herein.
"Was bei den Niederhöllen ist das?", wollte Pernula wissen.
"Das sind Dossiers wichtiger Persönlichkeiten, die wie wir auch ebenfalls bei den Festivitäten anwesend sein werden", dozierte Nedimes Mutter Yurika in ihrer ganz eigenen Art.
"Jede von euch Täubchen werdet die euch zugeteilten Dossiers studieren und euch gegenseitig vorstellen. Versucht, die Persönlichkeit hinter Pergament und Tinte zu fühlen und zu erfassen, was sie wohl in Punin wollen könnten." Reto blickte die drei Mädchen herausfordernd an. "Ihr habt doch noch Interesse an einem Abenteuer besonderer Art?"
Die drei Mädchen nickten eifrig, auch wenn sie nun zu ahnen begannen, dass die Reise nach Punin kein Sommerausflug werden würde.
"Bruderherz, sei nicht zu streng mit den Mädchen, schließlich wollen wir es ihnen ja nicht verderben." Yurika schaute ihren Brüder gütig an.
"Wo ich bin, herrscht Frohsinn – mögen ihnen die Köpfe dabei auch rauchen." Reto lächelte vielsagend. "Ich werde ihnen auf dieser Reise einen unschätzbaren Einblick in die hohe Politik ermöglichen."
"Aus reiner Herzensgüte?" Die Hesinde-Geweihte grinste breit.
"Wo denkst du hin, liebste Schwester, die Mädchen sind, alle drei auf ihre Weise, die Zukunft Perricums. Aber kommen wir zu dir, meine Teure. Ich hörte, du wirst morgen nicht mit uns weiter reisen."
"Wie immer gut informiert, liebster Bruder. Ich werde der hiesigen Baronin meine Aufwartung machen."
"Ich kann mir sehr wohl vorstellen, auch wenn mir diese Art Zuneigung Zeit meines Lebens fremd geblieben ist, was dich an ihr reizt. Rahja sei mit dir, meine liebe Schwester!"
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